Stevie Schmiedel: Empört

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Stevie Schmiedel bringt an diesem Morgen ihre Töchter zur Schule und begegnet dabei gleich dreimal Heidi Klum: an allen Litfaßsäulen, in ein hautenges Goldkleid gehüllt und in Barbie-Pose. So wirbt sie für ihre Sendung Germany’s Next Topmodel. „Und da“, sagt Stevie Schmiedel, „bin ich explodiert!“ Kurz zuvor hatte die Geschlechterforscherin der Uni Hamburg die neuesten Studien vorgestellt, die Germany’s Next Topmodel für das verzerrte Körperbild von Kindern mitverantwortlich machen: Noch nie wurden so viele Jugendliche mit Ess-Störungen in Kliniken eingeliefert wie heute. „Und während die Medien darüber berichteten und es mir nicht mehr aus dem Kopf ging, hingen die Heidi-Klum-Plakate überall! Da war mir klar: Jetzt muss ich etwas tun.“

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Stevie Schmiedel schreibt eine E-Mail an die Zeit: „Wir ­Eltern sind stinkwütend!“ Im Zeit-Interview sagt Stevie Schmiedel dann, man müsse Pinkstinks, das es in England schon gibt, auch in Deutschland gründen. Pinkstinks ist eine Internet-Initiative, die sich gegen sexistische Werbung, geschlechterklischee-förderndes Spielzeug und frauenfeindliche Fernsehformate stark macht.

„Danach bekam ich so viel Zuspruch, dass ich beschloss, es zu machen“, erzählt Schmiedel. Sie trifft sich mit den Gründerinnen von Pinkstinks in London und legt los. Ein Jahr nach Gründung hat die deutsche Pinkstinks-Fraktion mit ihrem Protest erste Erfolge zu verbuchen: Das Versandhaus Otto nahm ein Mädchen-Shirt mit der Aufschrift „In Mathe bin ich Deko“ aus dem Sortiment – nach einem Shitstorm auf ihrer Internet-Seite, organisiert von Pinkstinks und anderen feministischen Organisationen. Und in den neuen rosa Überraschungseiern gibt es keine spindeldürren Püppchen mehr.

Stevie Schmiedel: „Wenn ich für etwas brenne, lege ich einfach los.“ Das sah früher anders aus. „Feministin war ein Schimpfwort für mich! Ich bin 1971 geboren. Wir waren ­Popper – unpolitisch und auf Marken fixiert.“ Und dann das: Als sie mit Anfang 20 von Hamburg zum Studium nach London geht, geben ihr die Kommilitonen den Spitznamen „The German ­Feminist“! „Nur weil ich zu allem eine Meinung hatte und die auch gesagt habe.“ Stevie studiert Kommunikationswissenschaften, belegt Kurse in Geschlechterstudien. Sie promoviert, kehrt nach Hamburg zurück – und lehrt Genderstudies. „Aber ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich dazu stehen konnte, dass ich Feministin bin.“

Einer ihrer wichtigsten Mitstreiter ist ihr Mann: „Er hat zwei Töchter, er ist Feminist und er liebt Pinkstinks“, strahlt Stevie Schmiedel. „Er würde am liebsten den ganzen Tag durch die Stadt laufen und Aufkleber gegen Sexismus auf Werbeplakate kleben.“

Kürzlich rief der Chef eines großen Unternehmens bei ihr an. „Er hat mich angebrüllt, ich hätte ihn viel Geld gekostet, weil er seine Werbeplakate nach zwei Tagen wieder abhängen lassen musste. Darauf räkelten sich halbnackte Frauen, und wir hatten das einer Zeitung erzählt. Da habe ich gesagt: Tut mir leid, es war nicht persönlich gemeint. Aber wissen Sie, was Sie damit für ein Frauenbild vermitteln? Und schon waren wir im Gespräch.“

In einer Kampagne der Firma Axe für ein Herren-Deo klammert sich eine nackte Frau hilflos an einen Astronauten. Darunter steht: Männer regeln den Verkehr. „Das ist übergriffig und brutal“, klagt Stevie Schmiedel. „Doch der Werberat sieht das anders. Es fließt ja kein Blut.“ Kein Wunder. „Der Werberat ­besteht aus Geschäftsleuten. Wir wollen dem Rat ein Gremium aus KulturwissenschaftlerInnen, GenderforscherInnen, SoziologInnen, PsychologInnen an die Seite stellen. Damit er effektiver wird. Dafür sammeln wir jetzt Unterschriften.“

Sexistische Werbung ist die eine Front von Stevie Schmiedels Kampf, rosafarbenes Spielzeug eine andere. Die Farbe Rosa ist die Einstiegsdroge, sagt sie. Mit Pinkstinks kämpft Stevie Schmiedel um neue, vielfältigere Rollenbilder für Mädchen. „Ich sage meinen Töchtern: Ich finde Barbie nicht doll, aber ihr könnt sie euch trotzdem von eurem Geld kaufen. Und Lillifee-Kram bringt bei uns nur die Zahnfee.“ Auch Mädchen sollen sich schmutzig machen dürfen, auf Bäume klettern, wild sein. So wild wie Stevie Schmiedel.

Stevie Schmiedel will öffentliche Aufmerksamkeit dafür. Für dieses Ziel trägt sie täglich das auf, was sie ihre „Kriegsbemalung“ nennt: Schminke und Lippenstift, zu Vorträgen und Presseterminen. „Ich nutze diese Verkleidung, damit mir mehr Leute zuhören“, erklärt sie grinsend. „Sonst sagen viele: Die schminkt sich nicht mal, das ist ’ne Feministin!“

www.pinkstinks.de
www.petition-werberat.de

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Stevie Schmiedel bringt an diesem Morgen ihre Töchter zur Schule und begegnet dabei gleich dreimal Heidi Klum: an allen Litfaßsäulen, in ein hautenges Goldkleid gehüllt und in Barbie-Pose. So wirbt sie für ihre Sendung Germany’s Next Topmodel. „Und da“, sagt Stevie Schmiedel, „bin ich explodiert!“ Kurz zuvor hatte die Geschlechterforscherin der Uni Hamburg die neuesten Studien vorgestellt, die Germany’s Next Topmodel für das verzerrte Körperbild von Kindern mitverantwortlich machen: Noch nie wurden so viele Jugendliche mit Ess-Störungen in Kliniken eingeliefert wie heute. „Und während die Medien darüber berichteten und es mir nicht mehr aus dem Kopf ging, hingen die Heidi-Klum-Plakate überall! Da war mir klar: Jetzt muss ich etwas tun.“

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Stevie Schmiedel schreibt eine E-Mail an die Zeit: „Wir ­Eltern sind stinkwütend!“ Im Zeit-Interview sagt Stevie Schmiedel dann, man müsse Pinkstinks, das es in England schon gibt, auch in Deutschland gründen. Pinkstinks ist eine Internet-Initiative, die sich gegen sexistische Werbung, geschlechterklischee-förderndes Spielzeug und frauenfeindliche Fernsehformate stark macht.

„Danach bekam ich so viel Zuspruch, dass ich beschloss, es zu machen“, erzählt Schmiedel. Sie trifft sich mit den Gründerinnen von Pinkstinks in London und legt los. Ein Jahr nach Gründung hat die deutsche Pinkstinks-Fraktion mit ihrem Protest erste Erfolge zu verbuchen: Das Versandhaus Otto nahm ein Mädchen-Shirt mit der Aufschrift „In Mathe bin ich Deko“ aus dem Sortiment – nach einem Shitstorm auf ihrer Internet-Seite, organisiert von Pinkstinks und anderen feministischen Organisationen. Und in den neuen rosa Überraschungseiern gibt es keine spindeldürren Püppchen mehr.

Stevie Schmiedel: „Wenn ich für etwas brenne, lege ich einfach los.“ Das sah früher anders aus. „Feministin war ein Schimpfwort für mich! Ich bin 1971 geboren. Wir waren ­Popper – unpolitisch und auf Marken fixiert.“ Und dann das: Als sie mit Anfang 20 von Hamburg zum Studium nach London geht, geben ihr die Kommilitonen den Spitznamen „The German ­Feminist“! „Nur weil ich zu allem eine Meinung hatte und die auch gesagt habe.“ Stevie studiert Kommunikationswissenschaften, belegt Kurse in Geschlechterstudien. Sie promoviert, kehrt nach Hamburg zurück – und lehrt Genderstudies. „Aber ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich dazu stehen konnte, dass ich Feministin bin.“

Einer ihrer wichtigsten Mitstreiter ist ihr Mann: „Er hat zwei Töchter, er ist Feminist und er liebt Pinkstinks“, strahlt Stevie Schmiedel. „Er würde am liebsten den ganzen Tag durch die Stadt laufen und Aufkleber gegen Sexismus auf Werbeplakate kleben.“

Kürzlich rief der Chef eines großen Unternehmens bei ihr an. „Er hat mich angebrüllt, ich hätte ihn viel Geld gekostet, weil er seine Werbeplakate nach zwei Tagen wieder abhängen lassen musste. Darauf räkelten sich halbnackte Frauen, und wir hatten das einer Zeitung erzählt. Da habe ich gesagt: Tut mir leid, es war nicht persönlich gemeint. Aber wissen Sie, was Sie damit für ein Frauenbild vermitteln? Und schon waren wir im Gespräch.“

In einer Kampagne der Firma Axe für ein Herren-Deo klammert sich eine nackte Frau hilflos an einen Astronauten. Darunter steht: Männer regeln den Verkehr. „Das ist übergriffig und brutal“, klagt Stevie Schmiedel. „Doch der Werberat sieht das anders. Es fließt ja kein Blut.“ Kein Wunder. „Der Werberat ­besteht aus Geschäftsleuten. Wir wollen dem Rat ein Gremium aus KulturwissenschaftlerInnen, GenderforscherInnen, SoziologInnen, PsychologInnen an die Seite stellen. Damit er effektiver wird. Dafür sammeln wir jetzt Unterschriften.“

Sexistische Werbung ist die eine Front von Stevie Schmiedels Kampf, rosafarbenes Spielzeug eine andere. Die Farbe Rosa ist die Einstiegsdroge, sagt sie. Mit Pinkstinks kämpft Stevie Schmiedel um neue, vielfältigere Rollenbilder für Mädchen. „Ich sage meinen Töchtern: Ich finde Barbie nicht doll, aber ihr könnt sie euch trotzdem von eurem Geld kaufen. Und Lillifee-Kram bringt bei uns nur die Zahnfee.“ Auch Mädchen sollen sich schmutzig machen dürfen, auf Bäume klettern, wild sein. So wild wie Stevie Schmiedel.

Stevie Schmiedel will öffentliche Aufmerksamkeit dafür. Für dieses Ziel trägt sie täglich das auf, was sie ihre „Kriegsbemalung“ nennt: Schminke und Lippenstift, zu Vorträgen und Presseterminen. „Ich nutze diese Verkleidung, damit mir mehr Leute zuhören“, erklärt sie grinsend. „Sonst sagen viele: Die schminkt sich nicht mal, das ist ’ne Feministin!“

www.pinkstinks.de
www.petition-werberat.de

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