Würde? Scheiß drauf!

Bomben-Idee: Klo-Puffs sollen den Berliner Straßenstrich schöner machen Foto: Schöning/imago images
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Also, Berlin hat wirklich was auf dem Kasten. Der Runde Tisch „Sexarbeit“ (nicht: Prostitution) - bestehend aus Senatsmitgliedern, Polizei, Beratungsstellen und „Sexarbeitenden“ - hatte die Aufgabe, die „Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen“ zu verbessern. Keine leichte Aufgabe in Corona-Zeiten. Die Bordelle durften zwar in Berlin bereits wieder öffnen, allerdings mit in der Praxis wenig realistischen Hygieneregeln und abstandswahrenden Sexstellungen. Und der Straßenstrich? Tja…

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Mit der Kombi Toilette-Verrichtungsbox auf dem richtigen Weg!

Die rettende Idee des Runden Tisches: Ein Klo-Häuschen! Natürlich! Auf „reine Vollzugsboxen“, die der Quartiersrat Schöneberg vorgeschlagen hatte, konnte sich der Runde Tisch nicht einigen. Aber: „Mit der Kombination Toilette, Verrichtungsbox sind wir auf dem richtigen Weg“, freute sich die Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD). Auch Barbara König (SPD), Staatssekretärin für Gesundheit und Gleichstellung, verkündete spritzig: „Die Bio-Toiletten im Kurfürstenkiez werden gut als Verrichtungsorte angenommen.“ Das beweisen die Zahlen: Die Toiletten würden jeweils an die 300 Mal in der Woche zur Notdurft genutzt, heißt es aus der Pressestelle des Bezirksamtes Berlin-Schöneberg. Welche „Notdurft“ gemeint ist, wird nicht klar. Läuft aber.

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Und „Bio-Toiletten“ klingt natürlich viel angenehmer als „Verrichtungsbox“. Passt auch besser zu Berlin. So ein schnödes Dixi-Klo ist ja aus Plastik, nicht klimaneutral und kippt ja auch viel zu schnell um. Aber so ein schönes solides, aus Birkenholz gezimmertes Bio-Klo, das macht doch direkt Lust. 6.000 Euro Miete kostet das Chalet die SteuerzahlerInnen, pro Box - und pro Monat. Sechstausend. Macht bei fünf Bio-Klos 30.000 Euro im Monat. Aber da ist die Reinigung schon mit drin. Auch der Lärmschutz ist garantiert: „Die Außenwände der Toilette sind 18 Millimeter dick, so dass ein Großteil der Lautstärke absorbiert wird“, so die Pressestelle des Berliner Senats beruhigend.

6000 Euro kostet das Chalet die SteuerzahlerInnen - pro Monat

Zu den bereits stehenden zwei Bio-Klos sollen nun drei weitere Nachfolgemodelle mit einem leicht vergrößerten Innenraum hinzukommen. Schließlich müssen sich rund 180 Prostituierte das Örtchen teilen. Auch der Einbau einer zweiten Tür sei geplant, „damit die Frauen eine Fluchtmöglichkeit hätten“, sagte Schöttler. Ist ja wirklich an alles gedacht.

Und was denkt EMMA? Dass mit einem Fick-Klo der Tiefststand unserer Zivilisation erreicht ist - wenn Männer dort, wo sie hinscheißen, auch noch Frauen penetrieren. Dass die Menschenwürde nicht zynischer mit Füßen getreten werden kann. Und dass alle, die sich solche „Bio-Klos/Vollzugsboxen“ ausdenken, eine Zeit lang darin aktiv sein müssten, Frauen wie Männer. Vielleicht fiele dann endlich so manches Brett vorm Kopf.

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Corona: Das Pascha ist pleite!

Die Türen des Pascha sind zu - und bleiben es auch. Foto: imago images/Eibner
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An Corona gibt es eigentlich nichts Erfreuliches, eins aber doch: Das Kölner Pascha ist pleite. Geschäftsführer Armin Lobscheid hat am Dienstag beim Kölner Amtsgericht einen Insolvenzantrag eingereicht. Damit macht Europas größtes Bordell endgültig die Tore dicht.

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Seit dem Corona-Lockdown im März sind in Deutschland die Bordelle geschlossen. Die laufenden Kosten für das zehnstöckige Laufhaus mit angeblich 60 Angestellten wie Handwerker, Köche oder Security-Männern seien nicht mehr länger zu stemmen gewesen, erklärt Lobscheid.

„Eine Frau kommt auf die Welt, um einem Mann zu dienen und zu gehorchen.“ Mit diesem Credo, das er auch beim 20-jährigen Pascha-Jubiläum frank und frei in die TV-Kameras posaunte, war Hermann Müller 1996 angetreten und hatte sein erstes Bordell gegründet: das „Pascha“ an der Kölner Hornstraße. Auf zehn Stockwerken waren hier bis zum Lockdown rund 120 Frauen Männern zu Diensten – mit „Geld-zurück-Garantie“.  

Die Frauen zahlten für ein Zimmer 160 Euro am Tag - das macht 100 Freier im Monat. 

Müller blieb seinem Motto treu: Die Frauen zahlten in dem zehnstöckigen Laufhaus für ein winziges Zimmer 160 Euro – am Tag! Das macht 4.800 Euro im Monat. Das sind, bei Preisen zwischen 30 und 50 Euro, mindestens 100 (!) Freier im Monat allein für die Zimmermiete. Die Miete muss, wie EMMA-Redakteurin Alexandra Eul bei einer fiktiven Bewerbung im Pascha recherchiert hatte, jede Nacht um vier Uhr gezahlt werden.

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Viele Frauen lebten in den Zellen und schliefen in dem Bett, in dem sie auch die Freier bedienten. Das wurde erst mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“ 2016 offiziell verboten, ist aber bei einer Sexfabrik, die 24 Stunden geöffnet hat, kaum zu kontrollieren.

Rund eine halbe Million Euro „erarbeiteten“ die Frauen jeden Monat dem Pascha allein mit ihrer Zimmermiete. Als dann der Lockdown kam, beantragte Armin Lobscheid Kurzarbeitergeld – für die 60 Angestellten. Die Frauen gingen leer aus, die seien schließlich „selbstständig“, so Lobscheid.    

Alice Schwarzer zu  Lobscheid: Sie sind ein "White-Collar-Zuhälter"!

Wer sich auf der Website des Pascha umschaute, sah, dass der allergrößte Teil der „Mädchen“, die hier den Möchtegern-Paschas ihre Körper zur Benutzung zur Verfügung stellten (oder stellen mussten), aus Osteuropa und Afrika stammten. Wer sich in den Freierforen umschaute, entdeckte Posts wie diesen: "Moin Mitficker! Was ist das Beste an einem Besuch in Köln? Ein Kurzbesuch in der Hornstraße.“ Sodann schwärmt der „Mitficker“, wie er Kim, den „Kohleneimer“ so richtig „aufgepflockt“ hat. „Endlich mal komplett im Negerarsch!“

2005 nahm die Polizei bei der Aktion „Frühlingszauber gegen Menschenhandel“ 23 Frauen im Pascha fest, davon vier Minderjährige. Sie stammten aus Nigeria. Geschäftsführer Armin Lobscheid erklärte, deren Pässe seien gefälscht gewesen, da könne er halt nichts machen. Auf die Frage, wie er wissen könne, dass die Frauen im Pascha nicht von Zuhältern geschickt und abkassiert werden, antwortet Lobscheid: Für das, was außerhalb des Bordells passiere, könne er natürlich nicht garantieren. Aber: Sollte er von solch einem Fall erfahren, würde er sofort die Polizei informieren. Als er in einer Talkshow vom erfahrenen Rotlicht-Kommissar Helmut Sporer gefragt wurde, wie oft er das denn schon getan hätte, musste der Pascha-Geschäftsführer zugeben: Noch nie. In derselben Talkshow bezeichnete Alice Schwarzer Lobscheid als "White-Collar-Zuhälter".

Lobscheid zum Kommissar: Noch nie die Polizei benachrichtigt.

Umso zynischer ist es, dass Lobscheid mit Blick auf die Pascha-Pleite nun vor den Gefahren warnt, denen die Prostituierten jetzt ausgesetzt seien. „Bulgarische Zuhälter nehmen ihren Prostituierten jetzt das ganze Geld ab“, klagt Lobscheid. Ach, tatsächlich? Und wir dachten immer, Prostituierte arbeiteten freiwillig und selbstbestimmt… Aber nein: „Weil die Nachfrage weiter vorhanden ist, treffen die Frauen sich nun in Hotels, Wohnungen, Autos und Wohnmobilen mit den Männern. Sie genießen nun keinen Schutz mehr, sind ihren Zuhältern und auch Freiern hilflos ausgesetzt.“ Nein, wirklich? Und wir dachten, dass das auch schon vor Corona genauso war...

Und jetzt im Ernst: Das System Prostitution ist menschenverachtend. Es verstößt gegen die Menschenwürde, wenn Männer nur einen Geldschein hinlegen müssen, um den Körper und die Seele einer Frau benutzen zu dürfen. Zumal 90 Prozent dieser Frauen aus den Armenhäusern Europas stammen.       

Ist die Pascha-Pleite der Beginn des Bordellsterbens? Das wäre tatsächlich eine gute Nachricht. Die noch bessere Nachricht wäre, wenn der Staat es nicht Corona überlassen würde, diesem System ein Ende zu setzen - wie es andere europäische Ländern schon getan haben, sondern die Freierbestrafung einführen würde. Denn die schaffen mit ihrer Nachfrage überhaupt erst den Markt. Und eine sehr gute Nachricht wäre es, wenn der Staat den vielen bitterarmen Rumäninnen und Bulgarinnen eine echte Alternative zur Prostitution anbieten würde.

 

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