Im Kino: Berlinale-Sieger "Body"

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Es sei einer der „überraschendsten und aufregendsten Filme der Berlinale“ gewesen, schwärmte die FAZ. „Dieser Film ist so großartig, dass man ihn zweimal, ach was, dreimal hintereinander sehen möchte“, jubelte die Zeit. Folgerichtig kassierte die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska für ihr schwarzes komödiantisches Drama den Silbernen Bären bei der diesjährigen Berlinale. Zu recht. 

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Bereits 2013 erhielt sie den schwul-lesbischen Teddy Award für ihren eindringlichen Film über einen homosexuellen Priester. Überhaupt bleiben Szumowskas Filme selten ohne Auszeichnung: Schon mit ihrem Debütfilm „Szczęśliwy człowiek“ im Jahr 2000 galt sie dem Europäischen Filmpreis als „Entdeckung des Jahres“. Ihr Film „33 Szenen aus dem Leben“ (mit Julia Jentsch) wurde mit dem Polnischen Filmpreis und dem „Spezialpreis der Jury“ in Locarno prämiert.    

Man lacht, weil die Schicksals-
schläge jeden ereilen könnten

In „Body“ geht es nun um Olga, ein essgestörtes, todessüchtiges Mädchen, das dem Vater, einem hart geprüften und melancholischen Ermittlungsrichter, übelnimmt, dass er den Tod ihrer Mutter nicht verhindert hat. Auch Vater Janusz krankt am Tod seiner Frau, die vor sechs Jahren an einer Krankheit starb, und während die Sucht seiner Tochter darin besteht, durch Nichtessen verschwinden zu wollen, braucht der Witwer zwingend ausreichend Wodka, um das Leben zu ertragen – oder zu verkürzen.

Als Janusz seine Tochter in eine Klinik bringt, gerät Olga an die esoterische Therapeutin Anna. Die hat nicht nur ein fragwürdiges Verhältnis zu ihrem riesenhaften Hund und scheint selbst durchaus therapiebedürftig, sondern behauptet außerdem, sie habe übersinnliche Fähigkeiten und könne Kontakt zwischen Olga und ihrer toten Mutter herstellen. Überhaupt spukt es in „Body“ des Öfteren.  

Obwohl dies genug Themen für eine handfeste Herbstdepression sein könnten, gelingt es Regisseurin Malgorzata Szumowska, all das Grauen mit so viel feinem Humor zu versetzen, dass „Body“ nicht nur erträglich, sondern auch vergnüglich ist. „Der Film geht aufs Ganze“, schreibt die Zeit. „Er fokussiert den unendlichen Schmerz, jemanden verloren zu haben, den man liebt. Allen sozialdramatischen Anklängen zum Trotz ist er dabei ungeheuer komisch, ohne je ins Alberne zu kippen. Man lacht, weil die Schicksalsschläge so gut wie jeden ereilen.“ Fazit: „Selten wurde von der Trauer und vom Verlust, vom ganzen Entsetzlichen des Lebens, leichter und zärtlicher, humorvoller und anrührender erzählt als in 'Body'." Prädikat: Unbedingt reingehen. 

Ab 29. Oktober im Kino.

 

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Chantal Akerman ist tot

© Bettina Flitner
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Chantal Akerman wurde 1950 als Kind ostjüdischer Emigranten in Brüssel geboren. Sie gilt als die bedeutendste Avantgarde-Filmemacherin ihrer Generation. Die Spanne von Akermans Arbeit ist weit: Sie reicht von experimentellen und Dokumentar-Filmen bis zur Hollywoodkomödie ("Eine Couch in New York"). Berühmt wird die damals 24-Jährige 1974 mit dem Spielfilm „Jeanne Dielmann“, dem „ersten weiblichen Meisterwerk in der Geschichte des Films“ (Le Monde). Der Film zeigt in monotonen Bildern drei Stunden lang drei Tage im Leben einer Brüsseler Witwe, gespielt von Delphine Seyrig. Jeanne Dielmann prostituiert sich im verwaisten Ehebett, um das Haushaltsgeld aufzubessern. Das private Drama wird öffentlich, als sie einen Freier, bei dem sie unerwartet Lust empfindet, mit der Schere ersticht.

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Dreifach fremd: als Frau, als Jüdin, als Homosexuelle.

"Jeanne Dielmann" gilt als Chiffre für die weibliche Entfremdung und Käuflichkeit, die Regisseurin selbst versteht ihn vor allem als „Hommage an meine Mutter“. Mutter und Großmutter waren nach Auschwitz deportiert worden: Die Mutter hatte mit ihrer Tochter nie über ihre Zeit im KZ gesprochen. Reden ließ Akerman 1988 Jüdinnen und Juden in ihrem dokumentarisch inszenierten Spielfilm „Histoires d’Amerique“: Sie tauchen aus einer nächtlichen Kulisse wie Erscheinungen auf und tragen auf absurde und ergreifende Weise ihre Geschichten vor.

Fünf Jahre später dreht Akerman in Belgien den ebenfalls autobiografisch geprägten Spielfilm „Portrait d’une jeune fille, de la fin des années 60 à Bruxelles“. Er erzählt die Adoleszenz eines jungen Mädchens, das dreifach fremd ist in ihrer Heimat: als Frau, als Jüdin, als Homosexuelle. In einigen der früheren Filme, die manchmal an die Grenze der Selbstentblößung gehen, spielt Akerman auch selbst. Sie machte seit 1968 mehr als 40 Filme. Noch in diesem Jahr wurden auf der Biennale in Venedig Videoinstallationen der 65-Jährigen gezeigt.

Es heißt, Chantal Akerman habe ihrem Leben, das sie trotz ihrer großen beruflichen Anerkennung und Erfolge nicht mehr tragen konnte, selbst ein Ende gesetzt.

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