In der aktuellen EMMA

Karin Prien: Die Superministerin

"Superministerin" Karin Prien weiß: Bildung ist der Schlüssel zur Emanzipation. - Foto: Thomas Köhler BMFSFJ/photothek/IMAGO
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In der am 22. April gedruckten Mai/Juni-Ausgabe der EMMA waren wir noch davon ausgegangen, dass Silvia Breher Frauenministerin wird. Sie war eine von zwei Favoritinnen für den Posten. Jetzt ist es die andere geworden: Karin Prien, seit 2017 Landesministerin für Bildung in Schleswig-Holstein. Das macht Sinn in Anbetracht der Tatsache, dass „Bildung“ und „Gedöns“ nun erstmalig zusammengelegt werden zum „Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend“.

Aber das ist nicht das einzige Novum bei der Personalie. Karin Prien ist die erste Bildungsministerin Deutschlands, die nicht in Deutschland geboren wurde. Und die, als sie im rheinland-pfälzischen Neuwied in die Schule kam, kein Deutsch sprach, sondern es erst lernen musste. Denn ihre Großeltern mütter­licherseits waren vor der antisemitischen Verfolgung durch die Nazis nach Amsterdam geflohen, wo Enkelin Karin 1965 geboren wurde.

"Wir sollten aufhören mit dem Aufspalten von Minderheitenrechten & Minderheiten."

Lange habe sie auf ihre Mutter gehört und ihre jüdische Herkunft nicht erwähnt, zumal sie „nicht religiös“ sei. Aber seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 hat sich das für Karin Prien geändert. Seither trägt sie bewusst eine Halskette mit Davidstern und äußert sich öffentlich zum neu aufgeflammten Antisemitismus. Prien ist auch Vorsitzende des Jüdischen Forums der CDU. Kurz nach ihrem Amtsantritt forderte sie, an den Schulen KZ-Besuche verpflichtend in die Lehrpläne zu schreiben. Allerdings müssten Besuche in den Unterricht eingebettet werden. Denn die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und der Holocaust „haben ja nicht in Auschwitz begonnen, sondern mit einer schleichenden Entrechtung, Entmenschlichung und Enteignung“.

Nach dem Abitur in Neuwied studierte Karin Prien Jura in Bonn und Amsterdam und arbeitete seit 1994 als Rechtsanwältin mit Stationen in Hannover, Leipzig und Hamburg. Dort wurde sie 2011 in die Bürgerschaft gewählt und schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. 2017 wurde sie als Bildungsministerin in die Landesregierung von Daniel Günther berufen, als der in Schleswig-Holstein seine Jamaika-Koalition bildete. Auch im zweiten, nun schwarz-grünen Kabinett von Günther blieb Karin Prien Bildungsministerin. 

Karin Prien mit ihren Parlamentarischen StaatssekretärInnen: Meike Lotte Wulf und Michael Brand. - Foto: IMAGO
Ministerin Karin Prien mit ihren Parlamentarischen StaatssekretärInnen Meike Lotte Wulf und Michael Brand. - Foto: IMAGO

Und jetzt also der Sprung nach Berlin. In einer Art „Superministerium“, das Prien als ihren „Traum“ bezeichnet hatte. Das neue Ministerium solle ein „Gesellschaftsministerium“ sein, in dem „alle Themen rund um gesellschaftlichen Zusammenhalt, Generationengerechtigkeit und Demokratiebildung angesiedelt sind“, sagt die neue Superministerin. Und das „aus der Mitte der Gesellschaft, weniger von den Rändern und nur aus der Minderheitenperspektive, wie in den vergangenen Jahren manchmal der Eindruck entstand“. Eine elegante Formulierung dafür, dass ihre Vorgängerin, die Grüne Lisa Paus gemeinsam mit dem bei ihr angesiedelten „Queer-Beauftragten“ Sven Lehmann weniger die Frauen und Familien im Fokus hatte und vor allem die Queercommunity und das „Selbstbestimmungsgesetz“.

Prien hingegen kündigt an: „Wir sollten uns mehr besinnen auf die Universalität der Menschenrechte und aufhören mit dem Aufspalten von Minderheiten und Minderheitenrechten.“ Die neue Ministerin ist also Universalistin. Wie erfreulich! 

Ministerin Karin Prien weiß, dass Bildung der Schlüssel zur Emanzipation ist.

Dass Mareike Lotte Wulf Parlamentarische Staatssekretärin geworden ist, lässt ebenfalls ­hoffen: Die Sozialwissenschaftlerin aus Niedersachsen war Mitglied im Frauen- und Familienausschuss des Bundestages und hatte sich immer wieder mit klugen Redebeiträgen gegen das „Selbstbestimmungsgesetz“ positioniert. 

Die „Superministerin“ Karin Prien weiß natürlich, dass Bildung der Schlüssel zur Emanzipation ist, auch und gerade für Mädchen und Jungen aus dem muslimischen Kulturkreis. Sie setzt stark auf frühkindliche Bildung und eine „verbindliche Sprachförderung“. Und sie scheint die Sache mit der Integration ernst zu meinen: „Wir wollen nicht, dass kleine Mädchen schon früh verheiratet werden, und wir erwarten von Religions­gemeinschaften in unserem Land, dass sie sich ganz klar zur Gleichberechtigung von Frau und Mann bekennen.“

Karin Prien war ja einst selbst ein Kind mit Migrationshintergrund, das zunächst kein Wort Deutsch sprach, und ist daher „sehr empfindlich“, was das Schüren von Ressentiments gegen „Ausländer“ anbelangt. Gegen die konservative „Werteunion“ gründete sie die „Union der Mitte“. Sie blickt als Bildungsministerin aber auch kritisch auf die Überforderung von Kitas und Schulen durch Millionen Geflüchtete: „Wir haben nicht die Wohnungen geschaffen, haben die Lehrer und die Kitaplätze nicht – das muss aufhören.“

Prien: "Die nüchterne Realtität ist: Wir schaffen es nicht ohne Quote!"

Und die Frauen? Die mit einem Rechtsanwalt verheiratete Mutter dreier Kinder setzt auf gute „Rahmenbedingungen“ wie zum Beispiel eine gute Kinderbetreuung und die Umsetzung des Rechts­anspruchs auf Ganztagsbetreuung. 

Zum Thema Gewalt gegen Frauen fand Prien schon immer klare Worte, forderte höhere Strafen für Sexualstraftäter und wandte sich gegen das Verschweigen von Gewalt durch Geflüchtete aus „falsch verstandener Political Correctness“. In der Zeit kündigt die Ministerin lange von Feministinnen geforderte Reformen im Familienrecht an: „Im Umgangsrecht muss es für Gewalttäter härtere Konsequenzen geben.“ Und beim Unterhalt: „Die Schulden säumiger Väter müssen konsequenter eingetrieben werden. Eine Möglichkeit wäre der Führerscheinentzug.“

Mehr EMMA lesen! Die Juli/August-Ausgabe als eMagazin oder Print-Heft im www.emma.de/shop
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Ministerin Prien bekam kürzlich die Evaluation des „Prostituiertenschutzgesetzes“ auf den Tisch. Ihre Partei will die Freierbestrafung nach dem „Nordischen Modell“, aber die SPD hat durchgesetzt, dass im Koalitionsvertrag nur eine wachsweiche Passage steht: „Im Lichte der Evaluationsergebnisse werden wir mit Unterstützung einer unabhängigen Expertenkommission bei Bedarf nachbessern.“ Dass der „Bedarf“ gegeben ist, weiß auch Michael Brand. Er ist Priens zweiter Parlamentarischer Staatssekretär und schon lange Verfechter des „Nordischen Modells“. Der Politikwissenschaftler und Sprecher für Menschenrechte der CDU/CSU-Fraktion war einer der 16 Bundestagsabgeordneten von Union und SPD, die 2020 in einem Offenen Brief forderten: „Schließt die Bordelle!“   

In ihrer Partei, zu deren Bundesvorstand sie seit 2021 gehört, machte sich Karin Prien nicht nur FreundInnen, als sie eine Frauenquote forderte. „Die nüchterne Realität ist: Wir schaffen es nicht ohne Quote!“, erklärte sie. Die aber hat die CDU nie eingeführt. „Das manchmal ernst gemeinte, manchmal fadenscheinige Argument war: Es geht ja um Leistung und nicht um Geschlecht.“ Mit dem Regionalproporz habe die Partei hingegen keinerlei Probleme. Dabei brauche es an der Spitze ein gutes Team aus Männern und Frauen. „Und die Frauen dürfen dabei keine Garnitur sein.“ Diese Gefahr dürfte bei der neuen „Superministerin“ wohl kaum bestehen.

CHANTAL LOUIS

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