Im Kino: The Lady is not amused!

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Von der Herkunft her hat Maggie Smith mehr mit dem Küchenmädchen Daisy gemeinsam als mit der vom Standesdünkel des Adels erfüllten Lady Violet, die sie in der Serie "Downton Abbey" so grandios verkörpert. Ihr Vater arbeitete sich vom medizinischen Laborhilfsarbeiter zum Labortechniker hoch. Der Großvater mütterlicherseits war ein Analphabet und Werftarbeiter in Glasgow. Seine Tochter, Maggie Smiths Mutter, hatte wie Daisy den Drang zu Höherem. Sie hatte nach der Schule als Wäscherin begonnen, sich aber nebenbei Sekretärinnenfähigkeiten zugelegt. Vor diesem Hintergrund ist begreiflich, dass diese fromme Schottin ihrer Tochter (vergeblich) einen Sekretärinnenkurs einzureden versuchte als Absicherung gegen die Unberechenbarkeit des Schauspielerberufs, den das eigenwillige Mädchen sich bereits als Schülerin in den Kopf gesetzt hatte.

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In einem der seltenen Interviews bezeichnete Maggie Smith das Theater einmal als eine andere, bessere Welt. Das Theater sei voller Menschen, die eine vorgefertigte Sicherheit suchten und sie dort auch fänden. Draußen gingen Ehen in die Brüche, friere das Thermometer. Drinnen seien die Wände gegen die Welt gepolstert. Nicht das Theater sei die Illusion, sondern das wirkliche Leben.

In ihrem Begriff vom Theater spiegelt sich die skeptische Weltanschauung, aus der sich Maggie Smiths Kunst nährt. Ihren Sinn für das Absurde bringt sie mit näselndem Tonfall, säuerlichem Witz und mokantem Blick zum Ausdruck. Der Dramatiker Tom Stoppard hat das komische Talent der Schauspielerin sehr treffend beschrieben: Sie vermöge, völlig in einer Figur zu leben und zugleich neben ihr zu stehen und ihren eigenen ironischen Kommentar abzugeben.

Sie ist im Leben so schlagfertig wie in ihren Rollen

Wie sie diesen Trick beherrscht, hat Maggie Smith nirgends so ergreifend vorgeführt wie in Alan Bennetts Fernsehmonolog "Bed Among the Lentils". Dort spielt sie die Frau eines selbstgerechten anglikanischen Pfarrers, die ihr Unglück durch Alkohol zu lindern sucht und sich mit dem jungen indischen Gemischtwarenladenbesitzer, bei dem sie heimlich ihren Sherry kauft, auf den Linsensäcken im Hinterraum des Geschäftes auf eine Affäre einlässt. In Maggie Smiths Darstellung geht spröde Verletzbarkeit einher mit einer nüchternen, selbstamüsierten Einschätzung der Lage. Maggie Smith ist eine Meisterin in der Andeutung tief verborgener Gefühle.

Von Edith Evans, eine der Titaninnen der britischen Bühne, stammt die Sentenz, dass man todunglücklich gewesen sein müsse, um Komödie zu spielen, und die Tragödie erst spielen könne, wenn man das absolute Glück gekannt habe. Maggie Smith hat im Laufe ihrer langen Karriere oftmals als Tragödin beeindruckt. Sie war eine die Demütigung beinahe trotzig hinnehmende Desdemona an der Seite von Laurence Oliviers Othello und bot unter der Regie von Ingmar Bergman eine elektrisierende Hedda Gabler dar.

Doch erkannte bereits ihre Schulleiterin, dass Maggie Smiths besondere Begabung im komödiantischen Schauspiel lag. Das hat sie auch auf der Leinwand ein ums andere Mal unter Beweis gestellt, unter anderem in der mit dem Oscar prämierten Titelrolle von "Die besten Jahre der Miss Jean Brodie", bei der die erotischen und romantischen Sehnsüchte von einer Firnis puritanischer Sittsamkeit überzogenen sind.

Von der Bühne hat Maggie Smith sich schon vor einigen Jahren verabschiedet. Ihre Auftritte als die temperamentvolle Zauberlehrerin Professor Minerva McGonagall in den "Harry Potter"-Filmen pflegt die verwitwete Mutter von zwei Schauspieler-Söhnen und Großmutter als ihre Rente zu bezeichnen. Dabei fehlt es ihr nicht an Aufträgen.

Zu ihrem 80. richtete Prinz Charles ein Essen aus

Seit einigen Jahren glänzt sie in "Downton Abbey" als die herrschsüchtige Gräfinnenmutter, die ihre Missbilligung durch das Kräuseln der Lippen und ein leises Blähen der aristokratischen Nüstern zu signalisieren weiß, noch bevor sie einen ihrer ätzenden Einzeiler abfeuert.

Zurzeit wiederholt sie auf der Leinwand die Rolle der skurrilen Pennerin in Alan Bennetts "The Lady in the Van", die ihr 1999 auf der Bühne hohes Lob einbrachte.

In der Branche gilt Maggie Smith als äußerst reserviert. Sie wird verehrt und gefürchtet als scharfsinnige Perfektionistin, die Dummköpfe nicht erträgt, und im wirklichen Leben genauso schlagfertig sein kann wie in ihren besten Rollen. So theatralisch manieriert sie bisweilen wirkt, meidet sie doch die Schickeria und hütet ihre Privatsphäre. Mit der gleichaltrigen Judi Dench gehört sie zu den Figuren aus dem kulturellen englischen Leben, die Prinz Charles jeden Sommer auf das königliche Anwesen Sandringham in Norfolk einlädt.

Dort wird Judy Dench sogleich erkannt und von der beglückten Menge bejubelt. Hingegen zieht es die stets elegant aber unauffällig gekleidete Maggie Smith vor, mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Es zeugt von der hohen Rangstellung, die diese beiden großen Damen des britischen Empire-Ordens genießen, dass Prinz Charles zur Feier ihres innerhalb weniger Wochen voneinander liegenden 80. Geburtstages ein Abendessen in kleinem Kreise ausrichtete. Wahrscheinlich hat Maggie Smith wie üblich alle Komplimente abgewehrt. So, wie sie zu frotzeln pflegt, dass sie jetzt als Achtzigjährige endlich das Alter erreicht habe, das sie schon seit Jahrzehnten immer wieder spielen musste.

"The Lady in the Van" - jetzt im Kino

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Deutscher Filmpreis für Jördis Triebel

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Der Westen glitzert und riecht nach Erdbeerkaugummi. Dachte die kleine Jördis, als sie sich in Ostberlin die Nase an den Fenstern der Intershops plattdrückte und mit begehrlichen Blicken die bunte Warenwelt aufsaugte, die ihr verwehrt war. Sie war zwölf, als die Mauer fiel, und bald wusste sie, dass das mit dem Glitzern so nicht stimmte. „Die Euphorie dauerte nur einen kurzen Moment. Dann kam die große Angst: Was kommt jetzt?“

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Die Mutter, Requisiteurin am „Theater der Freundschaft“, verlor ihre Stelle. „Sie war dann lange arbeitslos und hat sehr darunter gelitten, nicht mehr gebraucht zu werden.“ Auch der Vater, ein Werkzeugmacher, wurde entlassen. Und die Lehrer, die
Jördis und ihren SchulkameradInnen noch vor ein paar Wochen verboten hatten, zu den Montagsdemos zu gehen, schrieen jetzt Hurra über die Wiedervereinigung. Und Jördis sah, als sie durch Kreuzberg stromerte, die ersten Bettler ihres Lebens. „Die Jahre nach der Wende waren eine Zeit totaler Verunsicherung“, erzählt Jördis Triebel, „und das prägt mich bis heute“.

Im Jahr 25 nach dem Mauerfall spielt die heute 37-Jährige nun in einer Verfilmung des autobiografischen Romans „Lagerfeuer“ von Julia Franck die Nelly Senff (Foto): eine Ostdeutsche, deren Desillusionierung über den „Westen“, so der Filmtitel, nicht größer sein könnte. 1978 reist Nelly mit ihrem kleinen Sohn Alexej aus der DDR aus. Nachdem ihr russischer Lebensgefährte (scheinbar?) bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, traktiert die Stasi die Trauernde. Sie stellt einen Ausreiseantrag. Zur Strafe muss die promovierte Chemikerin nun auf dem Friedhof arbeiten.

Der Film beginnt mit einer letzten Demütigung durch die DDR-Grenzbeamten: Nelly muss sich ausziehen und eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Dann rollt das Auto über die Grenze ins Westberliner Auffanglager für Ostflüchtlinge. Der erste Satz, den ihr eine Bedienstete dort entgegenbellt: „Ziehen Sie sich aus!“ – „Wie bitte?“ – „Ich muss sehen, ob Sie lagerfähig sind.“ Über ihren  Wunsch, eine Stelle als Chemikerin zu bekommen, lächelt man milde. Und auch verhört wird sie wieder. Diesmal von CIA und BND. Denn der Vater ihres Kindes war ein hoher Wissenschaftler gewesen, der im kalten Krieg zwischen die Fronten geriet. War er wirklich tot? War er ermordet worden? Lebte er noch?

Wie Nelly um ihre Würde kämpft, obwohl der Westen in der tristen Containersiedlung so gar nicht golden ist, sondern bleigrau, das spielt Jördis Triebel mit dieser ihr eigenen Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit. Der Film zeigt in beklemmender Weise, wie ähnlich sich die Systeme sind und wie die Menschen in ihnen zerrieben werden. Mit Regisseur Christian Schwochow hatte Triebel schon in Kindertagen am Prenzlauer Berg Pantomime-Kurse besucht. Nie wollte sie etwas anderes werden als Schauspielerin.

„Ich hab meine Hausaufgaben am Theater der Freundschaft gemacht, das war mein zweites Zuhause.“ Sie ging an die Ernst Busch-Schauspielschule und stellte fest, dass man sie schon mit 20 immer älter besetzte als sie war. Kein Gretchen, keine Julia. Dafür Hamlets Mutter Gertrud. Am Anfang war sie genervt. Aber schon bald wurde sie dafür „dankbar, weil diese Frauen viel mehr zu erzählen hatten. Die anderen haben ja gar keine Stimme und sie können auch nicht ausbrechen.“ Die wenigen Male, als sie doch das verführte Gretchen oder die suizidale Ophelia geben sollte, „konnte ich nix mit denen anfangen. Mein Gretchen wurde einfach nicht zart und zerbrechlich“.

Zerbrechlichkeit war Jördis, die mit drei Schwestern aufwuchs, nicht gewohnt von den Frauen ihrer Familie. „Das sind durchweg Feministinnen, die sich nie von Männern abhängig gemacht haben.“ Diese Beschreibung passt auch auf ihre Rolle als Emma. Mit ihr feierte Jördis Triebel 2006 ihren Durchbruch beim Film. Sie war gerade drei Jahre am Bremer Theater, da flatterte ihr ein Drehbuch auf den Tisch. Es handelte von einer Bäuerin, die mit ihren Schweinen schmust, bevor sie ihnen kurz und schmerzlos die Kehle durchschnitt, und die ihren bankrotten Hof mit der Flinte verteidigt. Unvergessen die Szene, in der Emma nach der Hochzeit im weißen Brautkleid den todkranken Max, gespielt von Jürgen Vogel, über die Schwelle trägt und der ihr über die Schulter kotzt.

„Ich fand jeden Satz, den diese Frau sagt, großartig“, schwärmt Triebel noch heute. „Ich habe das Drehbuch gelesen und dachte: Das kann nur ich!“ Für die Rolle machte sie ein Praktikum auf einem Bio-Bauernhof und sah sich Schlachthöfe an. Sie wurde Vegetarierin und für den Deutschen Filmpreis nominiert.

Sie ist seither abonniert auf die robusten, erdigen Rollen, manchmal auch die bitteren. Zum Beispiel die Trümmerfrau Bärbel, die in „Anonyma“ versucht, die Vergewaltigungen durch die Russen mit Würde zu überleben. Oder die Polizistin Maria Hernandez im „Kriminaldauerdienst“, die ihr Leben zwischen Tochter, Frust-Affären und Job nicht auf die Reihe kriegt. „Mich interessieren Charaktere, die kämpfen, die auf der Suche sind und die was mit dem Leben zu tun haben“, sagt Jördis Triebel.

Ihr eigenes Leben teilt sie mit dem Schauspieler Matthias Weidenhöfer, der “wahnsinnig stolz auf mich ist“, und den zwei gemeinsamen Söhnen. Jördis ist übrigens ein isländischer Name und heißt „Göttin des Schwerts“. Klingt irgendwie passend.

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