So antworten die neuen Männer...
Auf dem ersten Foto liegt die Frau auf dem Rücken nackt auf einem bloßen Laken. Ihre Knie sind angezogen, an den Füßen hat sie hochhackige, glänzende Pumps. Ihr Kopf und Oberkörper sind bis zum Bauch eingeschnürt in einen Müllsack. Neben ihr liegt ein langes Elektrokabel.
Auf dem zweiten Foto liegt die Frau auf der Schondecke eines Hotelbettes. Sie ist nackt, bis auf die glänzenden, hochhackigen Schnürstiefel. Kopf und Körper sind durch ein (Leder?) Band gefesselt und bis zur Unkenntlichkeit verdeckt. Auf dem Boden neben dem Bett stehen, halbumgefallen, Cowboystiefel.
Auf dem dritten Foto liegt die Frau ebenfalls auf einem nackten Bettlaken. Diesmal allerdings auf dem Bauch. Sie trägt einen Brautschleier, der sie bis zur Hüfte verdeckt, dazu einen weißen Strapsgürtel, weiße Strümpfe und weiße, hochhackige Pumps. Ihre Hände sind mit einem schwarzen Kabel auf den Rücken gefesselt. Ihr Hintern ist bloß. Neben ihr auf dem Bett liegt der Brautstrauß, weiße Nelken.
Auf dem vierten Foto liegt die Frau in einer Badewanne. Sie ist, bis auf einen schwarzen Tanga, nackt. Ihre Fußgelenke sind mit einem schwarzen Band gefesselt, ihre Hände sind hinter ihr an der Wand an die Armaturen gebunden. Ihr langes, strähniges dunkles Haar verdeckt ihr Gesicht. Am Wannenrand liegen schwarze Gummihandschuhe und ein Rasiermesser. Neben der Wanne stehen hochhackige Pumps.
Jede dieser Frauen ist gesichtslos. Jede ist gefesselt. Sie alle sind "Männerphantasien", sind "die Träume eines Bürgers", sind "Zeitgeist" (So der Titel). Sie sind auf je einer Doppelseite im Zeitgeist-Magazin Wiener abgebildet, das, nach eigener Aussage, "raffinierten Journalismus für 20- bis 40jährige" macht und damit "seit sechs Jahren außerordentlichen Erfolg" hat. In Österreich.
Und seit Anfang des Jahres auch einen gewissen in der Bundesrepublik. Der Wiener ist, laut Eigen-Prospekt für die Werbe-Wirtschaft, "die Nr. 1 bei den jungen Aufsteigern mit überdurchschnittlicher Bildung". Denen also, die überdurchschnittlich schnell schalten.
Der Wiener wird auch von eben solchen Trendis gemacht: nämlich überwiegend von jungen Journalisten (und einigen Journalistinnen), die aus den sogenannten "Szene"-Blättern kommen. Aus dem sich für links haltenden Frankfurter Pflasterstrand zum Beispiel und aus den sich als alternativ gerierenden Stadtteilzeitungen. Auch aus konkret und Playboy rekrutiert sich die forsche Mannschaft.
Dieselbe Zielgruppe, die gleichen Macher und denselben eiskalten Sexismus hat das Konkurrenzblättchen Tempo, das in großer Hast und in Rivalität mit dem Wiener auf den Aufsteiger-Markt kam.
In Tempo plaudert zum Beispiel Ex-Pflastersträndler Matthias Horx mal über den "Mythos RAF", und das im Aktenzeichen-XY-Stil ("Sechs gegen 60 Millionen"); mal über die "neue Hochzeitsmode" ("Sei mein"), und das im Stil eines Batailles der Bastei-Heftchen. Da feiert der wendige Trendi das "Ritual, das allein die Kraft hat, aus einer abgenutzten Alltäglichkeit ein sinnliches, erotisches Geheimnis zu machen"; die Enthaltsamkeit, "bis alle Schleusen brechen"; die "kleinen spitzen Schreie" am Altar beim Ringaustausch; den Abgang im weißen Jaguar; und, nach gebührender Wartezeit, die "Hochstufe der Lust: den Betrug".
Gefesselt ans Bett. Gefesselt an die Ehe. Hauptsache gefesselt. Und das alles immer hübsch verpackt und cool layoutet.
Tempo-Kollege Jan Philipp Senker hatte in der Nummer zuvor schon das realistische Ende des Rituals vorweggenommen: "Statt Scheidung Mord". Denn "Frauen erschlagen den Ehemann, Liebhaber erwürgen die Freundin. Alle 16 Stunden endet in Deutschland eine Liebe tödlich".
Mal so, mal so. Mal trifft's sie, mal ihn. Oder? Was Senker bei dem Tempo zu sagen vergaß, ist, dass bei neun von zehn Beziehungsmorden Frauen die Leichen sind und Männer die Mörder. "Tendenz steigend". Und Psychologe Maisch orakelt dazu: Das wird "das beherrschende Thema der nächsten 30, 40 Jahre sein". Thema? Fakt ist das!
Womit wir wieder beim "Wiener" wären. Der New Yorker Fotograf Thomas Glover durfte diese "Männerphantasien" für das Herrenjournal inszenieren. Er hat sich auch was dabei gedacht: Die Frau in der Mülltüte ist laut seinem Beitext "eine Flaschenpost", von der er sich wünscht, "dass sie verstanden wird". Und die Frau in der Badewanne ist für ihn "vielleicht sogar realer" als die Realität. Eben. Der Mister hofft, dass "ihre Zeichen zu entschlüsseln" sind. Durchaus. Die Flaschenpost ist angekommen. Das Wort Pornographie kommt aus dem Altgriechischen und setzt sich zusammen aus "graphos" (Abbildung) und "porne" (Hure). Es handelt sich also bei Pornographie um die Abbildung von Huren, beziehungsweise von Frauen, die von Männern als Huren gesehen und dargestellt werden.
Pornographie zelebriert und demonstriert die Degradierung von Frauen. Und damit die Erhebung der sie darstellenden und konsumierenden Männer über die Frauen. Der Kern von Pornographie ist die Darstellung männlicher Macht über weibliche Ohnmacht. Pornographie hat den Sinn, Frauen zu demütigen und einzuschüchtern, ihnen Angst zu machen. Und: Männer zu heroisieren und ihnen (Hoch)Mut zu machen. Mut zum Benutzen, Demütigen, Vergewaltigen, Fesseln, Foltern, Töten.
In den USA, in denen Mister Glover seinen Phantasien freien Lauf gelassen hat, wird laut offizieller FBI-Statistik alle 18 Sekunden eine Ehefrau geschlagen und alle drei Minuten eine Frau vergewaltigt. Die Tendenz der Frauenmorde ist steigend. Wie in der BRD.
Der gerade erschienene offizielle Report über die Produktionsbedingungen und Auswirkungen von Pornographie in den USA hat auch hierzulande Staub aufgewirbelt. Ein Jahr lang haben elf Frauen und Männer versucht, "das Wesen und Ausmaß der Pornographie in den USA" sowie deren "Einfluss auf die Gesellschaft" zu erfassen. Dazu hörten sie 208 ZeugInnen. Was sie hörten, war meist grauenerregend.
Rapide steigt die Zahl der Porno-Models für den immer größer werdenden Pornokonsum. Viele der Models sind Kinder. Sie werden, wie die Frauen, nicht selten in "harter Sklaverei gehalten", zur Porno-Produktion mit Gewalt und Erpressung gezwungen. Der sogenannte Meese-Report kommt zu dem Schluss, dass "zwischen gewaltverherrlichender Pornographie und sexuell motivierter Gewalt gegen Frauen eine ursächliche Beziehung besteht".
So berichtete der Spiegel - und hielt es dennoch für angebracht, den Artikel unter dem neckischen Titel "Sex mit Huhn" und dem Vorspann zu präsentieren, hier "rüste das rechte Amerika zum Kampf gegen die Unmoral". Die taz fand es gar nicht erst nötig, überhaupt auf den Inhalt des 2.000 Seiten umfassenden Reports einzugehen. Sie beschwor lieber gleich das Dilemma, dass "die" Frauenbewegung "Weggenossin fundamentalistischer Gruppen werden" könnte. Dabei unterschlug die linke "Tageszeitung", dass es Feministinnen waren, die die Regierung zwangen, Pornographie ernster zu nehmen und endlich die Untersuchung in die Wege zu leiten. Die- selben radikalen Feministinnen übrigens, die seit Jahren scharf die bigotten, reaktionären Fundamentalisten kritisieren.
Von einer Haltung "der" Frauenbewegung zur Pornographie kann auch nicht die Rede sein, dazu ist "die" Frauenbewegung in den USA zu vielfältig. Die für ihre reformistischen Positionen bekannte NOW-Führerin Betty Friedan zum Beispiel hält den feministischen "Krieg gegen die Pornographie" für eine"Obsession einzelner" und eine "Verschwendung von Energie", entsprechend "irrelevant" scheint der Pornographie-Report. Die radikale Feministin Andrea Dworkin, seit Jahren eine der Speerspitzen im Kampf gegen Pornographie, begrüßt die Existenz des Anti-Porno-Reports, auch wenn sie keineswegs mit allen Schlüssen, die die Meese-Kommission zieht, einverstanden ist.
Dass auch konservative bis rechte Kräfte versuchen, ihr Moral-Süppchen auf dem Anti-Porno-Kampf zu kochen, ist nicht überraschend. Dass sie das mit anderen Motiven und Zielen als die Feministinnen tun, ist bekannt. Nur: weil auch sie gegen etwas sind, müssen wir noch nicht dafür sein. Und wenn Rechte gegen Pornographie sind, so sollte das das Problem der Pornographen sein und nicht das der Feministinnen.
In der Tat kommt die Eskalation zur harten Pornographie und die Tendenz zur allgemeinen Verharmlosung eher aus der linken und liberalen Ecke als aus der rechten. Es sind die fortschrittlichen jungen Männer von Wiener und taz ("Warum sollte frau nicht ein paar schnelle Mark in der Peepshow verdienen"), die uns das bescheren. So ist es wohl kein Zufall, dass die taz-Berichterstattung den Pornographie-Report irreführend in den gleichen Topf warf wie die steigende Repression gegen Homosexualität, und so suggerierte, dies sei eine Front. - Für wen? Und wer ist hier wessen Weggenosse? Vielleicht die linken Chauvis die der harten Pornographen?!
Auch in den USA sind es vor allem die Frauen, sind die radikalen Feministinnen die einzigen, die es wirklich wagen, gegen die Sklavinnen-Propaganda der neuen Superindustrie Pornographie zu Felde zu ziehen. Ihnen, den Gedemütigten, sind dabei viele Mittel recht. Auch neue Gesetze (gegen Pornographie!), die sie, uns, schützen könnten. Zensur? Gefahr für die Meinungsfreiheit? - Für welche Freiheit?! Die, aufs Schild zu schreiben "Whites only!" oder "Türken raus!"? Doch sicher nicht. Die, Frauen Ja als erniedrigte Objekte und Opfer vorzuführen? Ganz sicher auch nicht!
Auch in der Bundesrepublik sind Frauen spätestens seit dem 1978 von EMMA initiierten Stern-Prozess (gegen die Frauen erniedrigenden Titelbilder) hellhörig geworden. Diese Stern-Titel aber muten einen schier wie Opas Gartenlauben-Sex an im Vergleich mit den zu allem entschlossenen Frauenbildern des Nachwuchses.
Da kommt etwas auf uns zu, Frauen, was das, was wir bisher erlebt haben, noch weit zu übertreffen scheint.
Das ist die Reaktion auf uns. Wir haben es gewagt, nicht nur Arsch, sondern auch Kopf zu haben. Wir haben es gewagt, ein Gesicht zu haben. Und genau das will man uns wieder nehmen. Das ist die Reaktion. Die Reaktion auf die Frauenemanzipation. Das ist die Reduktion. Die Reduktion weiblicher Menschen auf ihren Körper. Auf einen kolonialisierten Körper, auf dem der Mann seinen Claim absteckt, wie es ihm beliebt. Den er benutzt, verhöhnt, verstümmelt.
Das ist die Antwort. Die Antwort der neuen Männer auf die neuen Frauen. Und das Infamste ist, dass diese "neuen Männer" sich dieses Bild von der "neuen Frau" im Namen der "neuen Freiheiten" machen.
Ein berühmter Ökonom, Gallbrait, hat einmal gesagt: der Fortschritt des 20. Jahrhunderts ist, dass jetzt jeder Mann gratis ein Dienstmädchen hat, im 19. hatten das nur die Bürger. Der Fortschritt des späten 20. Jahrhunderts ist, dass jetzt jeder Mann gratis eine Heim-Nutte hat (oder zumindest haben will), früher hatten das nur zahlende Männer außer Haus. Längst bietet die Kaufhof-Wäsche-Abteilung Dessous an, die es bis vor ein paar Jahren nur in Spezialgeschäften am Bahnhof gab. Von Erotik ist da wenig die Rede. Von Unterwerfung viel. Jetzt pochen die jungen Aufsteiger auf ihre Gratis-Vorstellung. Und wenn die nicht klappt darf die Szene auch mal locker in den hard-porno kippen. Da gehört Gewalt einfach dazu. Und Vergewaltigung. Und ein Mord aus Versehen ist auch mal drin.
Und die Schwestern in der Wienerin und in Cosmopolitan kichern aufreizend dazu. "Die Jungs bauen auf unsere Ignoranz und unsere Angst. Wir haben uns immer geweigert, das Schlimmste zu sehen, was Männer uns angetan haben", schreibt Andrea Dworkin. "Die Jungs wetten darauf, dass ihre Darstellung von uns als Huren uns niedergeschlagen machen und stoppen wird. Die Jungs wetten darauf, dass ihre Fäuste und Messer und Penisse und Vergewaltigungen uns zu dem machen werden, was wir nach ihrer Aussage sind. Die Jungs glauben fest daran. Die Jungs liegen falsch."
Ja, die Jungs liegen falsch. Nicht auf dem Markt, wo "fortschrittliche" Publikumszeitschriften heute mit den Methoden von Hart-Porno-Postillen Auflage zu machen scheinen. Aber bei uns. Bei uns liegen sie ganz falsch. Uns kriegen sie nicht mehr drunter. Wir werden das nicht hinnehmen. Wir werden uns ernsthaft fragen, was zu tun ist. Und wir werden ihnen zu antworten wissen.