Zehntausende für Frieden in Berlin!

Aufstand für Frieden! Die Kundgebung am 25. Februar am Brandenburger Tor. Foto: Bettina Flitner
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Welch ein Zeichen für Frieden! 50.000 Menschen - laut Polizei und Ordnern vor Ort - strömten trotz Schneeregen am Samstagnachmittag zum „Aufstand für den Frieden“ ans Brandenburger Tor. Tobias und Hannah Lehmann zum Beispiel, die aus Jena angereist waren. „Dieser Tag heute ist uns eine Herzensangelegenheit, ein tiefes inneres Bedürfnis. Endlich bekommt die schweigende Mehrheit in Deutschland, die gegen Waffenlieferungen ist, eine Stimme!“

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Auf den Parkplätzen standen Busse aus Leipzig, Dresden, München, Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, Köln und vielen anderen Städten. 1.400 PolizistInnen waren im Einsatz, zu den von Medien befürchteten Ausschreitungen kam es nicht, auch war nicht eine einzige rechte Parole zu sehen.

Zu Tausenden strömten Menschen aus allen Richtungen mit Schildern und Friedenstauben-Fahnen ans Brandenburger Tor. In der Menschenmenge wurden Plakate wie „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Alice und Sahra – Frauen für den Frieden“ oder „Meinen Sohn bekommt ihr nicht!“ in die Höhe gereckt.

Zum Auftakt der Kundgebung brachte Jeffrey Sachs, US-amerianischer Star-Ökonom und Wirtschaftsprofessor an der Columbia University, eine deutliche Botschaft per Video mit: "Beide Seiten haben Fehler gemacht, beide Seiten müssen nun verhandeln!", sagt Sachs. Er redet vom Kriegbeginn nicht erst vor einem Jahr, sondern vor neun Jahren: mit dem Putsch gegen Wiktor Janukowytsch. Und er kritisierte seine Regierung, die Milliarden von Dollar zu Aufrüstung in die Ukraine gepumpt und sehenden Auges die roten Linien Russlands durch die NATO-Erweiterung überschritten hätte. Sachs: "Wir müssen aber diese roten Linien ernst nehmen, damit die Welt überleben kann!" 

Wir müssen die roten Linien ernst nehmen, damit die Welt überleben kann!

Zu Beginn las Schauspielerin Corinna Kirchhoff das von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht verfasste "Manifest für Frieden" vor.  Jubel in der Menge. Ein Sprechgesang „Frieden schaffen ohne Waffen“ brandete auf.

Darauf folgte Hans-Peter Waldrich, langjähriger Friedensaktivist: „Damals wussten die Menschen noch, wie gefährlich Atombomben sind. Heute wissen sie das nicht mehr. PolitikerInnen kommen mir wie blinde Traumtänzer vor. Sie spielen mit unser aller Leben! Darf man so mit uns BürgerInnen umspringen?“ 

Waldrich erinnerte daran, dass jeder Tag, den der Krieg noch länger dauere, weitere Leichenberge produziere. Er stellte die Frage: „Wieso kommen Friedensinitiativen nicht aus der EU, sondern aus Brasilien und China?“

Sahra Wagenknecht: Seit wann ist der ruf nach Frieden und Diplomatie rechts?

Dieser Meinung war auch Brigadegeneral a.D. Erich Vad, langjähriger Sicherheitsberater von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel und dritter Redner an diesem Tag. Vad zog in seiner Rede eine augenöffnende Analogie zum Ersten Weltkrieg: "Damals wurde vorexerziert, was militärische Abnutzung bedeutet. Zwischen 1914 und 1918 starben fast eine Million junger Franzosen und Deutsche, sinnlos und für nichts!" 

Exakt die gleiche Situation sieht der Militärexperte heute in der Ukraine, mit Stellungskriegen, ohne jegliches politisches Ziel, die nur den Verschleiß von Menschenleben bringen.

Danach trat Sahra Wagenknecht ans Mikro: „Von jetzt an ist unsere Stimme so laut, dass sie nicht mehr übergangen werden kann!“ Wagenknecht verwahrte sich dagegen, in die rechte Ecke gestellt zu werden und fragte: „Seit wann ist der Ruf nach Frieden und Diplomatie rechts?“ Und sie stellte klar: „Wer die Gefahr eines nuklearen Infernos in Kauf nimmt, der steht nicht auf der richtigen Seite der Geschichte!“ Starke Kritik gab es von ihr auch an der Außenministerin: „Annalena Baerbock benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen!"

Alice Schwarzer: Diese Kundgebung ist der Beginn einer Bürgerbewegung!

Und dann trat Alice Schwarzer auf die Bühne, sichtlich gerührt angesichts der Menschenmenge und der heiteren, friedlichen Stimmung. Für sie sei das Bild vor dem Brandenburger Tor „ein Bild der Hoffnung“.

„Worum geht es in jedem Krieg?“, fragte sie in ihrer Rede, „um Pfründe und Geopolitik. Für die Menschen aber geht es um ihr Leben!“ Schwarzer, die genau wie Wagenknecht in den vergangenen Wochen immer wieder Ziel von Unterstellungen, Beschimpfungen und Diffamationen geworden war , bezeichnete Krieg als „Gipfel des Männlichkeitswahns“ und benannte die „wahre Zeitenwende“: „Das Wort Pazifist ist zu einem Schimpfwort geworden. Und zwar zu einem von links!“ Sprechchöre wurden laut: „Baerbock weg!“

Alice Schwarzer warnte vor dem zunehmenden Schwarz-Weiß-Denken und einer „Dämonisierung des Gegners“. Sie versteht sich in der Tradition der Pazifistin und Frauenrechtlerin Bertha von Suttner, der Gründerin des Nobelpreises für den Frieden. Die letzten Worte ihrer Rede waren: „Das ist der Beginn einer Bürgerbewegung!“ und dann wollte sie sichtbar nur noch froh sein und tanzen. Zu der Friedenshymne  „Imagine“, von John Lennon. Und Zehntausende sangen mit: “You may say I'm a dreamer. But I'm not the only one. I hope someday you'll join us. And the world will live as one.”

Erich Vad, Corinna Kirchhoff, Hans-Peter Waldrich, Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer Foto: Bettina Flitner
Erich Vad, Corinna Kirchhoff, Hans-Peter Waldrich, Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer Foto: Bettina Flitner

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