Amnesty pro Frauenhändler!

Gloria Steinem, Lena Dunham und Meryl Streep gegen Prostitution.
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"Wir sind tief beunruhigt über Amnestys Vorschlag für eine Politik, die dazu aufruft, Zuhälter, Bordellbetreiber und Freier zu entkriminalisieren – also die Säulen der 99 Milliarden Dollar schweren globalen Sexindustrie!“ heißt es in einem Offenen Brief an Amnesty, den die „Coalition Against Trafficking In Women“ (CATW) initiiert hat, und der von über 400 Personen und Institutionen unterzeichnet wurde (darunter auch EMMA & Alice).

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Der Appell ist ein Alarmruf, denn Amnesty will anlässlich ihrer bevorstehenden internationalen Tagung in Dublin, vom 7. bis 11. August, beschließen, dass der Handel mit Frauen und das Profitieren Dritter von der Prostitution nicht strafbar sein sollte.

Die Verab-
schiedung der Resolution wäre ein fatales Signal

So steht in der zu verabschiedenden Resolution, die sich gegen die „Kriminalisierung“ von „Sexarbeiterinnen“ wendet, zum Beispiel: „Kriminalisierung bezieht sich auch auf (...) Gesetze, die die Aktivitäten verbieten, die mit der Sexarbeit verbunden sind, wie der Kauf sexueller Dienstleistungen oder die grundsätzliche Organisation der Sexarbeit.“ Und weiter: „Gesetze, die den Sexkauf oder die organisatorischen Aspekte der Sexarbeit kriminalisieren – so wie das Führen eines Bordells oder Kundenwerbung – zwingt Sexarbeiterinnen oft dazu, unter Bedingungen zu arbeiten, die ihre Sicherheit beeinträchtigen.“ Die „Sexarbeit“ ist für Amnesty „eine vertragliche Vereinbarung, in der sexuelle Dienstleistungen einvernehmlich zwischen Erwachsenen gehandelt werden“. Das alles klingt, wie von der Pro-Prostitutionlobby in den Block diktiert.

Die Verabschiedung dieser Resolution wäre ein fatales moralisches Signal. Mehr noch: Sie hätte auch katastrophale konkrete Folgen. Denn für das Selbstverständnis der international agierenden Menschenrechtsorganisation hieße das, dass Frauen (und Männer) in der Prostitution nicht auf ihre Hilfe zählen könnten.

Das Problem ist nicht neu. Bereits 2014 hatten die Verantwortlichen von ai pro Prostitution Stellung bezogen. Auch damals schon schrieb die Londoner Zentrale in einem Positionspapier: „Amnesty International wendet sich gegen die Kriminalisierung oder Bestrafung von Aktivitäten, die mit dem Kauf oder Verkauf von einvernehmlichem Sex zusammenhängen.“ Einvernehmlich? Und weiter: Die Gesetze, die sich gegen die „Sexarbeit“ richten, seien geprägt von „Konfusion, Ambivalenz und der Angst vor Sex, Begehren und der sexuellen Autonomie von Frauen“. Angst vor Sex?

Die Organisation pfeift schon länger auf Frauenrechte

Der internationale Protest von Frauenorganisationen war schon damals stark. Aber offensichtlich nicht stark genug. Jetzt machen die Kumpel der Zuhälter und Bordellbetreiber einen neuen Anlauf, um die Weichen der Politik der international bedeutendsten Menschenrechtsorganisation pro Prostitutionsindustrie zu stellen. Die in den 1960er Jahren gegründete Organisation engagierte sich zunächst speziell für "politische Gefangene" . Sie ist traditionell links, aber weit über dieses poltische Spektrum hinaus anerkannt.

Dass Amnesty auf Frauenrechte pfeift und schon lange eher eine Männerrechtsorganisation ist als eine Menschenrechtsorganisation, ist leider nicht neu. Es hat Jahre, ja Jahrzehnte gedauert, bis ai weltweit auch die so genannte „private Gewalt“ als politisch anerkannte; das heißt, bereit war, auch diesen Opfern zur Seite zu stehen. Als Opfer „privater Gewalt“ galten lange z.B. die zwangsverschleierten, entrechteten und gesteinigten Frauen in islamistisch beherrschten Ländern. 2003 hatte die neugewählte Präsidentin von ai, Irene Khan, eine Wende in diesem Denken erreicht. Kurzfristig. Die engagierte Feministin konnte sich jedoch nur sechs Jahre an der Spitze von Amnesty halten. Sie wurde 2009 weggemobbt.

Jetzt also ein erneuter Vorstoß der Freunde der Prostitution bei ai. Nicht nur Taina Bien-Aimé, die Vorsitzende der Koalition gegen Frauenhandel, ist fassungslos über diese Art von "Menschenrechtspolitik" - die wohl eher eine Männerrechtspolitik ist. Zu der geplanten Resolution  von Amnesty in Dublin erklärte sie: „Eine solche Abstimmung, die dazu aufruft, die Zuhälterei zu legalisieren, fördert die Geschlechter-Apartheid. Eine Gesellschaft, in der nur eine Minderheit von Frauen geschützt ist vor Sexualgewalt, Diskriminierung und sexueller Belästigung - während die Mehrheit allein gelassen wird, damit Männer sie konsumieren und Zuhälter an ihr verdienen können."

Das ist wohl eher Männer- statt Menschen-
rechtspolitik.

So sehen das auch die ErstunterzeichnerInnen des Appells. In den anglo-amerikanischen Ländern wie Amerika ist die Anti-Prostitutionsfront breit, da sind neben Streep und Dunham selbstverständlich auch Hollywood-Stars wie Kate Winslet, Emily Blunt oder Emma Thompson dabei, sowie Kevin Kline oder Jonathan Demme. Auch in Deutschland folgten nicht nur Feministinnen im November 2013 dem EMMA-Appell gegen Prostitution, sondern auch zahlreiche Stars und Personen des öffentlichen Lebens.

Auch sie können jetzt den Appell an ai unterzeichnen – damit die wichtigste Menschenrechtsorganisation der Welt nicht zur Männer(un)rechtsorganisation wird und noch stärker abrutscht in die Hände der Täter.

Den Offenen Brief an Amnesty International unterzeichnen

 

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Skandal: Amnesty und die Fundis

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Sie war die Erste. Aber sie ist nicht die Einzige geblieben. Was Gita Sahgal im Februar 2010 mit ihrem Protest gegen amnesty international losgetreten hat, ist nichts weniger als ein Grundsatzstreit über die Frage: Wie halten es die Menschenrechts-Organisationen mit den Frauenrechten?

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Es war am 7. Februar 2010, als die Sunday Times einen aufsehenerregenden Artikel druckte: Darin erhob Gita Sahgal, Leiterin der „Gender Unit“ von amnesty international, schwere Vorwürfe gegen ihre eigene Organisation.

Die hatte als Aushängeschild ihrer Kampagne für die Schließung von Guantanamo den Ex-Häftling Moazzam Begg ausgewählt. Der in England aufgewachsene Pakistaner hatte sich in Al Quaida-Traingscamps ausbilden lassen, die Taliban hatte er als „das Beste“ bezeichnet, „was Afghanistan in den letzten 20 Jahren passiert ist“. Jetzt sitzt Begg als Sprecher seiner Organisation „Cageprisoners“ im Rahmen der ai-Kampagne auf den Podien der Welt.

Monatelang hatte die studierte Orientalistin Sahgal, die in Indien gegen Häusliche Gewalt gekämpft und in London Dokumentarfilme über Zwangsheirat gemacht hatte, in ihrer Organisation gegen den Islamisten als Protagonisten mobil gemacht. Ohne Erfolg.

Schließlich machte sie den Skandal öffentlich. „Mit Englands größtem Unterstützer der Taliban gemeinsam auf der Bühne zu stehen, ist ein großer Fehler“, schrieb sie. „Es war richtig, sich seine Erfahrungen als ehemaliger Häftling anzuhören. Aber es ist absolut falsch, ihn als Partner zu präsentieren.“ Das schade der Integrität von amnesty und, noch mehr: „Es schadet den Menschenrechten.“ Gita Sahgal wurde gefeuert. Begründung: „unüberbrückbare Differenzen“.

Es scheint, als würde die 1961 gegründete Organisation von ihrer eigenen Geschichte eingeholt. Rund 40 Jahre galten bei ai nur jene als „politisch Verfolgte“, die von Staats wegen verhaftet, gefoltert und hingerichtet wurden. Erst Irene Khan, die 2003 als erste Frau ai-Generalsekretärin wurde, rückte die „private“ Gewalt gegen Frauen in den Fokus. „Wo bleibt der politische Wille, der Gewalt gegen Frauen Einhalt zu gebieten?“, fragte die Muslimin und Tochter einer mit 15 zwangsverheirateten Mutter. Und postulierte: „Gewalt gegen Frauen ist niemals entschuldbar.“ Unter ihrer Ägide startete amnesty die „Stop Violence Against Women“-Kampagne. Leiterin: Gita Sahgal.

Ende 2009 verließ Khan die Organisation. Ihr Nachfolger Salil Shetty findet offenbar, dass Frauenhass doch entschuldbar ist. „Wir können nicht zu sortieren beginnen, welche politischen Häftlinge wir unterstützen und welche nicht“, erklärte er.

Der Fall Begg ist nicht der einzige: Wie der Guardian berichtet, sind drei Gründungsmitglieder von ai-Algerien von ihren Posten entbunden worden, weil sie ebenfalls darüber geklagt hatten, dass die Menschenrechts-Organisation die Menschenrechtsverletzungen durch Islamisten nicht ernst nehme. „Bei amnesty gibt es eine Opfer-Hierarchie: Fundamentalisten sind als staatlich Verfolgte privilegierte Opfer, während deren Opfer, überwiegend Frauen, in den ai-Berichten überhaupt nicht auftauchen“, kritisiert die algerische Feministin Marieme Helie Lucas.

In den USA kämpft gerade eine weitere Algerierin den gleichen Kampf: Karima Bennoune, Rechtsprofessorin und Mitglied im Kuratorium des Centre for Constitutional Rights (CCR), kann es nicht fassen, dass ihre Organisation die kostenlose Rechtsvertretung für Anwar al-Awlaki übernommen hat, den Islamisten, der zum Mord an Salman Rushdie und Molly Norris aufgerufen hat.

Die Cartoonistin aus Seattle hatte, aus Solidarität mit den von Islamisten bedrohten Machern der TV-Serie „Southpark“, zu einem „Everybody Draw Mohammed Day“ aufgerufen. Auf Anraten des FBI lebt sie jetzt im Untergrund. amnesty international, CCR und andere Menschenrechts-Organisationen müssen sich fragen lassen, ob die universellen Menschenrechte bei ihnen tatsächlich für alle Menschen gelten.
 

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