Ich war lebhaft gegen Flintenweiber

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Es muss – ich habe es rekonstruiert – 1996 gewesen sein, also vor mehr als 20 Jahren, dass ich in meinem Bonner Studentenzimmer eine EMMA las. Ich hatte sie mir am Kiosk gekauft, weil gerade eine Debatte im Gang war. Es ging um die Frauen und die Bundeswehr, und die EMMA vertrat die damals völlig skandalöse Auffassung, dass bitteschön auch Frauen an der Waffe ausgebildet werden sollten, um das Land, wenn es darauf ankäme, mit Maschinengewehren und Panzern zu verteidigen. Das durften die Frauen damals nicht, obwohl es offensichtlich gegen die Verfassung verstieß. Sie durften als Sanitäterinnen ran und bestimmt auch in der Kantine ackern, an die Knarre durften sie nicht.

Ich war damals 21 Jahre alt, studierte viele Fächer der Geisteswissenschaften, und ich war auf sehr handels­übliche und westdeutsch vertüddelte Weise sehr links – also antikapitalistisch, antimilitaristisch, theoriegläubig (Kritische Theorie und Foucault), wenig konsequenter Vegetarier, militanter Klimaschützer, ich rauchte selbstgedrehte Kippen, hatte einen Hang zu verkiffter Naturmystik und billigem Rotwein. Das volle, durch und durch standardisierte und orthodoxe Programm also (das mir damals sehr individuell vorkam) – aber es legte sich erstaunlich rasch, weil ich zu Dogmen einfach kein Talent habe.

Damals war ich natürlich lebhaft gegen das Dossier namens „Flintenweiber“ in der EMMA eingestimmt. Wenn die Bundeswehr eine Tötungsmaschine sei, dann dürfe sie doch nicht noch durch Frauen gefördert werden! Man kann doch nicht das Böse wollen nur aus Emanzipationsgründen! Das war so die vollautomatisierte Mechanik des Denkens, die ganz selbstverständlich davon ausging, dass es immer Größeres, Bedeutenderes gab als die Frauenfrage: den Weltfrieden, den Sozialismus, die Revolution, weiß der Teufel was. Die Frauenunterdrückung war – um es in marxistischem Sprachgebrauch zu sagen – ein Nebenwiderspruch, der sich von selbst auflösen würde, wenn einmal die Menschheit grundsätzlich erlöst sei. Ich glaubte damals tatsächlich, fürchte ich, für ein paar Jahre an irgendeine Erlösung.  

Dass mich die EMMA damals irritiert hat, das wollte ich schon immer in der EMMA einmal sagen. Sie hat mich irritiert, weil sie weder links noch rechts war, sie war immer eine Zeitschrift, die vehement auf Gleich­berechtigung pochte, aber sich einen Teufel darum scherte, ob das irgendeinem Milieu gefiel oder nicht. So war und ist es ja wieder heute, wenn der Islamismus und seine patriarchalen Strukturen von der EMMA angegriffen werden, und sie sich tapfer weigert, die Sache der Frau einer maximalen Religionstoleranz unterzuordnen.

Der Preis für diese bewundernswerte Entschiedenheit ist hoch: Einst galt EMMA als Militaristin, jetzt gilt sie manchen als muslimfeindlich. Dabei hat sie gar nicht so viele Nebenabsichten, wie ihr unterstellt wird: Sie hat eben die Frauen, ihre Rechte, die Gleichberech­tigung und deren beständige Gefährdung rigoros fest im Blick. Ich glaube, aus der Sicht von EMMA sind alle anderen Konflikte in der Welt nur Nebenwidersprüche, die sich auflösen, wenn die Frauen nicht mehr unterdrückt werden.

Was ich außerdem schon immer als Mann in der EMMA einmal sagen wollte? Dass ich mich – bei aller grundsätzlichen Bewunderung – auch einmal furchtbar über sie aufgeregt habe. Die Berichterstattung gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann empfand ich als unsäglich. Als Kachelmann der Vergewaltigung angeklagt war, wusste ich so wenig wie die Ermittler, und so wenig wie die EMMA, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Das hinderte EMMA nicht daran, diesen völlig zweifelhaften Einzelfall immer wieder zum paradigma­tischen Fall eines frauenfeindlichen Justizsystems zu erklären. Irgendwann zeigte sich: Der Fall taugte gerade nicht als Beispiel für die Verkommenheit der angeblich so frauenfeindlichen Medien und der angeblich so frauen­feindlichen Juristerei.

Ich glaube, dass das auch EMMA insgeheim schon früh ahnte und es natürlich längst weiß. Wenn EMMA aber etwas weniger gut kann, dann ist es, sich zu korrigieren, sich zu relativieren, sich infrage zu stellen. Manchmal, in ihren dunklen Zeiten, ist EMMA ein alter, weißer Mann. Alte, weiße Männer wissen immer ganz genau, wo es lang geht, sie dulden nicht den Hauch eines Widerspruchs, und sie sind erschreckend empathielos.

Ich wünsche mir aber, wenn ich das als Mann sagen darf, einen Feminismus, der um seine Irrtümer, seine Verführbarkeit, seine Unvollkommenheit weiß. Wie bei allen komplexen und interessanten Menschen sind die Stärken eines Menschen zugleich seine Schwächen. Das gilt auch für EMMA. Ich mag sie ja.

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