Facebook: Löschen oder nicht?

© Ornela Vorpsi
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Schauen Sie ruhig genau hin! Bei diesem Foto handelt es sich um die künstlerische Darstellung eines nackten Frauenkörpers. Das Wesentliche liegt im Schatten. Zuviel für Facebook! Als EMMA im Sommer 2013 den Titel zur „Königin der Lust“, der Klitoris, postete (re), wurde der von Facebook aus unserer Chronik entfernt und der EMMA-Account gesperrt. Dass dieser Frauenkörper verfremdet, ja kaum erkennbar war, spielte scheinbar keine Rolle. Und es war nicht das erste Mal: Als EMMA 2012 mit einer protestierenden Femen-Frau titelte, löschte Facebook auch diesen Titel aus der Chronik und sperrte den EMMA-Facebook-Account ebenso.

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Anders läuft das bei Facebook-Gruppen namens „Ex-Freundin Rache 18+“ oder „Geile Ärsche und Titten“. Sehen wir uns die Seite „Ex-Freundin Rache 18+“ mit über 5.000 „Gefällt mir“-Angaben mal genauer an. Die Macher schreiben: „Schickt uns die Fotos eurer Ex-Freundinnen und wir posten sie anonym.“ Ob das stimmt? 

Schickt uns Fotos eurer Ex-Freundinnen und wir posten sie

Auf den veröffentlichten amateurhaften Fotos und Videos, von denen niemand sagen kann, unter welchen Umständen sie tatsächlich entstanden und wie die Macher der Facebook-Seite sie bekommen haben, sind die meist noch sehr jungen Frauen nicht vollständig nackt zu sehen. Sie haben auf den Nahaufnahmen von ihrem Hintern, den die Facebook-Nutzer z.B. auf einer Skala von eins bis zehn bewerten sollen, einen String-Tanga an. Oder halten sich den Arm vor die Brustwarzen. Oder zwischen ihren gespreizten, nackten Beinen prangt ein schwarzer Balken.

Dazu lesen wir: „Sie versucht leise zu masturbieren. Wenn ihr sie laut hören wollt, klickt hier“. Oder: „Sie fingert sich grade live vor der Kamera“. Oder: "Sarah, die Schlampe, hat ihren Freund betrogen." Links in den Beiträgen führen unter anderem auf Porno- und Prostitutions-Webseiten.

Dass es sich hierbei um erniedrigende Fotos handelt, die zudem auch noch als so genannter Racheporno verbreitet werden, spielt für Facebook scheinbar auch keine Rolle. 

Wer bisher solche Seiten bei Facebook gemeldet hat - das kann die Autorin dieses Textes aus eigener Erfahrung bestätigen -, erhielt kurz darauf eine maschinell erstellte Nachricht mit folgendem Inhalt: „Wir haben die von dir gemeldete Seite geprüft und festgestellt, dass sie nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt.“ Eine Erklärung blieb Facebook schuldig. 

In diesen Tagen veröffentlichte das größte Soziale Online-Netzwerk mit 1,4 Milliarden NutzerInnen weltweit nun eine neue Version seiner so genannten „Gemeinschaftsstandards“. Facebook-Managerin Monika Bickert: „Wir ändern unsere Regeln nicht, sondern wollen den Nutzern nur mehr Klarheit darüber verschaffen, wo und warum wir Grenzen ziehen."  Ab jetzt kann laut Facebook die „vielfältige globale Gemeinschaft“ genauer nachlesen, „welche Inhalte auf Facebook geteilt werden können und welche unter Umständen gemeldet und entfernt werden müssen.“ 

Entfernt werden müssen zum Beispiel:

  • "Inhalte, die mit sexueller Gewalt und Ausbeutung drohen oder diese unterstützen“, dazu zählen „sämtliche sexuelle Inhalte, bei denen Minderjährige eine Rolle spielen, Erpressungen, bei denen es um das Teilen intimer Bilder geht, das Anbieten sexueller Dienstleistungen“; und die Veröffentlichung von Fotos aus „Rache oder ohne Zustimmung der abgebildeten Person“;
     
  • "Mobbing und Belästigung“, z.B. über „Seiten, die Privatpersonen zu erkennen geben und beschämen“;
     
  • „direkte Bedrohungen“, allerdings unter „Berücksichtigung der Glaubwürdigkeit“;
     
  • Hassbotschaften, u.a. wegen „Ethnizität, nationaler Herkunft, religiöser Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtlicher Identität und schwerer Behinderungen oder Krankheiten“;
     
  • „Fotos von Personen, auf denen Genitalien oder vollständig entblößte Pobacken zu sehen sind“; sowie „Bilder mit weiblichen Brüsten, wenn darauf Brustwarzen zu sehen sind“; allerdings: „Fotos von Frauen, die beim Stillen oder mit Vernarbungen aufgrund von Brustamputationen gezeigt werden, sind jedoch in jedem Fall erlaubt. Außerdem sind Fotos von Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstformen erlaubt, die nackte Figuren zeigen“;

Mit diesem Schritt zu mehr Transparenz reagiert Facebook auf die wiederkehrende Kritik aus seiner "globalen Gemeinschaft", die den Umgang mit ihren Inhalten oft schlicht nicht nachvollziehen konnte. 

Drohungen in Sozialen Online-Netzwerken nehmen kontinuierlich zu

In Amerika entstand im vergangenen Jahr sogar eine Protestbewegung mit dem Titel „Free the Nippel“, an der auch die Feministin und Girls-Macherin Lena Dunham, Sängerin Rihanna und Scout Willis, Tochter von Bruce Willis und Demi Moore, teilnahmen. Sie protestierten mit Oben-Ohne-Fotos und -Videos gegen die Doppelmoral in Sozialen Online-Netzwerken: Brüste werden zensiert und damit sexualisiert. Selbst dann, wenn es sich um eine politische Protestaktion wie die der Femen oder das Foto einer stillenden Mutter handelt. Sexismus und die Erniedrigungen von Frauen hingegen werden toleriert.

Was bei Facebooks Erklärmaßnahme sicher auch eine Rolle spielt: Hassreden, Stalking und Drohungen in Sozialen Online-Netzwerken nehmen kontinuierlich zu (mehr dazu in der aktuellen EMMA März/April 2015).

Bloß: Bisher sind Angaben über den Anlass zur Beschwerde über eine Facebook-Seite - so wie nun in den  Gemeinschaftsstandards beschrieben - überhaupt nicht möglich. Die Gründe, die Facebook zum Anklicken vorgibt, passen meistens nicht richtig. 

Was also bringt Facebooks Transparenz?

Vor dem Verfassen dieses Artikels hat die Autorin die Seite „Ex-Freundin Rache 18+“ nochmal bei Facebook gemeldet. Die Reaktion kam prompt: „Wir haben die von dir gemeldete Seite geprüft und festgestellt, dass sie nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt.“

Update, 18.3.
Die Autorin hat gerade eine Nachricht von Facebook erhalten: "Wir haben unsere Entscheidung betreffend deines Berichts zu Exfreundin Rache 18+ geändert. Diese Seite wurde entfernt". Grund: Sie verstößt doch gegen die Facebook-Gemeinschaftsstandards. Kurz davor hat sich auch eine LeserIn, die die Seite ebenso gemeldet hatte, an uns gewendet und mittgeteilt, dass Facebook die Seite entfernt hat. 

 

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Facebook sperrt EMMA

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Am vergangenen Sonntag protestierten Femen Deutschland vor dem Kölner Großbordell Pascha gegen Prostitution. Mit eindeutigen Botschaften. „Die Würde des Menschen ist unbezahlbar“, steht auf einem ihrer Plakate. Eine Aktivistin hat sich den Spruch „Stop Sex Slavery“ auf den Bauch gepinselt. Die Frauen tragen Blumenkränze im Haar und sind, wie üblich, oben ohne.

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Nachdem EMMA am Sonntag ein Foto der Aktion auf ihrer Facebook-Seite gepostet und EMMA-FreundInnen die Aktion kommentiert, geliked und geteilt hatten, war das Foto gestern Abend plötzlich verschwunden.

Über ein Info-Fenster erklärt Facebook seitdem bei dem Versuch, etwas in der EMMA-Chronik zu veröffentlichen: „Du hast vor Kurzem etwas gepostet, was gegen unsere Facebook-Richtlinien verstößt. Aus diesem Grund wurde diese Funktion vorübergehend für dich gesperrt. Um zu verhindern, dass du erneut gesperrt wirst, solltest du die Standards der Facebook-Gemeinschaft gelesen und verstanden haben.“ Sperrzeit: Drei Tage.

Bei Facebook stehen laut dieser „Standards“ Bilder auf der Abschussliste, die gegen die „Erklärung der Rechte und Pflichten von Facebook“ verstoßen. Dazu gehören: „Obszöne, pornografische oder sexuell explizite Fotos sowie Fotos, die Gewalt anschaulich darstellen.“ Facebook entfernt außerdem Inhalte, „die Individuen oder Personengruppen bedrohen, einschüchtern, belästigen, lächerlich machen oder ungewollte Aufmerksamkeit auf diese ziehen".

Schon vor einem Jahr hatten die Macher des Online-Netzwerks ähnlich reagiert: Damals postete EMMA den Titel der Winter-Ausgabe, auf dem ebenso eine Femen-Aktivistin zu sehen war. Und vor einer Wochen landete ein Pop-Art-Bild auf dem Index, auf dem zwei Hände ein Herz um einen behaarten Venushügel formen.

Obszön? Pornografisch? Sexuell explizit? Nein. Vielmehr stellt sich die Frage, warum Facebook bei solchen Bildern eingreift - wohingegen andere Facebook-Seiten pornografisierte und frauenverachtende Inhalte verbreiten, ohne dafür gerügt zu werden.

Die Antwort könnte sein: Bevor es zu einer Löschung kommt, muss ein Facebook-Nutzer den Verstoß gegen die Facebook-Gesetze erst mal melden. Wäre es vielleicht möglich, dass gar nicht nackte Brüste, sondern der Protest gegen Prostitution den Ärger einiger User erregt? Und weiter: Wenn ein Bild wie das der Femen-Aktion gemeldet wird – können die Facebook-Macher nicht zwischen Protest und Pornografie unterscheiden?

Das lernen wir also daraus: Frauen dürfen sich gerne nackt räkeln, so lange ihre Brustwarzen gerade noch bedeckt sind. Oder ihren Hintern in Großaufnahme in die Kamera strecken, so lange ein Leoparden-String im Spiel ist. Oder als Barbiepuppe nach vorne gebeugt ausharren, während fünf Männerpuppen für Sex mit ihr anstehen.

EMMA hätte Facebook gerne um eine Stellungnahme gebeten. Leider geizt das Unternehmen, das mittlerweile eine Milliarden Menschen vernetzt, vor allem damit: erreichbar zu sein.

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