Rosa Parks: Thank you, sista

Rosa Parks
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So müde war sie gar nicht, als sie an diesem Tag im Bus sitzen blieb, statt ihren Platz für einen Weißen zu räumen – jedenfalls nicht müder als nach jedem anderen Arbeitstag. Und so alt auch nicht – genau genommen 42 Jahre jung. Und so zufällig war ihr stilles Heldentum erst recht nicht: Sie hatte vor jenem schicksalhaften Tag im Dezember 1955 schon jahrelang als Aktivistin der 'National Association for the Advancement of Colored People' (NAACP), der 1909 gegründeten und mithin ältesten amerikanischen Bürgerrechtsorganisation, gearbeitet und im Sommer 1955 an einer Tagung für Führungskräfte teilgenommen.

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Rosa Parks, die im Oktober im Alter von 92 Jahren starb, wurde als erster Frau die Ehre zuteil, dass ihre sterblichen Überreste in der mächtigen Rotunde des Capitols zu Washington aufgebahrt werden, damit die Nation ihr die letzte Ehre erweisen möge. Gewöhnlich werden dort die Särge von verstorbenen Präsidenten aufgebahrt – von Abraham Lincoln bis Ronald Reagan.

Und jetzt also Rosa Parks. Die Initiative ging von dem schwarzen Abgeordneten John Conyers aus, der für die Demokratische Partei seit 1964 einen zu gut 60 Prozent von Schwarzen bewohnten Arbeitervorort in Detroit im Repräsentantenhaus vertritt. Rosa Parks hatte nach ihrer Übersiedlung von ihrer Heimatstadt Montgomery in Alabama in die Industriemetropole Detroit im Jahre 1957 zunächst wieder als Näherin gearbeitet, ehe sie von dem frisch gewählten Abgeordneten Conyers als Sekretärin für sein Büro im Wahlkreis Nummer 14 von Michigan angestellt wurde. Dort war sie tätig, bis sie 1988 in den Ruhestand ging.

Am 24. Oktober gegen sieben Uhr abends starb die "Mutter der Bürgerrechtsbewegung", die selbst keine Kinder hatte, in einem Pflegeheim in Detroit. Die Legende von Rosa Parks begann vor fast fünfzig Jahren, am 1. Dezember 1955. Wie üblich war die Näherin nach Betriebsschluss im Kaufhaus 'Montgomery Fair' am späten Nachmittag in den Bus an der Cleveland Avenue eingestiegen und hatte in der für 'Farbige' vorgesehenen Sektion des Busses Platz genommen. Jeweils die ersten vier Reihen der Stadtbusse von Montgomery waren damals für Weiße reserviert, die Schwarzen hatten sich mit den Sitzreihen im hinteren Teil zu begnügen, obwohl mehr als drei Viertel der Fahrgäste Schwarze waren.

Die Sektion im Bus für die 'Colored' wurde vom Busfahrer je nach Bedarf mit einem Blechschild markiert, das auf die Haltegriffe über den Sitzreihen gesteckt wurde. Rosa Parks hatte an jenem schicksalhaften Dezembertag das Pech – oder auch das historische Glück –, zunächst ordnungsgemäß in der Abteilung für Schwarze zu sitzen. Die wurde von Busfahrer James Blake mit seinem wandernden Blechschild jedoch verkleinert, als an der dritten Haltestelle mehrere Weiße einstiegen. Der Aufforderung, ihre Sitzplätze zu räumen, kamen drei Schwarze wie üblich klaglos nach, doch Rosa Parks blieb trotz der Aufforderung des Busfahrers einfach sitzen.

"Als er mich immer noch sitzen sah", erinnerte sich Rosa Parks in einer Fernsehserie über die Bürgerrechtsbewegung von 1987, "fragte er mich, ob ich nicht aufstehen wolle, und ich sagte: 'Nein, das werde ich nicht.'" So nahm die Geschichte, die zum auslösenden Funken der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre werden sollte, ihren Lauf. Die Polizei kam, Rosa Parks wurde verhaftet, erkennungsdienstlich behandelt – samt Fingerabdrücken und Verhaftungsfoto (Nummer 7053) – und vier Tage später wegen "ungebührlichen Verhaltens" und "Verstoßes gegen örtliche Verordnungen" zu einer Geldstrafe von 14 Dollar verurteilt.

In ihrer 1992 veröffentlichten Autobiografie 'My Story' trat Rosa Parks dem Mythos entgegen, sie sei damals nur deshalb nicht für den weißen Fahrgast aufgestanden, weil sie nach einem langen Arbeitsalltag zu müde gewesen sei: "Aber das ist nicht wahr. Ich war nicht physisch müde, jedenfalls nicht mehr als gewöhnlich nach dem Ende eines Arbeitstages. Ich war auch nicht alt, obwohl manche von mir die Vorstellung haben, ich sei damals alt gewesen. Ich war 42. Nein, das einzige, dessen ich müde war, war nachzugeben."

Jedenfalls wurde der Sitzstreik von Rosa Parks zum Auslöser des denkwürdigen Busboykotts von Montgomery. Genau 381 Tage währte der Boykott der öffentlichen Verkehrsmittel durch die Schwarzen und ein noch unbekannter, 26 Jahre alter Pfarrer der Baptistenkirche an der Dexter Avenue namens Martin Luther King Jr. erlangte als Wortführer des Protests rasch nationale Bekanntheit.

Die vom NAACP angestrengten Klagen hatten schließlich Erfolg, am 13. November 1956 entschied das Oberste Gericht in Washington, dass die Rassentrennung in den Bussen von Alabama und anderswo im Süden der Vereinigten Staaten verfassungswidrig sei. Ein Markstein in der Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Zu einer der wichtigsten Ikonen für den Kampf der Schwarzen in Amerika und anderswo wurde Rosa Parks schon zu Lebzeiten. Sie musste ihren Erfolg freilich mit dem dauerhaften Gang ins "Exil" nach Detroit bezahlen, denn als Aushängeschild der Bürgerrechtsbewegung bekam sie in Montgomery keinen Job mehr – ebensowenig wie ihr Mann, den sie 1932 geheiratet hatte und mit dem sie später eine Stiftung zur Förderung von schwarzen Jugendlichen gründete.

Den schönsten Nachruf haben aber schon 1989 die 'Neville Brothers' aus New Orleans mit ihrem Song 'Sister Rosa' gemacht: "Yeah, thank you, Miss Rosa/You were the spark/That started our freedom movement./Thank you, Sister Rosa Parks!"

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