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DDR-Verfassung: Vorwärts, Genossin!

Der „Demokratische Frauenbund Deutschlands“ (DFD) nahm Einfluss auf die DDR-Verfassung.
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"Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegen stehen, sind aufgehoben.“ So stand es in Artikel 7 der Verfassung der DDR, die am 7.  Oktober 1949 in Kraft trat. Und auch im Arbeiter und Bauernstaat, in dem sich mit der Klassenfrage doch angeblich auch die Frauenfrage erledigt hatte, mussten diese beiden Sätze hart erkämpft werden –  selbst verständlich von Frauen.

Es war der „Demokratische Frauenbund Deutschlands“ (DFD), dem zu verdanken ist, dass die beiden für Frauen so zentralen Sätze letztendlich doch in die DDR Verfassung geschrieben wurden.

Gegründet worden war der DFD am 8. März 1947 auf dem „Deutschen Frauenkongress für den Frieden“. Knapp 1.000 Delegierte aus allen vier Besatzungszonen – davon rund 800 aus der Sowjetischen Besatzungszone – waren vom 7. bis 9. März im Berliner Admiralspalast zusammen gekommen. Sie rekrutierten sich aus den über 5.000 Frauenausschüssen, die sich in dem in Trümmern liegenden  Nachkriegsdeutschland gegründet hatten.

Denn was bis heute kaum bekannt ist: Die Siegermächte hatten nach dem Zusammenbruch des Hitler Regimes zwar den noch zu entnazifizierenden Deutschen jede parteipolitische Betätigung verboten. Doch die Militärverwaltungen brauchten zum Wiederaufbau des in Trümmern liegenden Landes Ansprechpartner. Aber die Männer waren entweder gefallen, in Gefangenschaft, invalide und traumatisiert oder hoch belastet durch ihre Nazi Vergangenheit. Also setzten die Alliierten auf die Frauen. In den „Überparteilichen Frauenausschüssen“ kamen alle zusammen: die Ärztin wie die Landwirtin, die in der Nazi Diktatur untergetauchte KPD Politikerin wie die jüdische Überlebende. Zunächst sorgten die Frauenausschüsse für die täglichen Dinge, organisieren Schulspeisungen und Wärmehallen. Doch schon bald  mischen sie sich aktiv in die Politik ein. Tausende demonstrieren auf der Straße für Frauenrechte und fordern in Resolutionen gleichen Lohn für gleiche Arbeit: „Wir sehen in der Aufrechterhaltung des Unterschieds bei der Entlohnung der gleichen Arbeit bei Mann und Frau eine Entwürdigung und Deklassierung unseres Wertes bei dem heutigen Wiederaufbau Deutschlands“, erklärt zum Beispiel der Charlottenburger Frauenausschuss auf seiner Sitzung am 1. Oktober 1946.

Und so kommen im März 1947 die Frauen nach Berlin, um eine gemeinsame Organisation zu gründen. Eine Vereinigung, „in der die Wissenschaftlerin, die Arbeiterin, die Vorkämpferin für Frauenrechte, die Bäuerin, die Künstlerin, die Schriftstellerin, die Hausfrau, die Abgeordnete, die Frau in der Verwaltung und Regierung ihren Platz finden“. Das erklärte die erste Vorsitzende Anne Marie Durand Wever bei ihrer Antrittsrede. Die parteilose Gynäkologin, deren Bücher über Aufklärung, Verhütung und Geburtenkontrolle von den Nazis verboten worden waren, wird 1952 Mitgründerin von Pro Familia werden. Ihre
Stellvertreterin ist die CDU Politikerin Else Lüders, langjährige Sekretärin des 1888 gegründeten feministischen „Vereins Frauenwohl“ und seiner Vorsitzenden Minna Cauer, die zum radikalen Flügel der Ersten Frauenbewegung gehörte. Generalsekretärin des DFD wird Maria Rentmeister. Die Schneidertochter aus katholischem Hause war, nachdem sie 1929 in den USA die „Große Depression“ erlebt hatte, Mitglied der KPD geworden. 1939 wurde sie wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet und saß bis Kriegsende im Zuchthaus. Im Sommer 1945 hilft sie als Leiterin des Berliner  Hauptfrauenausschusses, das Leben in den Trümmern zu organisieren. Als Mitglied des „Vorbereitenden Komitees zur Gründung des DFD“ prägt Rentmeister das feministische Gründungs Manifest des „Demokratischen Frauenbund Deutschlands“. Dort heißt es klipp und klar: „Wir dürfen niemals mehr zulassen, dass über Deutschlands Gestaltung und Geschicke ohne uns Frauen entschieden wird. Wir werden von jetzt ab mitwissen, mitverantworten und mitbestimmen.“ Und in ihrer Beitrittserklärung erklären die DFD Frauen, für welche Ziele sie eintreten. Zum Beispiel: „Wir wollen eine erträglicheExistenzgrundlage für Frauen schaffen und sichern.“ Oder: „Wir wollen neue Frauenberufe erschließen und unsere Frauen auch für gehobene und verantwortliche Stellungen qualifizieren.“ Und: „Wir vertreten Fraueninteressen bei der Ausarbeitung neuer Gesetze durch Anträge in den Parlamenten.“

Letzteres tun die DFD Aktivistinnen auch, als es um die Verfassung der DDR geht. Schon 1947 gründen sie eine Kommission, die sich dafür einsetzt, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Verfassung festzuschreiben. Zwar sträuben sich die Genossen zunächst, aber die Frauen setzen sich durch. Der Artikel 7 wird in die Verfassung aufgenommen. Doch der Sozialistischen Einheitspartei (SED) sind die aufmüpfigen Frauen zusehends ein Dorn im Auge und sie nimmt immer mehr Einfluss auf den Frauenverband. Viele unabhängige Führungsfrauen ziehen sich zurück. 1964 wird die Führungsrolle der SED im Frauenbund festgeschrieben, der damit offizielles Staatsorgan ist. In der BRD wird der DFD im Zuge des Verbots der KPD gleich mit verboten.

Doch es scheint, als hätte die Hartnäckigkeit, mit der die DFD Frauen seit 1947 um den Gleichberechtigungs Grundsatz in der DDR Verfassung kämpften, auch die Kolleginnen in der BRD inspiriert. So war Käthe Kern, die Vorsitzende der DDR Verfassungskommission, eine enge Kampfgefährtin der westdeutschen SPD Frauensekretärin im Parteivorstand, Herta Gotthelf. Die sorgte dafür, dass die Formulierung aus der DDR Verfassungskommission in den SPD Verfassungsantrag übernommen wurde – von wo aus Elisabeth Selbert sie in den Parlamentarischen Rat einbrachte. „Männer und Frauen sind  gleichberechtigt“, heißt es in Art. 3 der BRD Verfassung.

Doch Käthe Kern und ihre Mitstreiterinnen hatten in Ostdeutschland besser verhandelt. Sie hatten erreicht, dass der Artikel 7 der DDR Verfassung um einen äußerst wichtigen Satz ergänzt wurde, nämlich: „Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Dieser Satz hatte gewaltige Folgen: In der DDR wird das Familien recht, das dem Mann das Alleinbestimmungsrecht in allen Familienangelegenheiten übertrug, dadurch umgehend ungültig und abgeschafft. Auch eheliche und nichteheliche Kinder sind in der DDR von Anfang an gleichgestellt.

In der BRD wird es dagegen noch 14 Jahre dauern, bis der Stichentscheid des Vaters abgeschafft wird – und das auch nur, weil der Juristinnenbund dies erklagt. Bis Frauen sich scheiden lassen können, ohne mittellos dazustehen, wird es noch bis zur großen, von der Frauenbewegung erkämpften Familienrechtsreform dauern. Die tritt 1977 in Kraft, also genau drei Jahrzehnte nach Gründung des Demokratischen Frauenbund Deutschlands.

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