Irland beschließt Sexkaufverbot

Hier protestiert "Turn off the red light" vor dem Irischen Parlament gegen Prostitution, rechts Rachel Moran.
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Klarer hätte das Votum des Dáil Éireann, des irischen Unterhauses, kaum ausfallen können: 94 Abgeordnete stimmten dafür, dass nun auch Irland das sogenannte Schwedische Modell übernimmt: Nach Schweden, Norwegen, Island, Nordirland und Frankreich wird nun auch in Irland bestraft, wer einen Menschen für Sex bezahlt. Die Prostituierten hingegen werden völlig entkriminalisiert. Fünf Parteien, von Sinn Féin bis Labour, stimmten dafür, nur die (winzigen) Grünen und eine Handvoll Abgeordneter waren dagegen oder enthielten sich. Und am Dienstagabend bestätigte auch das irische Oberhaus, der Séanad Éirann: Irland bekommt das Sexkaufverbot!

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Der beharrliche Kampf zeigte Erfolg: Irland stimmte für Freierbestrafung

Die Freude ist riesig. „Es ist großartig in einem Land aufzuwachen, in dem ein Mann nicht länger für mich, für dich oder irgendeine andere Frau oder einen Mann bezahlen kann“, jubelte SPACE international. Die Organisation, in der ausgestiegene Prostituierte aus vielen Ländern gegen die Prostitution kämpfen, ist Mitglied der irischen „Turn Off the Red Light Campaign“. Seit über zehn Jahren hatte die Rotlicht aus-Kampagne beharrlich für das Sexkaufverbot gekämpft. Rund 70 Organisationen – vom Irish Feminist Network bis zum Gewerkschaftsbund, von den Pfadfinderinnen bis zum Landfrauenverband – hatten Studien erstellt und Anhörungen im Parlament organisiert.

Jetzt ist es soweit. „Dieses Gesetz zwingt diejenigen, die für Sex bezahlen, sich mit den Konsequenzen ihres Handelns auseinanderzusetzen: Die Folgen für sie selbst, für ihre Familien und vor allem für den Menschen, die sie kaufen“, sagt Mia de Faoite, ehemalige Prostituierte und Aktivistin der „Turn off the Red Light Campaign.“

Für eine Frau dürfte das neue Gesetz ein ganz besonderer Triumph sein: Rachel Moran (Foto oben rechts). Mit 15 Jahren geriet die heute 39-Jährige in die Prostitution, sieben Jahre lang verkaufte sie ihren Körper – auf dem Straßenstrich, in Bordellen und als Escort. Über ihre „Reise durch die Prostitution“ schrieb Rachel Moran ein ebenso berührendes wie erhellendes Buch: „Paid For: My Journey Through Prostitution“.

"Dieser Tag gehört jedem Mädchen, das
in Irland aufwächst!"

Und sie kämpfte – zum Beispiel als Rednerin im irischen Parlament – unermüdlich für die Freierbestrafung. Nachdem das Oberhaus sein endgültiges Go gegeben hatte, twitterte Rachel: „Dieser neue Tag in Irland gehört nicht nur den Überlebenden der Prostitution. Er gehört jedem kleinen Mädchen, das in Irland aufwächst. Er gehört ihrer Zukunft“.

„Jetzt folgt auch Irland dem internationalen Trend, diejenigen ins Visier zu nehmen, die den sexuellen Missbrauch fördern“, sagt Denise Charlton von der „Turn Off the Red Light-Campaign“. „Und wir sehen, dass die Ungleichheit der Geschlechter Voraussetzung für die Sexindustrie ist. Deshalb ist dieses Gesetz ein bedeutender Schritt hin zu einem gleichen Irland für alle.“

Von diesem Schritt ist Deutschland leider weit entfernt.

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Die Wahrheit über Prostitution

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Die heute 38-jährige Journalistin Rachel Moran prostituierte sich sieben Jahre lang: auf der Straße, im Bordell, als Escort-Girl. Sie hat es überlebt. Doch erst jetzt, viele Jahre später, schrieb sie die bittere Wahrheit auf. Das Buch räumt endgültig auf mit dem Mythos von der „freiwilligen, selbstbestimmten Prostitution“. Sie spricht vom Missbrauch der Täter wie der Scham der Opfer. Was das Buch so besonders und seine Lektüre so unverzichtbar macht, ist der Abgrund des Erlebten bei gleichzeitig hoher Reflektiertheit. Als Autorin und Bloggerin kämpft Moran heute gegen die Verharmlosung und Legalisierung der Prostitu­tion, als Aktivistin ist die Irin die Europa­Koordinatorin von SPACE (Survivors of Prostitution–Abuse Calling for Enlightenment). Am 17. März hat sie ihr Buch im Münchner Kofra (Baaderstr. 30) vorgestellt. Hier ein Auszug aus dem Kapitel „Scham“.

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Eines Abends, vor einigen Jahren, fragte mich eine meiner Schwestern in leicht angetrunkenem Zustand: „Wurdest du je vergewaltigt oder missbraucht oder irgend so etwas? Du weißt ja, dass du mit mir über solche ­Sachen reden kannst“.

Gehen wir davon aus, dass der Prostituierten ein Knebel verpasst wird (und ich weiß mit Gewissheit, dass das so ist). Wenn ich das Bild einer geknebelten Frau vor Augen habe, dann sehe ich, wie die Gesellschaft das eine Ende des Knebels festhält, während die Prostituierte das ­andere Ende hält – und sie gemeinsam darauf hinwirken, dass der Knoten sich fester zieht. Obwohl ich zu der Zeit der Prostitution seit mehreren Jahren den ­Rücken gekehrt hatte, war der Knoten meines Knebels noch fest an jenem Abend, als mich meine Schwester fragte, ob ich jemals vergewaltigt worden wäre. Deswegen konnte ich auch den ersten Gedanken, der mir durch den Kopf ging, nicht frei aussprechen. Er lautete: „Jeden Tag!“.

***

Wir Frauen erzählten uns unsere Erlebnisse immer und immer wieder in der Sprache von Missbrauchsopfern. Wenn wir über die sexuellen Handlungen sprachen, die unseren Körpern aufgezwungen wurden, verwendeten wir Ausdrücke wie „abartig“, „abscheulich“, „ekelerregend“, „abstoßend“ und „widerlich“.

In Bezug auf besonders grausame ­Kunden benutzten wir für gewöhnlich Ausdrücke wie „Bastard“, „Drecksack“, „Dreckschwein“ und „dreckiges Tier“. Diese Wörter habe ich von zahllosen Frauen gehört. Doch in all dem anschaulichen Vokabular habe ich einen Ausdruck selten gehört, und zwar: Missbrauch. Und ich weiß auch, warum. Wir hatten von „Berufs“ wegen keinen Anspruch darauf, von Missbrauch zu sprechen.

Wenn man sich prostituiert, geschieht im Grunde Folgendes: Man willigt ein und akzeptiert ein Entgelt für den sexuellen Missbrauch am eigenen Körper. Man durchlebt all die negativen Gefühle, die mit sexuellem Missbrauch einhergehen, aber weil man eingewilligt hat, hat man sich praktisch selbst geknebelt. Man hat im wahrsten Sinne des Wortes sein Recht darauf verwirkt, seiner eigenen Sichtweise Ausdruck zu geben. 

***

In meiner Anfangszeit in der Prostitution, in meinen frühen Teenagerjahren – bevor ich lernte, jede Gefühlsregung im Ansatz zu ersticken, wenn ich mit einem Kunden zusammen war – begegnete ich Männern, die sich an der Offensichtlichkeit meines Widerwillens förmlich weideten. War das etwa kein Missbrauch? Und später, als ich es gelernt hatte, meine Abneigungen nicht offen zu zeigen, sondern mich einfach als unnatürlich gefühllos und kalt zu präsentieren, als wäre ich eine Schaufenster­puppe, wandelte sich ihr Missbrauch dann in etwas anderes um? 

Einmal unterhielt ich mich mit einer nicht prostituierten Freundin, die als Kind sexueller Gewalt zum Opfer gefallen war. Ich erzählte ihr, dass ich den Männern, die mich benutzten, immer mein echtes Alter verraten hatte, als ich 15 war, weil ich festgestellt hatte, dass es sie stark erregte. Dadurch kamen sie schneller und dadurch konnte ich mich schneller aus dem Staub machen. Worauf meine Freundin sagte: „Ist dir nicht klar, dass das sexuelle Gewalt war? Diese Männer wussten, wie alt du warst, aber anstatt entsetzt zu sein, hat es sie sogar noch ­angeturnt, und sie haben deine Jugend und deine Armut ausgenutzt, um deinen Körper auszubeuten.“

***

Die Erniedrigung, die auf sexueller Ebene geschieht, beschränkt sich nicht auf die Sphäre des Sexuellen. Sie sickert in das gesamte Leben eines Menschen ein, insbesondere wenn sie wiederholt und ­ritualisiert erfolgt. Drogen- und Alkoholsucht, vernichtetes Vertrauen, zerschmettertes Selbstwertgefühl, körperliche Selbstverletzungen, Selbstmordgedanken – all diese Dinge sind allgemein als „Früchte“ von sexuellem Missbrauch anerkannt. Und all dies habe ich in der Prostitution im Überfluss gesehen.

Wenn eine Person einen Zustand gedanklicher Blockade ausüben und perfektionieren muss (wie es Prostituierte ganz routiniert tun), um die sexuellen Handlungen zu überstehen, die sie über sich ­ergehen lässt, so steht für mich fest, dass diese Person missbraucht wird. Einige Prostituierte werden das nicht gern hören, daran habe ich keinen Zweifel. Ich weiß es, weil ich es selbst nicht gern gehört hätte, als ich mich noch in der Prostitution befand.

Rachel Moran: Was vom Menschen übrig bleibt. Die Wahrheit über Prosti­tution (Tectum, 17.95 €).

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