Heldin aus Dörnigheim

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Birgit Prinz ist noch ein Kind, als sie versteht, dass sie in manchem besser ist als andere. Sie merkt das daran, wie ihre Eltern sie ansehen und von ihr sprechen, und wie die Trainer ihr über den Kopf streichen. Es ist ein gutes Gefühl. Einmal, da ist sie fünf Jahre alt,

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klettert sie nach einem Wettkampf aus dem Schwimmbecken und findet die Eltern fast platzend vor Stolz; nicht unbedingt, weil sie gewonnen hatte, sondern weil sie schon damals einen starken Willen zeigte. Es war, werden die Eltern später sagen, beinahe unheimlich.

Heute, 21 Jahre später, ist Birgit Prinz Fußball-Weltmeisterin. Sie ist mit sieben Treffern Torschützen-Königin geworden und wurde zur besten Spielerin des Turniers gewählt. Ein gewaltiger Erfolg. Das sieht man auch daran, dass selbst die Bild-Zeitung, die sich sonst kaum um Frauenfußball schert, dem Ereignis am Tag danach im Sportteil eine ganze Seite widmet. Sogar in der Schlagzeile geht es um Birgit Prinz und ihr Team. Da ist zwar ein großes Foto von Michael Schumacher, und dann eines von Oliver Kahn, aber darunter, etwas kleiner zwar, doch immerhin, ist noch ein Bild von Birgit Prinz. Und daneben die Schlagzeile: "Wir haben wieder Helden!"

Eine Heldin sein, ist es etwas, das Birgit Prinz garantiert nicht will. Sie wischt in Interviews Schmeicheleien und Lob mit einer ungeduldigen Handbewegung vom Tisch und sagt Dinge wie: "Wichtig bin nicht ich, wichtig ist nur die Mannschaft." So gesehen ist das Finale der Weltmeisterschaft ganz nach ihrem Geschmack verlaufen, wo sie zwar den entscheidenden Pass zum Ausgleichstor gab, selbst aber kein Tor schoß die großen Interviews mussten die Torschützinnen Maren Meinert und Nia Künzer geben. Aber die Schlagzeile der Bild-Zeitung zeigt, dass Birgit Prinz längst zum Synonym für erfolgreichen Frauenfußball geworden ist. Das liegt daran, dass Birgit Prinz ohne Zweifel die beste Fußballerin der Welt ist.

Dörnigheim ist ein kleines Dorf in der Nähe von Frankfurt am Main. Die Häuser sind sauber und gepflegt, und an den Balkonen hängen Töpfe voller Geranien. Hier, gleich an der Hauptstraße, hat Birgit Prinz im Haus ihrer Eltern eine kleine Einliegerwohnung. Im Garten tollt ein Hund. Es gibt eine Geschichte, die ihr Vater Besuchern gerne erzählt. Birgit war gerade acht Jahre alt, da musste sie sich entscheiden, ob sie in Zukunft lieber Leichtathletik machen wollte oder Fußball spielen. Der Leichtathletiktrainer hätte sie gerne behalten, aber Birgit Prinz entschied sich damals, vielleicht auch ihrem Vater zuliebe, für den Ballsport.

Der Vater war Trainer der örtlichen Jungenmannschaft und hätte seine Tochter zu gerne im eigenen Team gesehen. Er habe, sagt er heute, schon damals geahnt, dass aus seiner Tochter mal eine ganz große Spielerin würde. Die ZuschauerInnen bei den Spielen konnten das auch sehen. Ein Mädchen in einer Jungenmannschaft, das war damals noch außergewöhnlich. "Ich war nicht besser als die Jungs", hat sie einmal gesagt. "Aber eben auch nicht schlechter."

Die Mannschaft um die Spielerin Prinz und ihren Vater, den Trainer, wurde so gut, dass sie bei einem Auswärtsspiel in Nürnberg ehrfurchtsvoll als "die Mannschaft vom anderen Stern" angekündigt wurde. Manchmal haben sie mit 25 Toren Vorsprung gewonnen. Solche Überlegenheit war Birgit peinlich. Sie trat in Spielen schon mal über den Ball, damit die gegnerische Mannschaft nicht zu frustriert wäre.

Mit 15 Jahren wurde Birgit dann zum ersten Mal von einer Frau trainiert, in einer reinen Frauenmannschaft. Dem Vater fiel die Abnabelung so schwer, dass er sich entschloss, wenigstens als Stadionsprecher bei seiner Tochter zu sein. Zwischen Vater und Tochter, die sowieso meist nur über Fußball sprachen, gab es nun häufiger Streit. Die Mutter, Hausfrau und alles andere als fußballbegeistert, konnte es nicht mehr hören. "Irgendwann habe ich mir dann als Ausgleich einen Hund angeschafft." "Es fällt der Birgit schwer zu sagen: Das und das habe ich von dir gelernt", sagt der Vater heute. "Aber neulich hat sie in einem Zeitungsinterview gesagt, dass sie mir viel zu verdanken hat. Das hat mich natürlich gefreut."

Mit 16 Jahren spielte Prinz in der Nationalmannschaft der Frauen, als jüngste Spielerin überhaupt. Sie wurde mit dem 1. FFC Frankfurt mehrfach Deutsche Meisterin und Pokalsiegerin, mit der Nationalmannschaft Europameisterin, Olympiadritte. Es dauerte nicht lange, da fragte die WUSA an, die Frauen-Profi-Liga aus den USA. Für etwas mehr als ein Jahr spielte die Deutsche dort bei der Mannschaft von Carolina Courage. Auf Anhieb wurde das Team, das zuvor vom Abstieg bedroht gewesen war, Meisterin. Zum ersten Mal verdiente Birgit Prinz mit dem Sport wenigstens etwas Geld.

Jetzt stellte die WUSA im September wegen fehlender Sponsoren den Betrieb ein. Die beste Fußballerin der Welt wird also wieder beim FFC Frankfurt anheuern, vormittags als Physiotherapeutin arbeiten und nach der Arbeit trainieren. Denn Frauenfußball wird vom Deutschen Fußballbund immer noch als Hobby angesehen, als Zuschussgeschäft, und das, obwohl der Mädchenfußball inzwischen Zuwachsraten von über zehn Prozent pro Jahr hat. Das ist auch das Verdienst von Birgit Prinz. Sie spielt noch dynamischer als alle anderen, einen Hauch cleverer, einen Tick ansehnlicher und viel torgefährlicher.

Nun, als Weltmeisterin wird sich jetzt einiges ändern für Birgit Prinz. Die Leute werden die Bundesligaspiele möglicherweise mit mehr Aufmerksamkeit bedenken, und mit etwas Glück wird sie sogar einen Sponsoren finden, der ihr gutes Spiel gut sponsert. Birgit ist nun ein richtiger Star. Aber wahrscheinlich wird sie, die Schüchterne, die Aufmerksamkeit nicht wirklich genießen können. "Alles, was ich will, ist Fußball spielen."

 

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