Rassismus-Vorwurf zurückgewiesen

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EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer hat Rassismus-Vorwürfe gegen das feministische Magazin zurückgewiesen. EMMA sei eine der raren Stimmen in diesem Land, die kritisch über Islamismus, sexualisierte Gewalt und die Lage der Frauen in islamischen Communitys berichteten, schreibt Schwarzer auf emma.de. Dies sei schon aus Solidarität mit demokratischen Musliminne geboten, die die ersten Opfer der Islamisten seien, mit denen weite Teile der westlichen Linken seit Jahrzehnten sympathisierten.

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Solidarität mit
demokratischen
MuslimInnen

Unter der Schlagzeile "EMMA und der Beifall von rechts" hatte die Online-Zeitschrift Übermedien Anfang des Monats besonders die Berichterstattung über die Kopftuch-Debatte und die Kölner Silvesternacht kritisiert. "EMMA benennt und skandalisiert die sexualisierte Gewalt der Männer überwiegend nordafrikanischer Herkunft (...). Allerdings appelliert sie damit an Vorurteile und Stereotype, die in der Gesellschaft ohnehin schon verbreitet sind", hieß es: "Eine gefährliche Dynamik entsteht: Rechtsextreme und die AfD greifen den ursprünglich feministischen Diskurs über sexualisierte Gewalt auf und machen mit ihm gegen Einwanderung mobil."

Schwarzer hielt ihren Kritikern vor, die Realität aus ideologischen Gründen nicht wahrzunehmen: "Der Sexismus des politisierten Islam scheint diese Linken nicht zu stören und auch nicht der Antisemitismus", so die EMMA-Gründerin. Der Antisemitismus eskaliere gerade in politisierten muslimischen Kreisen, "im Namen der Kritik an Israel auch befeuert von westlichen Linken".

Übermedien hatte sich unter anderem auf eine Studie des Kommunikationsforschers Luca Hammer für die Initiative "Fearless Democracy" bezogen, der von Januar bis Juni Twitter-Follower von EMMA beobachtet hatte. Danach stammen zehn bis 15 Prozent der Follower "aus dem rechten Spektrum", 85 bis 90 Prozent sind demnach Feministinnen, Politiker und Politikerinnen, Intellektuelle, Linke und internationale Organisationen.

Stört die Linken
Antisemitismus
gar nicht?

Zu den Rechten, die EMMA lesen, zählt die Studie auch die deutsch-türkische Anwältin und Imamin Seyran Ates und den gegen Männergewalt im Namen der "Ehre" engagierten deutsch-isrealischen Psychologen Ahmad Mansour. Bei dieser Definition von "rechts" schrumpften die «echt rechten Leserinnen» zur verschwindenden Minderheit, führt Schwarzer an.

Die EMMA-Redaktion schreibe nicht mit Blick auf Beifall von der "richtigen Seite", sondern über das, was sie relevant finde, betonte die Publizistin. Dabei stehe das Blatt in der Tradition der Aufklärung, hüte sich vor "Stellvertreterpolitik" und lasse etwa im Kopftuchstreit auch Musliminnen zu Wort kommen. So seien auch die Hälfte der Autorinnen der Silvesternacht-Anthologie "Der Schock" (2016) Musliminnen, "die verzweifelt an Linke und Liberale appellieren, endlich aufzuhören mit ihrem Kulturrelativismus" und ihnen diesselben Menschenrechte zuzugestehen wie sich selbst.

Renate Kortheuer-Schüring / epd / Jüdische Allgemeine

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Alice Schwarzer schreibt

Die rassistische EMMA

Alice Schwarzer in Algerien. © Bettina Flitner
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EMMA ist rassistisch. Oder aber spielt zumindest den Rassisten in die Hände. Das sollte nun endlich mal statistisch bewiesen werden! Also beobachtete der Datenanalyst Luca Hammer im Auftrag von Fearless Democracy ein halbes Jahr lang, von Januar bis Juni 2018, die Follower von EMMA auf Twitter – und die linke Netzzeitschrift Übermedien stürzte sich mit Verve auf das Resultat, Schlagzeile: „EMMA und der Beifall von rechts“.

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Eine richtige Antwort auf die falsche Frage

Doch schade: Die Geschichte wurde zum Bumerang. Denn sie beweist genau das Gegenteil. Nur 10 bis 15 Prozent (Ja, was denn nun: 10 oder 15?) aller Follower kommen laut dieser Studie aus dem sogenannten „rechten Spektrum“ – 85 bis 90 Prozent hingegen sind Feministinnen, Linke, PolitikerInnen, WortführerInnen und internationale Organisationen. EMMA dankt. Das ist mal eine ermutigende Feststellung.

Doch wer ist nun diese Minderheit von Rechten, die EMMA liest? Laut Übermedien zählt die Studie dazu zum Beispiel auch Seyran Ates und Ahmad Mansour, beide muslimischer Herkunft. Warum? Die deutsch-türkische Anwältin und alternative Imamin erlaubt sich, das Kopftuch zu kritisieren („Passt zu der Agenda der Rechten“). Und der deutsch-israelische Psychologe kämpft gegen Männlichkeitswahn und „Gewalt im Namen der Ehre“ (Passt anscheinend nicht zur Agenda der Linken). Nun, bei so einer Definition von „rechts“ schrumpfen die echt rechten LeserInnen von EMMA nochmal kräftig: von einer Minderheit zur verschwindenden Minderheit.

Doch eigentlich ist das alles völlig uninteressant. Denn es ist gar nicht die Frage. Schließlich kann es nicht vorrangig darum gehen, wer EMMA liest, sondern sollte es darum gehen, was EMMA schreibt. Die Leserschaft ist nur dann ein entscheidendes Kriterium für eine Zeitschrift, wenn sie aus kommerziellen oder ideologischen Gründen vorrangig für eine bestimmte Zielgruppe schreibt. Das ist bei EMMA in der Tat nicht der Fall. EMMA schreibt weder mit Blick auf Anzeigen noch für Beifall von der „richtigen“ Seite.

EMMA schielt weder auf Anzeigen noch auf Beifall

Aber was schreibt EMMA denn so, dass sie bei Fearless Democracy – gegründet von Gerald Hensel, dem Initiator der fragwürdigen Aktion #KeinGeldFürRechts - und dem von dem (selbst)gerechten Stefan Niggemeier gemachten Mediendienst Übermedien in Verdacht gerät, rassistisch zu sein? Um diese Frage geht es in diesem Text kaum, und wenn, dann mit falschen Unterstellungen.

Eine der vielen falschen Unterstellungen lautet: In EMMA würde undifferenziert und pauschal über das Kopftuch berichtet (das für diese Kreise zum Symbol eines „islamischen Feminismus“ avanciert ist). Wie wär’s denn mal mit EMMA lesen?! Da wird seit Jahrzehnten höchst differenziert über das Kopftuch geschrieben und scharf unterschieden zwischen den subjektiven, psychischen Motiven, aus denen Frauen Kopftuch tragen können, und der objektiven, politischen Symbolik des Kopftuches. Vor allem aber gibt EMMA seit 1977 auch MuslimInnen das Wort und hütet sich vor Stellvertreterpolitik.

Ja, es stimmt, EMMA hat ausführlich über die Realität der Silvesternacht 2015 in Köln berichtet. Als eine von wenigen medialen Stimmen. In Übermedien liest sich das so: „EMMA benennt und skandalisiert die sexualisierte Gewalt der Männer überwiegend nordafrikanischer Herkunft in der Silvesternacht. Allerdings appelliert sie damit an Vorurteile und Stereotype, die in der Gesellschaft ohnehin schon verbreitet sind. Eine gefährliche Dynamik entsteht: Rechtsextreme und die AfD greifen den ursprünglich feministischen Diskurs über sexualisierte Gewalt auf und machen mit ihm gegen Einwanderung mobil.“

Was für die AfD ein leichtes Spiel ist, da Linke, Liberale, ja sogar Konservative wegsehen und schweigen. Sie sind es, diese Realitätsleugner, die Menschen, denen bisher Rassismus fern war, in die Arme von Rechten treiben!

Realitätsleugner treiben Menschen zu den Rechten

Es sind dieselben IdeologInnen, die mein Buch „Der Schock“, das ich im Mai 2016 apropos der Silvesternacht veröffentlicht habe, bis heute als „rassistisch“ verleumden. Da sie offensichtlich die Anthologie nie wirklich gelesen haben, wissen sie noch nicht einmal, dass die Hälfte der acht AutorInnen muslimischer Herkunft ist. MuslimInnen, die verzweifelt an Linke und Liberale appellieren, endlich aufzuhören mit ihrem Kulturrelativismus, diesem gönnerhaften zweierlei Maß, und ihrer Komplizität mit den reaktionären Scharia-MuslimInnen – und stattdessen den Schulterschluss mit feministischen und linken MuslimInnen zu suchen und ihnen dieselben Menschenrechte zuzugestehen wie sich selbst.

Zuguterletzt werden EMMA in dem sich objektiv gebärdenden, doch unübersehbar parteilichen Text noch drei Artikel angekreidet, die – oh Schreck – „Rechte“ besonders häufig geklickt hätten: Erstens der Artikel von Necla Kelek im März 2015 über die damalige Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz. Darin belegt die Deutsch-Türkin mit Akribie das rückwärtsgewandte, reaktionären Muslimverbänden in die Hände spielende Islamverständnis ihrer Landsmännin und SPD-Politikerin. Zweitens ein Artikel aus dem Jahr 2009 von Seyran Ates: „Das Kopftuch ist zur Waffe geworden“. Und zuguterletzt ein aktueller Text von mir über die islamische Agitatorin Kübra Gümüsay, u.a. Mitinitiatorin des Hashtags #ausnahmslos. Die Deutsch-Türkin, mit Erfahrungen in den Islamismus-Hochburgen Kairo und London, hatte via Klage vergeblich versucht zu verhindern, dass EMMA über deren ideologischen Hintergrund und ihre politische Strategie berichtet.

EMMA soll all das nicht schreiben dürfen. Und warum nicht? Weil Rechte es lesen könnten. Lieber die Wahrheit verschweigen, als Unbequemes berichten und sich mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen? Doch es geht diesen Leuten ganz offensichtlich nicht um die Realität, es geht ihnen um ihre Ideologie. Diese Linken sind immer auf der richtigen Seite. In Frankreich werden sie übrigens „Islamo-Gauchisten“ genannt, parallel zu den „Islamo-Faschisten“.

Selbstverständlich wird EMMA weiter berichten, was sie relevant findet. Das tut sie seit 41 Jahren. Egal, wer es liest; selbst wenn es Übermedien ist. Denn EMMA steht in der Tradition der Aufklärung und richtet sich nicht nur an eine bestimmte Community, sondern an alle.

Früher war es die Klitorisverstümmelung. Jetzt ist es das Kopftuch.

Bisher ist EMMA leider eine der raren Stimmen in diesem Land, die kritisch über den Missbrauch des Islam und die Lage der Frauen in den islamischen Communitys und Ländern berichten - was schon aus Solidarität mit den demokratischen MuslimInnen geboten ist. Denn sie sind die ersten Opfer der Fundamentalisten; diese rechten Islamisten, mit denen weite Teile der westlichen Linken seit nun bald 40 Jahren so fatal sympathisieren. Der Sexismus des politisierten Islam scheint diese Linken nicht zu stören und auch nicht der Antisemitismus. Im Gegenteil. Gerade eskaliert der Antisemitismus in politisierten muslimischen Kreisen, im Namen der Kritik an Israel auch befeuert von westlichen Linken.

Übrigens: Gleich in den ersten Zeilen schreibt Übermedien: „Der Vorwurf, rassistisch zu sein, begleitet EMMA nahezu von Anbeginn.“ Das stimmt. Grund: EMMA berichtete in ihrer ersten Ausgabe 1977 über die Klitorisverstümmelung – wofür wir von Linken und auch so manchen Feministinnen scharf angegriffen wurden: Es handele sich dabei um „andere Sitten und eine andere Kultur“, und wir „privilegierten weißen WestlerInnen“ sollten uns da gefälligst raushalten. Haben wir zum Glück nicht getan. Wir haben uns kurzgeschlossen mit den Frauen in Afrika und in den arabischen Ländern sowie in den Communitys in Europa. Die kämpfen bis heute verzweifelt aber nicht erfolglos gegen dieses Verbrechen an Mädchen und Frauen.

Auf dieser Linie wird EMMA bleiben.

ALICE SCHWARZER

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