Alice Schwarzer schreibt

Münster: Schluss mit Hate Speech!

Sina Schuldt/dpa
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Wer war Malte C.? Ein Transmann, also eine biologische Frau, die das Geschlecht gewechselt hatte. Malte war auf jeden Fall ein anständiger Mensch, der seinen Anstand mit dem Leben bezahlt hat.

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Laut Medien ist es so passiert. Ein Hasser ist auf der CSD-Demo am 27. August auf eine Gruppe Frauen zugestürmt, schreiend: „Ihr lesbischen Huren!“ Malte C. ging dazwischen. Der inzwischen gefasste 20-jährige lesbenfeindliche mutmaßliche Täter schlug den 25-jährigen Malte so brutal zusammen, dass er fünf Tage später starb. Münster flaggte Halbmast.

Menschenjagd scheint die Spezialität Laubenburgs zu sein

Diese Tat ist furchtbar. Sie ist ein politisch motiviertes Verbrechen und Ausdruck des steigenden Hassklimas in unserem Land. Dieser Hass wird gepredigt von Menschen wie Frank Laubenburg. Der Vorsitzende der queer-Gruppe innerhalb der Partei „Die Linke“ tut das nicht zum ersten Mal. Er ist schon einmal für seine Hetze verurteilt worden, musste 1.800 Euro Strafe zahlen dafür, dass er das Foto eines Polizisten am Rand einer Demo ins Netz gestellt hatte mit dem Kommentar: „Wer kennt diesen Schläger vom Staatsschutz?“ Menschenjagd scheint die Spezialität dieses „Linken“ zu sein.

Diesmal hat er keinen Polizisten im Visier, sondern vier namentlich genannte Frauen: die Biologin Marie-Luise Vollbrecht, die Politikerinnen Sahra Wagenknecht und Alice Weidel sowie mich. Laubenburg: „Sprachlicher Hass ermutigt Täter wie den, der Malte in Münster totgeschlagen hat. Das müssen wir noch viel deutlicher sagen und das muss auch Konsequenzen haben. Wir sind es Malte schuldig.“ Diesen Tweet von Laubenburg zitierte die Online-Zeitschrift queer.de völlig unkritisch, ja distanzlos.

Was hatten die vier Beschuldigten getan? Für zwei will ich antworten. Die Biologin Vollbrecht hatte sich erlaubt, an der FU Berlin einen Vortrag über die wissenschaftlich unstrittige biologische Zweigeschlechtlichkeit des Menschen halten zu wollen. Und ich? Ich trete seit sage und schreibe 38 Jahren, seit 1984, öffentlich für die Rechte von Transsexuellen ein. Und seit 47 Jahren (im „Kleinen Unterschied“, 1975) für die Rechte aller von der „Zwangsheterosexualität“ abweichenden Minderheiten. Und ich erlaube mir ja übrigens auch selber eine Abweichung.

Worum geht es hier also wirklich? Es geht um die Diffamierung von Frauen sowie die Verwischung zwischen „links“ und „rechts“ durch dumpfe IdeologInnen, die nicht zwischen biologischem Geschlecht (sex) und kultureller Geschlechterrolle (gender) unterscheiden können oder wollen.

Frank Laubenburg (2009) Foto: WAZ FotoPool/Kai Kitschenberg
Frank Laubenburg (2009 im Düsseldorfer Landtag). - Foto: WAZ FotoPool/Kai Kitschenberg

Darum ein letztes Mal ein wissenschaftlicher und feministischer Grundkurs, nach jahrelangem Informieren und Diskutieren: Rein biologisch gibt es nur zwei Geschlechter, ein weibliches und ein männliches. Daran ist nichts zu rütteln. Woraus allerdings keineswegs automatisch eine Geschlechterrolle resultiert. So kann zum Beispiel eine Frau Kinder kriegen, muss aber deswegen noch keine geborene Mutter sein; und kann ein Mann keine Kinder kriegen, kann aber dennoch eine gute „Mutter“ sein, also die „Mutterrolle“ übernehmen.

Wir universalistischen Feministinnen waren die ersten, und bleiben dabei: Wir stellen - über „ihre natürlichen Unterschiede hinaus“ (Simone de Beauvoir) - die Geschlechterrolle total infrage. Denn „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es“. Der Zwang zur Rolle verstümmelt die Menschen zu „Frauen“ und „Männern“. Das heißt: Wir sind für die totale Dekonstruktion der Geschlechterrollen – ohne jedoch dabei die biologische Tatsache der Zweigeschlechtlichkeit zu leugnen (siehe dazu auch das Interview mit der Biologin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard).

Wir universalistischen Feministinnen verwechseln nicht sex und gender

Es ist Dummheit oder Bösartigkeit, vermutlich beides, wenn manche Trans-Ideologen – doch keineswegs die Mehrheit der Transsexuellen! - diese Unterscheidung verwischen und behaupten: Jemand, der die Existenz zweier biologischer Geschlechter nicht leugnet, sei transphob und für den Erhalt der traditionellen sexuellen Normen. Wie absurd.

Wie lächerlich auch, ausgerechnet mir, die seit Jahrzehnten für die Infragestellung der „Zwangsheterosexualität“ und die sexuelle Freiheit steht, Queer- und Transfeindlichkeit zu unterstellen. Allerdings ist da ein Widerspruch, der eigenartigerweise bisher nicht thematisiert wird. Queer bedeutet: Alles ist möglich. Trans heißt: Du bist entweder das eine oder das andere, Frau oder Mann, also strikte Binarität.

Wir universalistischen Feministinnen verwechseln nicht das biologische Geschlecht (sex) und die Geschlechterrolle (gender). Doch wir sind dafür, dass Zehntausende junge Mädchen, die sich heute nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen westlichen Welt plötzlich für „trans“ halten, nicht ab 14 das Recht erhalten, das Geschlecht zu wechseln und Hormone zu schlucken oder sich gar die Brüste amputieren und die Genitalien verstümmeln zu lassen. Wir sind dafür, diesen Mädchen im Gendertrouble zu sagen: Lasst euch nicht vom biologischen Geschlecht definieren und vorschreiben, wir ihr als Mädchen zu sein habt! Ihr seid freie Menschen und müsst euch nicht länger in der Geschlechterrolle einschließen lassen.

Wir sind dafür, dass das Geschlecht erst ab dem Alter von 18 gewechselt werden kann und nicht ohne eine ernsthafte Prüfung der Motive des „Transitionswunsches“. Denn wir müssen vor allem die Mädchen in der Pubertät vor übereilten, irreversiblen Schritten schützen.

Das hat nichts mit „Transhass“ zu tun, im Gegenteil: Es ist Liebe zu den Jugendlichen und Verantwortung für sie. Und übrigens: Sie haben die rote Linie überschritten, Herr Laubenburg. Das sollten sie als Politiker, der sogar schon im Rat der Stadt Düsseldorf gesessen hat, eigentlich wissen. Ich behalte mir vor, Sie wegen Hate Speech und Verleumdung zu verklagen.

ALICE SCHWARZER

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