Frauen geben Gas!

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Schon in den 60er Jahren begannen einige Konstrukteure, (wieder) Frauen zu engagieren, lange Zeit nur im Bereich Farben und Innenausstattung. Seit den 80er Jahren darf das weibliche Geschlecht auch an Design und sogar Technik ran.

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Da der Anteil der Frauen, die selbstbewusst ihr eigenes Auto kaufen, seither sprunghaft gestiegen ist - in Europa werden heute zwischen 30 bis 50 Prozent der Neuwagen von Frauen gekauft - hat sich auch in den Kaderpositionen großer Konzerne einiges getan. Volvo Executive Vice President Sven Eckerstein: "Weil ein großer Teil unserer Käufer weiblich ist, ist es für uns gar keine Frage, dass möglichst viele Frauen bei uns mitarbeiten. Die Sicht von Frauen und Männern in bezug auf Design und Funktionalität ist verschieden."

Opel präsentierte eine ganze Frauencrew.

Nach dem Motto: "Tue Gutes und rede darüber" präsentierte beispielsweise Opel in Rüsselsheim vor gut einem Jahr stolz der Presse eine ganze Frauencrew, die maßgeblich an der Konstruktion des Modells Vectra beteiligt war: die 28jährige Maschinenbauingenieurin Ulrike Just als Werkzeug-Konstrukteurin; die 33jährige Gabriela Schneppat, "die für die Raumaufteilung zwischen Fahrgast-, Koffer- und Motorraum zuständig ist und sich auf sogenannte Ansauganlagen spezialisiert; die für die Fahrzeug-Elektronik verantwortliche promovierte Physikerin und Projektingenieurin Lorene Leilich; sowie Andrea Weyersberg, Doktorin der theoretischen Physik, die live und via Computersimulation Crashtests fabriziert. Als Jüngste im Bunde kümmert sich die 27jährige Metallurgie-Expertin Veronika Schaumkel im Zentrallabor um die Güte der Werkstoffe.

Volvo weist eine beachtliche Zahl Frauen in der Führungsriege vor. Frauen mit mindestens einem abgeschlossenen Studium und nicht selten mit Mann und Kind. Zu ihnen gehört Lena Olving, Plant Manager im Werk Torslanda, wo die 850er und 900er Serien hergestellt werden. Sie ist Herrin über 4.100 Mitarbeiter, darunter mehr als tausend Frauen, und vollverantwortlich für den Einsatz modernster Technik und die Weiterbildung ihrer Crew.

Einige Tausend Kilometer von ihr entfernt leitet Sylvia Voegele am Stadtrand von Los Angeles das Volvo Conceptions- und Monitoring Center. Es liegt im kreativen Dunstkreis von Pasadena, der Stadt, die weltweit eine der bedeutendsten Universitäten für Autodesign beherbergt. Für die kalifornische Managerin "gibt es kein Geschlechterproblem", ja "es gab nie eines".

Das Auto ist auch für Frauen unverzichtbar.

Die in Alexandria geborene Amerikanerin hat in New York Statistik studiert und sich sehr bald auf Marktforschung spezialisiert. Zusammen mit 20 Designerinnen und Ingenieurinnen arbeitet sie an Konzepten und Studien für das Auto von morgen, das 1998 vom Band laufen soll. Ihre Computersimulationen kreisen wie ihre Gedanken um das Jahr 2000. Rücksicht auf die Umwelt ist dabei eines der zentralen Themen. Doch Auto muss sein. Denn: "Lebst Du hier in Los Angeles mit 12 Millionen Menschen und einer Ausdehnung, die der Strecke Basel-Frankfurt entspricht, ist das Auto ein unverzichtbares Transportmittel".

Seit knapp einem Jahr leitet die 46jährige Amerikanerin Anne Stevens für Ford das Komponentenwerk Enfield bei London. Sie ist Chefin von 1.000 Mitarbeitern, die für Ford, Jaguar und Mazda pro Tag 10.000 Instrumententafeln zusammenbauen und Messtechnik an Tanks anbringen. Für den Top-Job hat Anne Stevens für drei Jahre Ehemann Bill und die erwachsenen Kinder, Tochter Jennifer und Sohn Jon, in den USA zurückgelassen. "Aber wir sehen uns regelmäßig in den USA oder in London" beantwortet sie die unvermeidliche Frage, wie so etwas funktioniert. Von Männern umgeben war Anne immer, schon als sie als einziges Mädchen Physik studierte und später ein Studium für Werkstoffingenieure mit dem "Most Likely To Success Award" abschloss. Kommentar eines Technikers: "Wenn Sie das schaffen, kann meine Tochter es auch."

Frauen in diesen technischen Positionen sind noch immer Exotinnen, während sie bei Colour und Trim, Farben und Stoffen schon länger ein gewichtiges Wort mitreden. Mit wenigen Ausnahmen sind diese Bereiche in der Autoindustrie heute fest in Frauenhänden.

Designerinnen sollen neben der Technik Gefühle berücksichtigen.

Bei Volvo heißt die Verantwortliche für Innen-Design Birgitta Thorsson. Peugeot hat vor sechs Jahren die heute 27jährige Karine Caillard Buisson geholt. Die Porsche-Stylistin Dorothea Müller-Goodwyn und ihre Kolleginnen Friedericke Plog-Girmann von VW sowie Sabine Zemelka von BMW sind sich einig, dass die Aufgabe der Frauen darin besteht, neben der Technik auch die Gefühle zu berücksichtigen. Sensibilität gegenüber Trends in Mode, Architektur und Design und ein profundes Wissen über High-Tech-Stoffe und Farbphilosophien sind Voraussetzung.

Dass mehr Frauen als Männer kleinere Autos kaufen, ist bekannt. Das hat nicht nur damit zu tun, dass noch immer viele Frauen auf der ganzen Welt weniger verdienen als Männer, welche die gleiche Arbeit tun. Und da gibt es auch noch das kleine "Zweitauto", gekauft vom Ehemann für die grüne Witwe.

In der Regel ist es so, dass Frauen ihr eigenes Auto nach pragmatischen Überlegungen wählen: Es soll zuverlässig sein, praktisch und sparsam. Die Werbung argumentiert anzüglich: "Männer schauen dem Mazda gerne nach. Denn er wird meistens von einer Frau gefahren." Bei Peugeot lächelt eine schon vergebene Frau auf dem Plakat ihren Mann an und fragt: "Liebling schenkst Du mir einen 106?". Bei BMW stapelt eine attraktive Lady ihre Designerpakete ins blitzende Statussymbol. Opel ließ in einem Werbespot die in einem Tigra sitzende Franzi von Almsick in einem Stau einfach in einer Pfütze untertauchen, um jenseits des Chaos wieder hochzukommen. Mercedes setzte die Rennfahrerin Ellen Lohr ans Steuer. Und Nissan lässt eine frischgebackene Käuferin zu ihrem Liebling sagen, sie "habe sich das kleine Auto gleich einpacken lassen". Der japanische Hersteller hat übrigens in diesem Jahr in Deutschland erstmals mit speziellen "Frauenverkaufstagen" Aufsehen erregt. Renault weiß offenbar ganz genau, was Frauen lieben, und behauptet forsch: "Junge Frauen haben eine genaue Vorstellung von ihrem Zukünftigen. Der Clio".

Hinter dem lustigen Twingo steht eine Frau.

Inzwischen machte jedoch der lustige Twingo aus dem gleichen Haus das Rennen in diesem Sektor, auf der aaa Berlin neu in üppigen Farben. Dahinter steht eine Frau: Die 41jährige Produktionschefin Elisabeth Bougis hat vor mehr als fünf Jahren den Prototyp gefahren, ist für die gesamte Fortentwicklung verantwortlich und koordiniert heute alle Abläufe zwischen Forschung, Herstellung, Marketing, und Verkauf. Auf ihre Initiative kam die Zusammenarbeit mit dem Modeschöpfer Kenzo und dem Kleidermacher Benetton für die Innenausstattung zustande.

Die Erfahrung der Pariserin besagt, dass Frauen sich in vielen Wünschen von denen der Männer nicht sehr unterscheiden. Bougis: "Sie haben jedoch andere Prioritäten. Männer wählen meistens ein Statussymbol, Frauen suchen ein Vielzweckauto, den Kameraden, der sie auf allen Wegen sicher begleitet."

Ford hat das vor fünf Jahren erkannt und ein aus 22 Frauen bestehendes Women's Marketing Panel gegründet. Die Vertreterinnen des Ford-Panels, zu denen die Engländerin Kay Francis gehört, sind ein beabsichtigter Mix aus Ingenieurinnen, Managerinnen, Konstrukteurinnen und administrativen Mitarbeiterinnen, die irgendwo in England, Frankreich, Belgien, Spanien, Deutschland, Schweden, Norwegen oder Dänemark einen Job bei Ford haben und sich regelmäßig treffen, um ihre Erfahrungen auszutauschen. Ihre Meinung zählt und wird berücksichtigt: Da geht es um Werkstoffe und Materialien und deren Recyclebarkeit, um die Einstiege für besonders kleine oder große oder ältere Menschen, um Benutzerfreundlichkeit von Schalthebeln, Armaturen und Sitzen, um persönliche Erfahrungen bei Crashtests und Schleuderübungen.

Ein ähnliches Frauen-Modell existiert auch bei Volvo, wo die "Female Customer Reference Group", das hausinterne Sprachrohr, Einspruch erheben oder Ideen einbringen kann bei den Fragen der Sicherheit, Ergonomie oder Benutzerfreundlichkeit. Ein Team von Frauen arbeitet Umweltstrategien aus - nicht nur was die Reduktion von umweltschädlichen Emissionen betrifft, sondern auch den Gebrauch eines Autos selbst bis an dessen Lebensende und seine Entsorgung.

Alles nach dem Motto: Weg vom Auto als protziges Statussymbol und hin zum Auto als praktisches Fortbewegungsmittel.

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