Papi Gabriel: Immer wieder mittwochs

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Ja, wo kommen wir da eigentlich hin in Deutschland? Jetzt hat es doch tatsächlich ein Bundesminister (ja: Minister auf Bundesebene, da ganz, ganz oben also!) gewagt, die Vater-Karte zu spielen! Und besteht darauf, dass er trotz seines neuen Amtes als Vizekanzler und Wirtschaftsminister seine Tochter Marie mittwochs in Goslar von der Kita abholen will. Auch, um seine berufstätige Frau Anke Stadler zu entlasten, eine Zahnärztin.

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Die Rede ist von Sigmar Gabriel, dem Genossen Nr. 1. Die Äußerungen des Ministers in Bild sorgen seit Samstag dafür, dass Deutschland Kopf steht. Nicht Mutti Merkel, sondern Papi Gabriel ist Gegenstand der Erregung.

„Geht das denn? Nein, das geht nicht“, findet die Welt. Aber nicht falsch verstehen. Denn: „Das hat nichts mit falschen Familienbildern oder Intoleranz gegenüber Eltern zu tun, sondern mit der Relevanz der übernommenen Aufgabe. Es gibt in Deutschland nur sehr wenige Posten, die einen derart hohen persönlichen Einsatz erfordern, aber andererseits auch so große Macht verleihen wie ein Bundesministeramt“.

„Was der SPD-Chef mit seiner Tochter macht, ist falsch“, schreibt auch der Tagesspiegel. Seine Entscheidung widerspreche der Politik seiner Partei, was Kindererziehung betrifft. Und instrumentalisiere die Tochter. Außerdem: Der Führer der zweitstärksten Partei, Vizekanzler zumal, muss den Anspruch und den Ehrgeiz haben, Kanzler zu werden.“ Und so wird das sicher nichts.

Kurz: Hat der Mann sie noch alle beisammen, die Zukunft Deutschlands in Zeiten der Wirtschaftskrise (das ist ja auch noch sein Ressort!) so lapidar aufs Spiel zu setzen, um sich einmal in der Woche - vermutlich mit Smartphone, Laptop und mobilem Internet bewaffnet - von seinem Fahrer 271 Kilometer von Berlin nach Hause kutschieren zu lassen? Und das alles wegen seiner zweijährigen Tochter?!

Zumindest Spiegel Online wagt anzumerken, dass Gabriel diese „regelmäßige Politikpause“ sicher oft zugunsten des ein oder anderen „Krisentreffens“ ausfallen lassen wird. Und Brigitte immerhin solidarisiert sich mit dem „Teilzeitminister“: Dass sich „inzwischen auch Männer in Top-Positionen um Familienzeit bemühen, schafft neue Vorbilder, für uns alle. Gute Voraussetzungen für noch mehr Wandel – und für die Verhandlung mit dem Chef oder der Chefin.“

Sigmar Gabriel – jetzt also Vorbild und Schlappschwanz in einem - werden diese Debatten vermutlich gefallen. Der Sohn eines schwer erträglichen, autoritären Vaters (und unverbesserlichen Nazis), der nach Jahren mit dem Tyrannen zu seiner Mutter flüchten konnte, will es eindeutig anders machen. Schon nach der Geburt seiner Tochter nahm Gabriel drei Monate Elternzeit - twitterte währenddessen munter und feilte im Alleingang an politischen Konzepten, von denen man sagt, dass sie in seiner Partei gefürchtet waren. „Mach den Gabriel: Von Politikern in Elternzeit lernen,“ schrieb EMMA damals.

Dass Deutschland nun wegen eines vermutlich halben Tags in der Woche Kopf steht, erzählt eine Menge über das Bild von Müttern und Vätern in unserem Land. Sigmar Gabriels Frau ist schließlich weiterhin montags, dienstags, donnerstags und freitags berufstätig.

Dass Ursula von der Leyen als Arbeitsministerin freitags ins Homeoffice ging, um Zeit mit ihren sieben Kindern zu verbringen, hat die Gemüter bei weitem nicht so erregt wie Gabriels Zeitfenster für sein Kind. Aber von der Leyen ist ja auch eine Frau. Und jetzt Verteidigungsministerin. An ihrem Familienfreitag will sie dennoch festhalten. Kurz nach ihrer Ernennung zur Verteidigungsministerin erklärte sie als erstes, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Bundeswehr müsse verbessert werden (was klug ist, denn da liegt vieles im Argen bei der Bundeswehr und steigt der Unmut).

Damit ist Gleichstellung in der neuen Regierung also nicht mehr nur Thema im Frauenministerium. Zu hoffen, dass der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Gabriel seine Strategie konsequent durchhält.  

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