Iran: Frauen im Fußballstadion
In Deutschland ist Fußball Religion. Im Iran bedeutet er Freiheit. Noch vor wenigen Wochen verbrannte sich die 29-jährige Sahar Khodayari aus Protest gegen den Ausschluss von Frauen aus den Stadien. Als „das blaue Mädchen“ wurde sie in den sozialen Medien zur Märtyrerin für den Kampf der Frauen für mehr Freiheit. Nach ihrer Selbstverbrennung wurden die Proteste immer lauter. Auch die von männlichen Fußballfans. Kurz nach Sahars Tod flogen bei Spielen von Sahars Verein, dem FC Esteghlal, Flaschen und Steine auf das Feld. Noch immer schallen Gesänge vom „Iranian Blue Girl“ von den Rängen.
Vor allem wurde die Kritik an der Fifa immer lauter: Wenn diese früher Druck auf die Islamische Republik ausgeübt hätte, Frauen zuzulassen, könnte das Mädchen noch leben. Sie hatte es doch in der Hand. In ihren Statuten ist die Gleichbehandlung der Geschlechter festgeschrieben, sie hätte den Iran schnell von internationalen Turnieren ausschließen können. Doch die Fifa ließ sich lange Zeit mit dem Druck. Vielleicht, weil Präsident Gianni Infantino für seine Wahl alle Stimmen brauchte, auch die der Islamischen Republik.
Nun also die Öffnung. Nach 40 Jahren dürfen Frauen im Iran offiziell ein Fußballspiel in einem Stadion sehen. 2018 gab es schon einmal für kurze Zeit eine Lockerung – bis sich der Generalstaatsanwalt einmischte und von "Sünde" sprach. Der Donnerstagabend war für die Frauen des Irans dennoch ein historischer Moment: Einige weinten vor Glück, andere reckten die Landesflagge in die Höhe, als wäre sie eine Fackel. Ein Hoffnungsschimmer für ein wenig mehr Freiheit, für mehr Rechte in einem Land, in dem Frauen öffentlich ausgepeitscht und gesteinigt werden. Das Spiel selbst interessierte an diesem Tag niemanden. Irans Fußballer um Kapitän Massud Schodschaei gingen nach dem Abpfiff zu den Frauentribünen und bedankten sich bei ihren neugewonnenen weiblichen Fans.
Seht her, sie dürfen doch!
Von außen betrachtet ist der Triumph nicht allzu rosig: Die Erlaubnis gilt nur für Länderspiele, bei denen internationale Medien vertreten sind. Sie liefern dann schöne Bilder von jubelnden Frauen in den Landesfarben. Nach dem Motto: „Seht her, sie dürfen doch!“ Die Fifa ist damit besänftigt, der Iran kann sicher sein, nicht von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen zu werden.
Beim Spiel am Donnerstag saßen die Frauen wie Tiere in einem hoch eingezäunten Bereich. „Wollt ihr uns etwa in einen Käfig sperren, um uns vor den Männern zu schützen?“, protestierte eine Iranerin auf Twitter. Von 100.000 Eintrittskarten durften sie 4.000 zuvor online kaufen. Dabei wollten hunderttausende hinein. 76.000 Plätze in den Männerrängen blieben frei. Weiblichen Fotografen wurden keine Akkreditierungen gegeben, obwohl dies vom Sportministerium vorher versprochen worden war. Die männlichen Fotografen und TV-Teams durften zudem keine Bilder vom Eintritt der Frauen ins Stadion machen.
Es hätte ja wie ein Siegeszug aussehen können.