Ein Trio für Hedwig
Schon der Titel „Mehr Stolz, ihr Frauen!“ ist Programm für das Hedwig-Dohm-Trio. Das inszeniert seit 20 Jahren – Glückwunsch! – die Texte der großen Pionierin der Historischen Frauenbewegung auf der Bühne. Zu verdanken hat das Trio seine Existenz der Bremer Historikerin Nikola Müller und der aus St. Gallen stammenden Literaturwissenschaftlerin Isabel Rohner.
Müller hatte für ihre Magistra-Arbeit, eine kommentierte Bibliografie von Hedwig Dohm, drei Jahre lang die Archive durchstöbert. Sie war dabei nicht nur auf Dohms bekannte Romane und Polemiken gestoßen, sondern auch auf unzählige Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, deren Autorinnenschaft bis dato nicht klar war.
Da war uns klar: Wenn wir es nicht selbst tun, macht es niemand!
Die fertige Bibliografie brachte die an ihrer Dissertation arbeitende Literaturwissenschaftlerin (und Ex-EMMA-Praktikantin) Isabel Rohner auf die Spur jener Historikerin. Die sich noch dazu als Nachbarin, fünf Gehminuten entfernt, in der Kölner Südstadt entpuppte. Rasch taten die beiden sich mit ihren Materialsammlungen zusammen: Für die erste kommentierte Gesamtausgabe der Werke der großen Frauenrechtlerin. Sechs Bände umfasst die „Edition Hedwig Dohm“ mittlerweile, darunter einer mit 100 bislang unbekannten Briefen.
Die Arbeit an der Edition findet – trotz zahlreicher Versuche – bis heute keine finanzielle Förderung. Isabel Rohner erinnert sich an die krasseste Absage: „Am Telefon hieß es: Sie sind zwei lebende Feministinnen, die das Werk einer toten Feministin herausgeben wollen. Das sind drei Gründe, Sie nicht zu fördern.“ Rohner: „Da war uns klar: Wenn wir es nicht selbst tun, macht es niemand.“ Material gibt es zur genüge, für „mindestens zehn weitere Bände“.
Ein übervoller Topf, aus dem das Trio – komplettiert durch den Kölner Schauspieler Gerd Buurmann – nun schöpfen kann. Das erste Mal standen sie zur Buchpremiere 2006 in Köln auf der Bühne – und seither in über 200 Vorstellungen. Es ist eine wilde Mischung aus Vortrag, anekdotenreichem Talk & Theater. Buurmann schlüpft dabei in die Rolle der zeitgenössischen Antifeministen, die Dohm (1831 – 1919) mit ihrer berüchtigten geistreichen Schlagfertigkeit aufs Korn nahm.
Hedwig Dohm war ihrer Zeit weit voraus. So betrachtete sie die Geschlechterrollen als kulturell geprägt und nicht biologisch vorgegeben. Sie forderte schon 1873 das uneingeschränkte Wahlrecht für Frauen – für ihre Zeitgenossinnen eine tollkühne Idee! Oder sie sprach sich gegen die Zurschaustellung weiblicher Nacktheit aus … Kurz: Dohm bleibt aktuell!
Für das Hedwig-Dohm Trio geht es deshalb bei jeder Vorstellung auch immer darum, die brillante Denkerin bekannter zu machen: Sei es mit einer Plakette am Geburtshaus, dem Ehrengrab auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg oder durch Straßen, die nach ihr benannt werden. So zuletzt in Mühlheim am Main. Dort gibt es jetzt den weltweit ersten Hedwig-Dohm-Platz! Isabel Rohner ist stolz darauf: „Die Riesinnen, auf deren Schultern wir stehen, müssen endlich auch im Stadtbild sichtbar gemacht werden.“
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