Femen: Stoppt Femizide!

Femen-Protest vor dem Brandenburger Tor. - Foto: Daniel Eliasson
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Ihre Blumenkränze waren diesmal nicht bunt, sondern schwarz. Zuerst trug jede von ihnen einen „Leichensack“ durch die Straßen von Berlin. Auf die schwarzen Plastiksäcke hatten sie in weiß die Namen und den Todestag von Frauen geschrieben, die in diesem Jahr getötet worden waren – die meisten von ihren eigenen (Ex)Männern, andere von Fremden. 

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Als sie am Brandenburger Tor angekommen waren, legten sie die „Leichensäcke“ vor sich ab und begannen zu skandieren: „Jeden zweiten Tag ein Männer-Attentat!“ und „Stoppt das Töten von Frauen!“ Auch die Vorderseite ihrer nackten Oberkörper hatten die rund 50 Frauen mit den Namen ermordeter Frauen beschriftet. Auf ihren Rücken stand: „Stoppt Femizide!“ Und schließlich färbten sie die Inszenierung in Schwarz mit Sprühnebel blutrot.

Jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand ihres Mannes.

Mit ihrer spektakulären Aktion „Silence is Violence“ wollten die Femen „ein demonstratives Zeichen gegen Femizide setzen. Femizide sind die exzessivste, tödliche Form von männlicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen“. Jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch die Hand ihres eigenen (Ex)Mannes.

Dennoch, so Mit-Initiatorin Kristina Wolff, setze die Bundesregierung die Istanbul-Konvention nicht konsequent um. Die Architekturprofessorin hat auf change.org die Petition „Stoppt das Töten von Frauen" initiiert. „Männliche Gewalt ist strukturell bedingt und findet sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen: In der Jurisdiktion genauso wie in Songtexten, im digitalen Raum genauso wie in den heimischen vier Wänden“, heißt es dort. Deshalb fordert sie von Frauenministerin Giffey, das „geschlechtsbedingte Töten“ endlich als solches zu benennen und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mehr als 85.000 Menschen unterschrieben bisher.

Doch die Bundesregierung erkennt weder den Begriff „Femizid“ an, wie sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken erklärt. Noch erfasst sie statistisch das Tatmotiv „Frauenhass“ – analog zum Fremdenhass. „Die Tatmotivation (also die Frage, ob eine Frau getötet wird, weil sie eine Frau ist) wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst“, heißt es. Damit erfülle die deutsche Regierung die Istanbul-Konvention nicht, so die Femen und Kristina Wolff. 

Die Bundesregierung verfehlt den Kernauftrag der Verhütung der Gewalt.

Deutschland hat das „Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt“ 2017 ratifiziert. Die Istanbul-Konvention legt auch fest, wie viele Frauenhausplätze pro 100.000 EinwohnerInnen bereitgestellt werden müssen. Auch diese Vorgabe erfüllt Deutschland nicht. 

Vor allem aber ist laut der Gewaltschutz-Konvention die Prävention eine zentrale Aufgabe der Länder. „Aber die Bundesreigerung verfehlt den Kernauftrag der Verhütung von der Gewalt an Frauen komplett.“

Noch immer ist Deutschland weit davon entfernt, den Frauenhass als Politikum zu betrachten und ihn – analog zum Rassismus und Antisemitismus – in seine Gesetze aufzunehmen. Mehr dazu in der nächsten EMMA.

 

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Französinnen in der Offensive

Femen-Aktion auf dem Friedhof Montparnasse für die ermordeten Frauen. - Foto: Patrice Pierrot/dpa
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An einem verregneten Samstag Anfang Oktober ziehen 114 Frauen schweigend durch die nassen Straßen von Paris, bis zum Friedhof Montparnasse. Sie haben sich die nackten Oberkörper wie Leichen bemalt, Blumenkränze im Haar. Es ist ein symbolischer Todesmarsch. Sie ­setzen sich auf der Allee zwischen den Gräbern nieder. Jede der Frauen hält ein schwarzes Schild mit weißer Aufschrift vor sich, wie eine Grabtafel:

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Taïna, 20 Jahre, 3. Femizid
Michèle, 72 Jahre, 10. Femizid
Salomé, 21 Jahre, 100. Femizid

Es ist eine Aktion der Femen in Frankreich. Die 114 Aktivistinnen symbolisierten die 114 Todesopfer, genau die Zahl der Frauen, die in Frankreich seit Beginn dieses Jahres von ihren Männern bzw. Ex-Gefährten getötet wurden: erschlagen, erdrosselt, erschossen, erstochen, erstickt oder aus dem Fenster gestoßen. Dass man überhaupt weiß, wie viele es waren, ist einem Frauen-Kollektiv zu verdanken. Es führt genau Buch und wertet die Meldungen aus den vermischten Seiten der Regionalzeitungen aus. 114 Tote bis Anfang Oktober, das lässt vermuten, dass in diesem Jahr die Zahl der 121 ermordeten Frauen vom Vorjahr weit übertroffen wird. „Wir erleben ein regelrechtes Massaker“, sagt Sandrine Bouchait von der französischen „Vereinigung der Opferfamilien“, UNFF.

Frankreich hat die Problematik erkannt

Etwas ist in Bewegung geraten in Frankreich, ganz eindeutig. Denn die Zahl der Frauenmorde ist bei den Nachbarn nicht etwa höher als in Deutschland, nur: Das Thema wird nicht länger verschwiegen oder runtergespielt. Frauenmorde sind als gesellschaftspolitisches Problem erkannt worden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte schon bei Amtsantritt versprochen, die Gleichberechtigung zur „großen nationalen Angelegenheit“ seiner Amtszeit zu machen. Das Thema Männergewalt in Beziehungen gehört dazu.

Welche Maßnahmen Frankreich getroffen hat – und wie es um den Kampf gegen die tödliche Beziehungs-Gewalt in Deutschland, der Schweiz und in Österreich steht - das ist in der November/Dezember-EMMA zu lesen.

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