Fall Kentler: Netzwerk aufgedeckt

Er ebnete den Weg für pädophile Männer und war selbst ein Päderast: Helmut Kentler 1971 Foto: Ullstein
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Perfider geht es eigentlich kaum: Drei Jahrzehnte lang, von 1973 bis 2003, wurden Kinder und Jugendliche bewusst an vorbestrafte pädophile Pflegeväter vermittelt – vom Berliner Jugendamt. Initiator: Helmut Kentler – der damals als „mutiger Kämpfer gegen die spießige Sexualmoral der 50er Jahre“ galt.

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Der „Pädagogik-Papst“ sah eine "Win-Win-Situation" darin, pädophilen Männern Jugendliche als Pflegekinder anzuvertrauen, die - etwa weil sie von zu Hause ausgerissen waren oder von ihren Eltern Gewalt erfahren hatten - als besonders schwierige Fälle galten. Die Kinder waren weg von der Straße, die pädophilen Männer nicht mehr auffällig - weil sie Kinder in den eigenen vier Wänden missbrauchten. Dieses sogenannte „Kentler-Experiment“ steht für eines der drastischsten Beispiele von Behördenversagen in der deutschen Nachkriegsgeschichte und für massenhaften Kindesmissbrauch in der pseudoliberalen Sexualmoral der 68er.

Mit coronabedingter Verspätung wurde in Berlin nun der Abschlussbericht zum „Fall Kentler“ vorgestellt. Die Studie wurde von der Berliner Senatorin Sandra Scheeres (SPD) initiiert und von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gefördert. Schon 2016 forschten WissenschaftlerInnen des Göttinger Instituts für Demokratieforschung zum Fall Kentler.

Den Göttinger WissenschaftlerInnen wurden damals viele Steine in den Weg gelegt. Viele Fragen blieben ungeklärt, sie stellten schließlich die Forderung an den Berliner Senat, den Fall Kentler gänzlich aufzuarbeiten. Dazu war der Senat dann auch bereit, suchte sich aber lieber ein "günstigeres" Forscherteam, das schneller arbeiten sollte und wurde in Hildesheim fündig. Die Hildesheimer ForscherInnen sind also abermals der Frage nachgegangen, wie es dazu kommen konnte, dass der (West-)Berliner Senat Pflegekinder in die Obhut von vorbestraften pädokriminellen Männern geben konnte.

Pädophile Positionen wurden akzeptiert, gestützt und verteidigt

In der aktuellen Studie heißt es: „Es ist ein Netzwerk quer durch die wissenschaftlichen pädagogischen Einrichtungen insbesondere der 1960er und 1970er Jahre und die Senatsverwaltung (dem Landesjugendamt) bis hinein in einzelne Berliner Bezirksjugendämter, in dem pädophile Positionen akzeptiert, gestützt und verteidigt wurden." Warnsignale wurden nicht beachtet, Akten verändert, Briefe der Opfer ignoriert, in denen sie von Übergriffen berichteten. Kein Mitarbeiter der involvierten Jugendämter wurde bislang zur Verantwortung gezogen. Einige machten sogar Karriere, übernahmen die Leitung von Jugendämtern, obwohl ihre Arbeit am Beispiel der Kinder „schwere fachliche Mängel und Fehler“ aufwiesen.

Explizit genannt werden in dem Bericht das Pädagogische Zentrum Berlin, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, die Freie Universität und das Pädagogische Seminar Göttingen. Außerdem lassen sich Verbindungen nachweisen zwischen dem Pädagogischen Zentrum und der Odenwaldschule in Hessen, die nach Bekanntwerden des dortigen Missbrauchsskandals schließen musste.

„Die bisherigen Hinweise verdichten sich, dass es sich bei diesen Pflegestellen um alleinlebende, mitunter mächtige Männer aus Wissenschaft, Forschungseinrichtungen und anderen pädagogischen Kontexten gehandelt hat, die pädophile Positionen auch gelebt haben.“ Mitarbeiter der Jugendämter und der Senatsverwaltung seien Teil dieses Netzwerks gewesen, hätten so den Pädophilen Zugang zu jungen Männern und Kindern verschafft, schreiben die AutorInnen in ihrem Abschlussbericht. Auch Bezirksämter ließen die Briefe der Opfer, die von Übergriffen und kinderpornografischem Material berichteten, unbeanwortet.

Mächtige Männer aus der Wissenschaft und Politik waren Täter

Unklar ist noch immer, wie viele Täter und Opfer es gibt. Im Rahmen der Studie haben sich insgesamt drei Betroffene den ForscherInnen anvertraut. Nach ihren Aussagen hatte der Pflegevater Fritz H. mindestens zehn Kinder in seiner Obhut - darunter ein mehrfach schwerbehindertes Kind, das in seiner Obhut gestorben ist. Strafrechtlich kann der Fall nicht mehr verfolgt werden, da er verjährt und Kentler seit 2008 tot ist. Das hat dazu geführt, dass die Betroffenen bis heute keine Entschädigungen erhalten haben. Das soll sich nun ändern, Senatorin Scheeres versprach finanzielle Hilfen (ein Schritt, der übrigens auch schon 2016 hätte gemacht werden können).

Die Forschungen aus Hildesheim sollen den Fall Kentler nun abschließen, sind aber bei Weitem nicht neu. Schon 2017 hatte sich das „Göttinger Institut für Demokratieforschung“ um den Politologen Franz Walter der Sache angenommen. Die Göttinger ForscherInnen hatten bereits 2013 die Verstrickung der Grünen und des Kinderschutzbundes in pädosexuelle Netzwerke und ihre Rolle bei der Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs untersucht – und dabei viele unangenehme Wahrheiten zutage befördert. Und EMMA hatte schon in den Jahren von 1993 bis 1997 mehrfach ausführlich über Helmut Kentler geschrieben und seine Rolle in dem pädokriminellen Netzwerk benannt. Aber niemand wollte es so genau wissen.

In aller Offenheit pries Kentler den sexuellen Missbrauch als besonders fortschrittliche Pädagogik. Aufgegriffen und befürwortet von den Grünen, die ihre eigene Geschichte zum Thema Kindesmissbrauch haben, und gefeiert in der sexuellen Selbstbedienungsmoral der männlichen 68er Generation. Scheinheilig erklärte Kentler die Kinder zu „Gleichen“ – was den Missbrauch rechtfertigten sollte – und verkaufte diese Leugnung der Machtverhältnisse als moderne Pädagogik.

Kentler war sogar in rund 30 Gerichtsverfahren, in denen es um sexuellen Missbrauch ging, als Gutachter eingesetzt. Im Rückblick erklärte er der taz: „Ich bin sehr stolz darauf, dass bisher alle Fälle, in denen ich tätig geworden bin, mit Einstellungen der Verfahren oder sogar Freisprüchen für die Eltern beendet worden sind.“ Die Göttinger Forscherin Teresa Nentwig fand zudem heraus, dass der homosexuelle Kentler sich auch selbst zu Jungen "hingezogen fühlte" und sie "bearbeitete". Übrigens ein Umstand, der in der aktuellen Berichterstattung keine Rolle spielt.

Scheinheilig erklärte Kentler die Kinder zu „Gleichen“, um den Sex rechtzufertigen

Ab 1993 entlarvt EMMA minutiös die Netzwerke aus Pädagogen, Juristen, Politikern, Gutachtern und Pädokriminellen, die unter dem Schlagwort „Missbrauch des Missbrauchs“ zurückschlagen. Selbst der Vorsitzende des Kinderschutzbundes ist mit von der Partie. Es ist die Reaktion darauf, dass Feministinnen das Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen problematisiert und sexuelle Kontakte zwischen ihnen als das bezeichnet hatten, was sie sind: ein Verbrechen. Wie konnte all das passieren? 30 Jahre lang? Es passiert noch immer. Münster und Lügde sind die jüngste Beispiele für das Versagen der Behörden. Die pro-pädophile Ideologie von damals wirkt bis heute nach, ja ist in der grenzenlos verbreiteten Kinder-Pornografie allgegenwärtig.

Die ForscherInnen der Studie fordern die Jugend- und Familienministerkonferenz deshalb dazu auf, eine Aufarbeitung der Kindeswohlgefährdung und der sexualisierten Gewalt im Pflegekindwesen und bei der Heimerziehung zu beginnen. Nun muss endlich ein anderer Geist bei dem Verbrechen Kindesmissbrauch wehen – der der Aufklärung und der einer harten Justiz.

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Die Karriere des Helmut Kentler

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Er galt als Star der Sexualpädagogik, als mutiger Kämpfer gegen die spießige Sexualmoral der 1950er Jahre. Besonders bejubelt wurde er von den 68er-Revolutionären als Befreier der kindlichen Sexualität. Der linke Pädagogik-Papst verkehrte jedoch auch in wichtigen Kreisen, zum Beispiel beim Berliner Innensenator, dessen polizeipsychologischer Berater er war, und er referierte an evangelischen Akademien. Mitte der 1970er wurde er Professor an der Technischen Universität Hannover, ein paar Jahre später auch Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung“. Und: Er war ein gefragter Gerichtsgutachter. Der respektable Professor Helmut Kentler machte bis zu seinem Tod im Jahr 2008 eine glänzende Karriere.

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Und erst jetzt wird die Frage gestellt: Wie konnte das passieren?

Denn der Reformpädagoge mit der hervorragenden Reputation war ein begeisterter Befürworter ausgeübter Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern. Und das keineswegs klammheimlich. In aller Offenheit pries Kentler den sexuellen Missbrauch als besonders fortschrittliche Pädagogik.
  
„Ich habe in der überwiegenden Mehrheit die Erfahrung gemacht, dass sich päderastische Verhältnisse sehr positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Jungen auswirken können, vor allem dann, wenn der Päderast ein regelrechter Mentor des Jungen ist“, schrieb der offen homosexuelle Kentler. Dieser Satz stand in einem Bericht über ein Projekt, das er 1969 in Berlin ins Leben gerufen hatte. Denn der Psychologe schrieb nicht nur, er handelte auch.

Kentler, damals Abteilungsdirektor im Pädagogischen Zentrum, hatte dem Berliner Jugendamt empfohlen, jugendliche Trebegänger und Stricher vom Bahnhof Zoo bei Pädosexuellen unterzubringen. Die drei von Kentler ausgesuchten „Leihväter“ waren Hausmeister und hatten sich im Gefängnis kennengelernt, wo sie wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger eingesessen hatten.

Welche Gegenleistung die vorbestraften Täter von den Jungen erwarteten, wusste Kentler nur zu gut. „Mir war klar, dass die drei Männer vor allem darum so viel für ‚ihren Jungen‘ taten, weil sie mit ihm ein sexuelles Verhältnis hatten.“ Eines der Hauptmotive der Pädophilen sei, so Kentler, dass sie „Kinder froh und glücklich machen wollen“.

Heute, vier Jahrzehnte später, ist die Empörung über das skandalöse „Experiment“ groß. Denn jetzt hat sich das „Göttinger Institut für Demokratieforschung“ um den Politologen Franz Walter der Sache angenommen. Die Göttinger ForscherInnen hatten bereits 2013 die Verstrickung der Grünen und des Kinderschutzbundes in pädosexuelle Netzwerke und ihre Rolle bei der Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs untersucht – und dabei viele unangenehme Wahrheiten zutage befördert.

Bei der Aufarbeitung des Pro-Pädo-Netzwerkes von Pädagogen, Politikern und Pädo-Aktivisten hatten die Göttinger Helmut Kentler „als Schlüsselfigur identifiziert“, erläutert Teresa Nentwig. Was die Politikwissenschaftlerin, die Anfang 2016 von der Senatsverwaltung mit der Aufarbeitung der Causa Kentler beauftragt wurde, in ihrem 176 Seiten starken Bericht zutage förderte, ist erschütternd, aber nicht neu. Und genau das ist das Skandalöse: Fast alles, worüber nun alle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, war schon damals bekannt. EMMA hat in den Jahren von 1993 bis 1997 mehrfach ausführlich darüber berichtet und auch die Rolle von Helmut Kentler genau benannt. Aber niemand wollte es so genau wissen. Und als Nentwig jetzt nachfragte, wollten sich die meisten auch nicht mehr so genau erinnern.  

Denn sie alle hatten mitgemacht bei dem Unwesen, das die pseudo-fortschrittlichen Pädagogen trieben. Scheinheilig erklärten sie Kinder zu „Gleichen“ – was den Sex mit ihnen rechtfertigte – und verkauften das als moderne Pädagogik. Dass Kinder keineswegs gleich, sondern von Erwachsenen abhängig sind, vertuschten sie. Sie leugneten schlichtweg die traumatischen Folgen, die der Missbrauch von Kindern hat. Der Hohepriester dieser Pro-Päderasten-Propaganda war Helmut Kentler.

Der hatte schon 1974 in seinem Vorwort zu dem fragwürdigen Aufklärungsbuch „Zeig mal!“ behauptet: „Werden solche Beziehungen von der Umwelt nicht diskriminiert, dann sind umso eher positive Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung zu erwarten, je mehr sich der Ältere für den Jüngeren verantwortlich fühlt.“

Gegen das Buch, in dem kleine Jungen neben nackten Männern masturbieren und kleine Mädchen dem Betrachter ihre Vulva entgegenstrecken, wurden inzwischen mehrere Indizierungsanträge gestellt. In den Siebzigern erschien es im evangelischen „Jugenddienst-Verlag“ und wurde von Pro Familia empfohlen.

In diesem Klima konnte Helmut Kentler auch frank und frei über sein Berliner Päderasten-„Experiment“ plaudern. Freilich erst Anfang der 1980er, nachdem „die Straftaten, die alle Beteiligten dabei begangen hatten, verjährt waren“. Nun wollte Kentler dazu beitragen, dass das, was die verurteilten Täter ihren Pflegesöhnen angetan hatten, nicht länger unter Strafe stand. Darin war er sich einig mit Teilen der Grünen, die die Abschaffung des Missbrauchs-Paragrafen 174 ebenso ernsthaft debattierten wie die FDP. Und so durfte der Pädagogik-Professor 1981 in einer Anhörung der FDP-Fraktion über sein Berliner Projekt referieren. „Diese Leute“, erklärte er, „haben diese schwachsinnigen Jungen nur deswegen ausgehalten, weil sie eben in sie verliebt, verknallt und vernarrt waren.“ Fazit des Pädagogen: Das Projekt sei „ein voller Erfolg“ gewesen.

Die Reputation des Pädagogik-Professors blieb ungebrochen. 1988 gibt die damalige Berliner Bildungssenatorin Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) gar ein Gutachten bei Kentler in Auftrag. Gerade hatte das Jugendamt begonnen, HIV-positive Jungen in die Obhut von Männerpaaren zu geben. Ausgerechnet Kentler soll nun beurteilen, ob Homosexuelle als Pflegeeltern geeignet sind. Auch in diesem Gutachten berichtet der progressive Pädagogik-Papst über sein Päderasten-Projekt.

Der Aufschrei bleibt aus. Kentler macht weiter. In rund 30 Gerichtsverfahren, in denen es um sexuellen Missbrauch geht, wird er als Gutachter eingesetzt. Im Rückblick erklärte er in der taz: „Ich bin sehr stolz darauf, dass bisher alle Fälle, in denen ich tätig geworden bin, mit Einstellungen der Verfahren oder sogar Freisprüchen für die Eltern beendet worden sind.“

Wie kann es sein, dass Gerichte ausgerechnet einen Mann, der aus seiner Pro-Päderasten-Haltung nie einen Hehl gemacht hatte, als Sachverständigen einsetzten?

Ab 1993 entlarvt EMMA minutiös die Netzwerke aus Pädagogen, Juristen, Gutachtern und Pädophilen, die unter dem Schlagwort „Missbrauch des Missbrauchs“ zurückschlagen. Selbst der Vorsitzende des Kinderschutzbundes ist mit von der Partie. Es ist die Reaktion darauf, dass Feministinnen das Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen problematisiert und sexuelle Kontakte zwischen ihnen als das bezeichnet hatten, was sie sind: ein Verbrechen.

Einer der EMMA-Artikel immerhin hatte Folgen für Kentler. Als der Pädagoge, der in der linken Szene bis heute als Guru der sexuellen Befreiung gilt, am 14. Mai 1997 den von der SPD gestifteten Magnus-Hirschfeld-Emanzipationspreis bekommen soll, stoppt die Jury eine Viertelstunde vor Beginn der Preisverleihung die Zeremonie. Der Preis an Kentler wird zurückgezogen.

Grund für den Sinneswandel ist der EMMA-Artikel „Die Schreibtischtäter“. Darin schreibt die Zartbitter-Gründerin Ursula Enders über den „Hannoveraner Hochschulleher Prof. Dr. Helmut Kentler, der behauptet, päderastische Verhältnisse könnten sich sehr positiv auf Jungen auswirken“. Und sie berichtet auch über Kentlers Berliner Projekt. Es hätten also alle wissen können. Aber offenbar ist erst jetzt die Zeit gekommen, auch den einstigen Star der Sexualpädagogik vom Thron zu stoßen.

Zur selben Zeit, als das Berliner Experiment lief, vermittelte übrigens ein Fachleiter der Behörde ebenfalls verstörte und verhaltensauffällige Jungen an einen anderen notorischen Päderasten: an Gerold Becker, den Leiter der Odenwaldschule. Martin Bonhoeffer, den Becker aus Göttinger Studienzeiten kannte, schickte ihm die Jungen aus Berlin nach Ober-Hambach, wo der sie reihenweise missbrauchte. Forscherin Nentwig geht davon aus, dass diejenigen, die das Kentler-Projekt genehmigten und diejenigen, die Becker seine Opfer zuführten, zumindest unter einem Dach saßen. „Es ging ja immer um Berliner Kinder, die in Heimen untergebracht waren oder von der Straße geholt werden sollten. Es muss also letztlich die gleiche Zuständigkeits-Ebene gewesen sein.“

Und noch eine Frage stellt sich: Bediente Kentler nur sein pädosexuelles Netzwerk mit Jungen – oder bediente er sich auch selbst? Was die Göttinger Forscherin herausfand, spricht dafür, dass Kentler nicht nur „Schreibtischtäter“ war. „Helmut Kentler hatte immer mindestens einen Pflegesohn bei sich“, sagt Teresa Nentwig. Drei von ihnen hatte er adoptiert. In einem 1995 erschienenen Aufsatz schildert Kentler den Umgang mit den von ihm betreuten Jungen: „Um die Sexualfunktion zu fördern, habe ich ein Körperempfindungstraining entwickelt, das ich als Massage bezeichne und das im Zentrum eines ganzen Arrangements von Behandlungen steht“, schreibt der Pädagoge. Und weiter: „Ich kann jetzt hier nicht schildern, wie ich mit dem Jungen gearbeitet habe.“

Da stellt sich die Frage: Wie viele Kentlers treiben eigentlich noch als Gutachter ihr Unwesen an den Gerichten? Die Göttinger Untersuchung hat darauf keine Antwort. Zu hoffen, dass die Wahrheit nicht wieder 40 Jahre braucht. Dann ist es für die Opfer zu spät.

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