Sie ist auf dem Weg nach oben

Florence Kasumba wird jetzt "Tatort"-Kommisarin, Foto: Ilze Kitshoff.
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Welche Rolle sie nicht spielen könne? Florence Kasumba lacht und erzählt: Einmal habe sie sich für den Part einer Frau beworben, die von ihrem Ehemann geschlagen werde. „Ich kam vom Kung-Fu-Training zum Vorsprechen, im Tanktop, und die Reaktion war: ‚Sorry, aber du siehst nicht aus wie eine, die sich verprügeln lässt.‘“ Da habe sie gedacht: „Stimmt. Aber das ist okay.“

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Sie sitzt im Café eines Berliner Hotels, trinkt stilles Wasser, spricht mit ruhiger Stimme und füllt doch den Raum mit ihrer Präsenz. Der Kopf kahl geschoren, die Füße in schweren Doc Martins, die Haltung aufrecht und jede Bewegung von der elastischen Grundspannung einer Tänzerin durchdrungen: Diese Frau ist eine Erscheinung. Cool und nahbar, robust und grazil, kon­trolliert und zugleich unprätentiös im Auftreten.

Sie ist in Essen aufgewachsen und hat es bis nach Hollywood geschafft

Das hat die 42-Jährige, die in Ugandas Hauptstadt Kampala geboren und in Essen aufgewachsen ist, bis nach Hollywood geführt. Als Sicherheitschefin Ayo kämpfte sie im Marvel-Universum, in Kassenschlagern wie „Captain America“, „Black Panther“ und „Avengers“. In „Wonder Woman“ gab sie eine wehrhafte Senatorin. Gerade hat sie ihre Stimme einer animierten Filmfassung des Musicals „König der Löwen“ geliehen. Zur Besetzung gehört auch Beyoncé.

Aber dass sie es „geschafft“ habe, sagt Florence Kasumba, höre sie in Deutschland erst, seit sie als „Tatort“-Kommissarin engagiert wurde. Dabei hatte sie nach ihrem Theater- und Tanzstudium in den Niederlanden schon eine erfolgreiche Musicalkarriere hingelegt, stand in „Die Schöne und das Biest“ oder „Mamma Mia“ auf der Bühne und spielte die Titelfigur in „Aida“. Im deutschen Fernsehen hatte sie immer wieder kleinere Rollen übernommen.

Wer hätte schon gedacht, dass es sie für amerikanische Actionfilme empfehlen würde, als sie Shaolin Kung Fu für sich entdeckte? In Kampfkünsten geschult, konnte sie ihre Stunts teilweise selbst machen – und katapultierte sich mit ihrer Karriere auf eine andere Umlaufbahn. Das wiederum weckte zuhause neues Interesse. In der Agentenserie „Deutschland ’86“ auf Amazon spielt sie eine südafrikanische Anti-Apartheid-Kämpferin, die eine weiße Frau liebt.

Im Frühjahr wird Florence Kasumba nun an der Seite von Maria Furtwängler im Göttinger „Tatort“ als Kommissarin Anaïs Schmitz zu sehen sein. Aber wieder als die Toughe auftreten, verfestigt da sich nicht ein Rollenklischee? Nein, sagt Florence Kasumba, sie habe ja auch schon eine Forscherin und eine Ärztin gespielt. Mit dem „Tatort“ geht für sie ein Traum in Erfüllung. „Ich dachte mir: Es gibt schon so viele unterschiedliche Ermittler, da könnte ich doch die erste schwarze Kommissarin werden. Und es hat geklappt!“ Ihre Hautfarbe spielt in Deutschland noch eine Rolle. In den Niederlanden wundere sich keiner, wenn sie zur Begrüßung sagt: „Hi, ich bin Florence. Ich komme aus Essen und lebe in Berlin.“

Jetzt ist sie die erste schwarze Kommissarin
im "Tatort"

Als Schauspielerin wünscht sich Florence Kasumba mehr Vielfalt in Spielfilmen: LGBT-Figuren, verschiedene ethnische Hintergründe, größere Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung. Als Bürgerin, Ehefrau und Mutter zweier Kinder, die einen hellhäutigen Vater haben, blickt sie mit Sorge auf den Rechtsruck in Europa und Aufmärsche wie in Chemnitz. Aber sie will verstehen, warum Leute dort mitmarschieren, was ihnen widerfahren ist.

Erfahrungen mit Alltagsrassismus, die sie natürlich kennt, will sie im Gespräch keinen breiten Raum geben. Für sie, die „Ruhrpottpflanze“ mit der behüteten Kindheit, steht an erster Stelle, was uns voranbringt. „Ich habe keinen Krieg erlebt, ich musste nie wirklich für etwas kämpfen“, sagt sie. Frauenrechte und die Rechte von Schwarzen, für die freilich immer weiter gestritten werden müsse, hätten andere für sie erkämpft. Das sei Geschenk und Verpflichtung. Florence Kasumba steht mit jeder Rolle, die sie spielt, dafür ein.

"Tatorte" mit Florence Kasumba

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Sabine Postel: Die Beliebte

© Radio Bremen/ Stephan Pick
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Es ist schwierig bis unmöglich, ein Porträt über Sabine Postel zu schreiben, in dem es nicht andauernd um Inga Lürsen geht. Ständig schreibt man aus Versehen Lürsen, wenn man eigentlich Postel meint und umgekehrt. Aber vielleicht ist das auch kein Zufall. Schließlich bezeichnet die Schauspielerin ihre Kommissarin Inga Lürsen selbst als „Zwitter“: „Ein Drittel bis die Hälfte hat was mit mir zu tun.“ Zum Beispiel die gemeinsame „68er-Vergangenheit“ oder dass Lürsen „nicht intrigant ist und nicht mobbt“. Die so genannte „Stutenbissigkeit“ sei auch ihr immer fremd gewesen, sagt Postel. „Ich war eigentlich immer frauensolidarisch.“

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Ich war eigent-
lich immer frauensolidarisch

Und so geht es weiter mit den Parallelen. Als Postel sich damals vor fast zwanzig Jahren per Schießtraining auf ihre Rolle als Lürsen vorbereitete, hat sie zwar „sehr gut geschossen“. Aber sie hat eben auch „gemerkt, was so eine Waffe für ‘ne Wucht hat und was man damit anrichten kann“. Und weil die Schauspielerin Postel bei der Entwicklung der Figur Lürsen ein Wörtchen mitzureden hatte, verpasste man der Kommissarin eine Art Pistolenallergie. 

Das zweite, was sich die damals 43-jährige Postel für ihre Inga Lürsen ausbat, war, dass die als Mutter angelegte Figur bitteschön alleinerziehend sein sollte, denn: „Wenn schon Mutter, dann ­Rabenmutter!“ Dieser Satz lässt ahnen, womit Postel es zu tun bekam, als sie selbst alleinerziehende Mutter wurde. Als ihr Mann 2003 an Lungenkrebs starb, war Sohn Moritz elf Jahre alt. Natürlich blieb seine Mutter berufstätig – was sonst?  

1994 war Sabine Postel für ihre patente Mutter Sybille in der ­Familienserie „Nicht von schlechten Eltern“ mit dem Bambi ausgezeichnet worden. „Seither bekam ich ewig nur Mutterrollen angeboten. Und es bestand die akute Gefahr, dass ich zur Mutter der Nation werde.“ Zwecks Gefahrenabwehr lehnte sie alle Mutterrollen ab – bis Kommissarin Lürsen kam. Nach Lena Odenthal trat also 1997 im Tatort eine Kommissarin in Bremen ihren Dienst an, die man am treffendsten mit folgenden Adjektiven charakterisiert: bodenständig, robust, emanzipiert – auch wenn sie das Rennen an ihren Kollegen Stedefreund delegiert. Engagiert, aber von der Doppelbelastung bisweilen auch strapaziert. Keine Neurosen, wie neuerdings bei Tatort-Kommissaren üblich. Kurz: irgendwie ziemlich normal. 

Auf den ersten Blick mag das nicht rasend aufregend klingen. Aber genau das ist es, was Lürsen/Postel für die Zuschauerinnen so spannend macht, dass der Bremer Tatort auch nach 18 Jahren die magische Zehn-Millionen-Zuschauerhürde knackt.

Wenn schon Mutter, dann ­Rabenmutter!

Sabine Postel liegt in einer aktuellen Umfrage zur „Akzeptanzquote“ deutscher Schauspielerinnen vor Iris Berben und Hannelore Elsner. „Die Leute denken: Die ist eine von uns!“, glaubt Postel. Von Frauen kriegt sie „total schöne Briefe, richtige kleine Liebeserklärungen sind das“. Mit Sätzen wie: „Sie hatten es so schwer nach dem Tod Ihres Mannes und haben trotzdem durchgehalten.“ Oder: „Sie haben sich nicht operieren lassen und sehen immer noch gut aus.“

Das Robuste, Bodenständige kommt daher, dass Sabine Postel als Kind „Freiraum ohne Ende“ hatte. Zuerst auf dem Land, genauer: in Neustadt am Rübenberge am Steinhuder Meer, wo sie zwischen den Ziegen und Hühnern der Oma aufwuchs. Aber auch nach der Einschulung im trümmerigen Nachkriegs-Köln, wo Vater Kurt als WDR-Unterhaltungsredakteur Kabarettisten entdeckte und die Mutter als Chefsekretärin bei Kaufhof arbeitete, war das Abenteuer nicht zu Ende. „Man ging halt raus zum Spielen und kam irgendwann wieder.“ Die Eltern, „sehr jung und sehr lässig“, ließen sie.

Sabine macht Kinderfunk beim WDR. 20, 30 Mark verdiente man da an einem Wochenende. „So hatte ich schon als kleines Mädchen mein eigenes Geld, das ich auf meinem Sparbuch hervorragend verwaltete.“ Mit dem Vater, der vom riskanten Schauspiel-Beruf abrät, macht die Tochter einen Deal: Wenn sie an der Schauspielschule beim ersten Versuch angenommen wird, darf sie weitermachen. Sie wird angenommen, 1971 in Bochum. Am Staatstheater Oldenburg spielt sie Brecht, Tschechow und Stücke des Grips-Theaters, schließlich will man „die Welt verändern“.

Dass man sich auf dem Höhepunkt der Frauenbewegung darüber einig ist, dass Frauen die selben Rechte haben, ist „selbstverständlich“. Theoretisch. Praktisch verdienen auch an linken Theatern Schauspielerinnen weniger als Schauspieler. Worauf Postel der Gewerkschaft beitritt und für gleichen Lohn für gleiche Arbeit kämpft.

Was unterscheidet nun Postel von Lürsen? „Sie hat eine gewisse Ruppigkeit, die ich privat nicht habe“, sagt die Schauspielerin. Die gemeinsamen zwei Stunden in einem Kölner Café bestätigen das nicht wirklich. Über die „Scheiß-Einschaltquote“ flucht sie, die ein „Hirnriss“ ist, wenn man im Fernsehen Qualität machen will. „Mist“ ist, dass sich „das Rad in Sachen Gleichberechtigung gerade wieder zurückdreht“. Denn: „Dass es sinnvoll ist, dass Frauen arbeiten und ihr eigenes Geld haben – das hatten wir doch alles schonmal geklärt. Man kommt sich ja vor wie in der 50er Jahren!“ Da poltert Sabine Postel wie Inga Lürsen, wenn Stedefreund auf der Leitung steht.

Man kommt sich ja vor wie in den 50er Jahren!

Einen echten Unterschied zwischen Kommissarin Lürsen und Schauspielerin Postel gibt es aber doch. Während die eine als Dauersingle unterwegs ist, lebt die andere lieber in trauter Zweisamkeit. Mit einem Partner, der jünger ist als sie. Was im umgekehrten Fall keinen Buchstaben wert gewesen wäre, wurde hier zur Schlagzeile mit Ausrufezeichen. Dabei sei das „nur eine Frage des Selbstbewusstseins der Männer“, erklärt Postel. „Hat man es nötig, sich mit einer jungen Frau zu schmücken?“ Und überhaupt: „Ich finde nicht, dass Männer in den 60ern zwingend so wahnsinnig viel attraktiver sind als Frauen.“ Dieser Satz könnte nun wieder auch von Inga Lürsen stammen.

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