In der aktuellen EMMA

Welche Rolle spielen EU & NGOs?

© Tobias Steinmaurer/ APA-Images
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Faika, du hast im Oktober 2025 das „Athena-Forum“ gegründet. Was ist das?
Dazu muss ich die Vorgeschichte erzählen. Ich war zehn Jahre lang als Politikerin bei den Grünen, von 2015 bis 2019 im Wiener Landtag und ab 2019 im Nationalrat. 2022 habe ich mich dann öffentlich geäußert in der Debatte um Geschlechtsidentität und zum Trans-Thema. Ich habe es zuerst intern versucht, habe aber gesehen: Der Zug ist eigentlich abgefahren. Es ist nicht mehr aufzuhalten, dass die Partei eine Position pro Selbstbestimmungsgesetze einnimmt. Ich habe dann in einem großen Interview im Falter gesagt: Es braucht natürlich Schutz vor Diskriminierung für transidentifizierte Personen, aber wir müssen auch unterscheiden können zwischen biologischen Frauen und Transfrauen, alo transidentifizierten Männern. Und wir müssen auch darüber sprechen können, dass transidentifizierte Kinder und Jugendliche zu einem Gutteil eigentlich schwul oder lesbisch sind. 

Und was ist dann passiert?
Meine Textbeiträge wurden aus Büchern entfernt, obwohl sie mit dem Thema Trans gar nichts zu hatten, sondern zum Beispiel mit Rassismus. Initia­tiven, in denen ich aktiv war, haben sich öffentlich von mir distanziert. Ich wurde von einer europä­ischen Lesben-Konferenz ausgeladen, die ich selbst mitgegründet hatte. Schließlich gab es einen Offenen Brief gegen mich, der auch von Kolleginnen aus meiner Partei unterzeichnet wurde. Der Vorwurf lautete: Ich würde mich mit Rechten gemein machen und eine rechte Rhetorik bedienen. Das inhaltliche Gespräch hat aber niemand mit mir gesucht.

Schließlich bist du dann bei den Grünen ausgetreten. 
Ja. Und dann habe ich überlegt: Wie geht es jetzt weiter – für mich persönlich, aber auch: Was ist zu tun? 

Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?
Ich erkläre das an einem Beispiel. Im September 2024 hat das österreichische Parlament die Änderung des Bundesgleichstellungsgesetzes verabschiedet. Das Gesetz hieß bis dato: „Gesetz für die Gleichstellung und Gleichbehandlung von Frauen und Männern“. Das wurde nun geändert in „Gleichstellung aufgrund des Geschlechts“. Und „Geschlecht“ meint: „Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, Geschlechterrollen“. 

Also ein völlig schwammiger Begriff, der nichts aussagt und Frauen gar nicht mehr erwähnt.
Genau. Wir haben also diese Ideologie in ein Gesetz geschrieben, aber niemand hat begriffen, was das bedeutet.

Auch nicht die konservative ÖVP, die ebenfalls für das Gesetz gestimmt hat?
Nein. Dabei müssten bei allen die Alarmglocken läuten, wenn diese Begriffe auftauchen. Aber: Ganz häufig wird bei so etwas behauptet, das müsse so sein, weil es auf der europäischen Ebene so festgeschrieben sei. Ich fand es also wichtig, den Blick nach Brüssel zu richten und zu schauen: Was passiert dort eigentlich? Welche Standards werden auf EU-Ebene gesetzt, ohne dass es dazu eine öffentliche Debatte gibt? Ich würde sagen, die meisten Europa-Abgeordneten verstehen selbst gar nicht, was da passiert. Und dann sind wir Mitte Oktober mit dem Athena Forum gestartet.

Wer arbeitet beim „Athena Forum“ mit?
Ich habe nach Personen gesucht, die eine Expertise in diesem Bereich haben und gleichzeitig in der Situation sind, dass sie mit ihrer Position öffentlich in Erscheinung treten können. Wir haben zum Beispiel eine Kriminologin aus Polen, eine Psychotherapeutin aus Österreich, eine Frauenrechts-Aktivistin aus Ungarn oder eine Bildungs-Expertin aus den Niederlanden. Wir sind dabei, das Netzwerk kontinuierlich zu erweitern.

Und was tut ihr, um aufzuklären?
Wir haben gerade einen ersten Bericht veröffentlicht. Darin sind wir der Frage nachgegangen: Was ist in den letzten 15 Jahren geschehen? Die Idee der transaktivistischen Seite ist ja, hier ein Mainstreaming zu schaffen, ähnlich dem Gender Mainstreaming, und diese Idee der „Geschlechtsidentität“ in jeden Bereich hineinzutragen und einzuschreiben. 

Was war das Resultat?
Ich war am Ende selbst schockiert davon, was das für eine Maschinerie ist, mit der wir da konfrontiert sind. Und wie tief sich das schon überall eingeschrieben hat. Weil hier quasi ausschließlich von der transaktivistischen Seite Lobbyarbeit betrieben wurde. Mittlerweile haben wir es mit fünf großen Lobbygruppen zu tun, also NGOs, die Dutzende Millionen Förderung jedes Jahr allein von der EU erhalten. Plus Geld von philantropischen Stiftungen, so dass diese NGOs in den letzten zehn Jahren an die 100 Millionen Euro zur Verfügung hatten. Und sie haben nicht nur diese enormen Ressourcen, sondern auch offene Türen bei den Institutionen. Sie sind diejenigen, die eingeladen werden, wenn es Runde Tische oder Experten-­Hearings gibt. Auf der anderen Seite sind die kritischen feministischen Stimmen kaum wahrnehmbar. 

Und das wollt ihr ändern.
Genau. Wir wollen einfordern, dass auch wir zu Experten-Konsultationen eingeladen werden. Und wir wollen beobachten, was hinter verschlossenen Türen alles passiert, denn das bekommt kaum jemand mit. 

Was wäre ein Beispiel dafür?
Wenige Tage nach unserem Start Anfang Oktober hat die Europäische Kommission mit der Gleichstellungs-Kommissarin Hadja Lahbib ihre sogenannte LGBTIQ+-Equality-Strategie präsentiert. In dieser Strategie steht, dass die EU in allen Ländern Selbstbestimmungsgesetze fördern möchte, und zwar ohne Altersbegrenzung. Daran sieht man, dass sich auch eine EU-Kommissarin den völlig entgrenzten transaktivistischen Forderungen verschrieben hat. Und das läuft normalerweise völlig unter dem Radar. Deshalb müssen wir es öffentlich machen. Das hat auch sehr gut funktioniert, es gab dazu sehr viele Medien-Berichte, denn ein Selbstbestimmungsgesetz ohne jede Altersbeschränkung finden dann die meisten doch skandalös. 

Was bedeutet die Strategie konkret?
Die Einführung von Selbstbestimmungsgesetzen soll gefördert werden durch den Austausch von „Best Practices“. Das heißt: Es wird viel Geld geben dafür, dass Personen aus Ländern, die schon länger Selbstbestimmungsgesetze haben – zum Beispiel Malta oder Irland – sich treffen mit Behördenvertretern, mit NGOs und Vertretern der Parteien aus anderen Ländern. Und sie werden behaupten: „Bei uns läuft alles wunderbar! Probleme mit unseren Selbstbestimmungsgesetzen gibt es überhaupt keine, Kritik kommt nur von Rechten und verwirrten Feministinnen.“

Was steht noch in der Strategie?
Zum Beispiel das Verbot von sogenannten „Konversionstherapien“ in der gesamten EU. Deutschland hat dieses Verbot ja schon. 

Deshalb wagen Therapeutinnen und Therapeuten kaum noch, den Transitionswunsch eines Kindes oder Jugendlichen zu hinterfragen.
Richtig. Und der dritte Punkt in der Strategie: die Ausweitung von Hassgesetzen. Hier soll die Kritik am Konzept „Geschlechtsidentität“ aufgenommen werden als „Hate Speech“. Dann wird die Verwendung „falscher“ Pronomen, das sogenannte „Misgendering“ oder das „Deadnaming“ zum Vergehen. In Dänemark stand kürzlich eine Psychologin vor Gericht, weil sie einen biologischen Mann einen Mann genannt hat. Die Strategie soll übrigens auch für Beitrittskandidaten gelten. Das führt dazu, dass in Albanien plötzlich ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet wird, in dem die Begriffe „Geschlechtsidentität“ und „Geschlechtsausdruck“ vorkommen. Uns geht es darum, das alles mitzubekommen, es einzuordnen und öffentlich zu machen.   

Das Interview führte Chantal Louis.

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