Trump: Starke Worte der Kanzlerin!

© Tobias Schwarz/AFP
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Es hat ein paar Stunden gedauert, bis eine sichtlich geschockte Merkel die richtigen Worte fand. Aber die saßen. Die deutsche Kanzlerin war im Wahlkampf eine der Buh-Gestalten des Kandidaten Trump, wenn nicht DIE Buh-Gestalt. Immer wenn Trump dem amerikanischen Volk so richtig Angst machen wollte, zeichnete er das Schreckensbild Merkel:

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„Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel sein“, höhnte Trump im Wahlkampf. „Und Sie wissen, was für eine Katastrophe die massenhafte Immigration in Deutschland für das deutsche Volk ist.“ Das hatte noch im August 2015 ganz anders geklungen. Da hatte Trump in einem Time-Interview erklärt, Merkel sei die „wahrscheinlich größte Führerin der Welt“, sie sei einfach „fantastisch“. Ein Jahr später pöbelte Trump, Merkel sei „irrsinnig“.

Die so Geschmähte fand erst um 12 Uhr, rund sechs Stunden nach Wahlausgang, die passenden Worte, mit denen sie „dem Gewinner der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump“, zum Wahlsieg gratulierte. Und was sie dann sagte, lässt Hoffnung aufkommen. Nämlich die Hoffnung, dass die deutsche Staatschefin nicht bereit ist, alles zu schlucken, was Donald Trump seinen WählerInnen und der Welt versprochen hat.

Kanzlerin Merkel fand passende Worte für Präsident Trump

Kanzlerin Merkel erklärte: „Wer dieses große Land regiert mit seiner gewaltigen wirtschaftlichen Stärke, seinem militärischen Potenzial, seiner kulturellen Prägekraft, der trägt eine Verantwortung, die beinahe überall auf der Welt zu spüren ist. Die Amerikanerinnen und Amerikaner haben entschieden, dass diese Verantwortung in den nächsten vier Jahren Donald Trump tragen soll. Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“

Wie schön, dass wir so einen Menschen an die Spitze unseres Staates gewählt haben.

 

 

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Wieso sind wir eigentlich überrascht?

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Wieso sind wir eigentlich alle so überrascht? Wir Europäer. Wir Fortschrittlichen. Wir Frauen. Wieso waren wir uns so sicher, dass diese Frau zur ersten Präsidentin von Amerika gewählt wird? Eine Frau, die zu einer Generation gehört, die eigentlich Housewife hätten werden sollen, dann aber Ärger machten als Frauenrechtlerinnen. Eine Frau, die seit Jahrzehnten Männerjobs macht, dabei aber immer „ganz Frau“ bleiben sollte. Eine Frau, der bis zur letzten Sekunde vorgeworfen wurde, sie sei „kaltherzig“ und man wisse nicht, was sie „wirklich fühlt“. Eine Frau, die seit 40 Jahren gedemütigt und mit Dreck beworfen wird – und die in den letzten Monaten im Schlamm versank.

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Ich weiß nicht mehr, wer es war, es war auf jeden Fall ein eher fortschrittlicher Kollege, ein deutscher Fernsehkorrespondent in Amerika. Und der sagte vor einigen Wochen mit fester Stimme in den Abendnachrichten: „Amerika hat die Wahl zwischen Pest und Cholera.“ Und er war nicht der einzige Fortschrittliche, der so getönt hat.

Pest und Cholera? Pest okay. Dieser Trump, ein Hasardeur, Rechtspopulist und Frauenhasser, der keine Ahnung hat von Politik, dafür aber goldene Wasserkräne in seinem Badezimmer und wechselnde, immer jünger werdende Models an seiner Seite, dieser Trump ist tatsächlich die Pest. Aber wer ist die Cholera? Hillary Clinton?

Nicht nur die Trump-Anhänger haben Hillary begrabscht und gedemütigt

Wie kommt die brillante Juristin, mitregierende First Lady („Wählt einen – ihr kriegt zwei“), Ex-Senatorin von New York und Ex-Außenministerin unter Obama zu so einem Ruf? Sie gehöre zum so genannten „Establishment“, hieß es über die Kandidatin. Geschenkt. Welcher Präsidentschaftskandidat in den USA gehört nicht dazu? Allen voran der Milliardär Trump. Sie mache eine fragwürdige Außenpolitik, sei eine kalte Kriegerin und pro Interventionen. Stimmt. Aber welcher US-Präsident ist das nicht? Und was wohl haben wir von einem Präsidenten Trump zu erwarten?

Hillary Clinton, 69, ist eine sehr erfahrene, demokratische Politikerin. Sie ist eine Frau, ja sogar bekennende Feministin. Sie wäre nach 44 US-Präsidenten endlich, endlich die erste Präsidentin gewesen! Und sie wäre es auch geworden, wenn - wie die ersten Wahlanalysen belegen - nur Frauen, nur Schwarze oder nur junge Leute gewählt hätten.

Sie ist es nicht geworden. Nicht nur darum nicht, weil die Angry White Men sie bekämpft haben. Sie ist es auch nicht geworden, weil sie am Ende einfach zu angefasst war. Und da bleibt immer etwas hängen.

Doch nicht nur die Trump-Anhänger haben diese Frau in einer nie dagewesenen Art begrabscht und gedemütigt. Die Kandidatin Clinton war für alle in diesen letzten Wochen und Monaten vogelfrei.

Dass wir uns heute nicht über die erste Präsidentin Amerikas freuen können, verdanken wir also nicht nur den Männern von gestern. Wir verdanken es auch den Neunmalklugen, wie zum Beispiel ihrem Parteikollegen Bernie Sanders. Diesen BesserwisserInnen, denen Hillary nicht genug dies oder nicht genug das war, aber die in Wahrheit einer Frau diesen Job einfach nicht zutrauen, schlimmer noch: die einer Frau diesen Job nicht gönnen. Jetzt haben sie den 45. Mann. Und was für einen.

Alice Schwarzer

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