Namibia: Ein Sieg für alle!

v. re: Anette Seiler, Anita Seiler-Lilles, Johan Potgieter, Daniel Digashi mit Sohn Lucas: erkämpften die Anerkennung ihrer Eheschließungen.
Artikel teilen

"Wir haben gewonnen! Nun sind wir unglaublich froh und erleichtert, dass unser Kampf um gleiche Rechte ein Ende hat. Anita darf nun in Namibia als meine Ehefrau leben.“ Diese Jubel-Botschaft postete das Paar noch am selben Tag auf Facebook. Denn alle sollten es wissen: Die Namibierin Anette Seiler und ihre deutsche Ehefrau Anita Seiler-Lilles hatten, gemeinsam mit einem Männerpaar, am 16. Mai vor dem namibischen Verfassungsgericht einen historischen Sieg errungen. Das Gericht hatte ihre im Ausland – in Deutschland bzw. Südafrika – geschlossenen Ehen anerkannt. Ein „Landmark-Case“, wie auch die namibische Justizministerin Yvonne Dausab das Verfahren nennt.

Anzeige

Denn im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika sind gleichgeschlechtliche Ehen nicht anerkannt, Homophobie ist noch immer weit verbreitet. Seit der Kolonialzeit sind homosexuelle Handlungen zwischen Männern verboten. Der „Sodomie-Paragraf“ wird zwar seit den 1990er Jahren nicht mehr angewandt, doch der Versuch der liberalen Justizministerin Dausab, das Gesetz abzuschaffen, scheiterte an ihrer eigenen Regierungspartei SWAPO.

Mehr EMMA lesen: Die Juli/August-Ausgabe jetzt im EMMA-Shop!
Mehr EMMA lesen: Die Juli/August-Ausgabe jetzt im EMMA-Shop!

Anette und Anita lernten sich vor 23 Jahren kennen, als Anita nach Namibia reiste. Seitdem sind die beiden Frauen ein Paar. 20 Jahre lang lebten sie gemeinsam in Köln (wo Anette beim NRW-Hochschulbibliothekszentrum den EMMA-Lesesaal ins Netz brachte), hatten aber immer geplant, ihren Ruhestand in Namibia zu verbringen, wo sie seit 2019 wohnen. Doch das Ministry of Home Affairs and Immigration lehnte Anitas Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung ab. Die Ehe, die die beiden seit 2004 verpartnerten Frauen im November 2017 nach der Öffnung der „Ehe für alle“ eingegangen waren, werde nicht anerkannt. Anette und Anita entschlossen sich zu klagen und taten sich dazu mit Johan Potgieter und Daniel Digashu zusammen. Der Namibier und der Südafrikaner hatten in Südafrika geheiratet, das schon 2006 – als einziges afrikanisches Land – die Homo-Ehe eingeführt hatte. Daniel und Johan hatten außerdem Daniels Neffen Lucas adoptiert, nachdem dessen Mutter gestorben war.

Den ersten Prozess vor dem High Court of Namibia verloren die KlägerInnen im Januar 2022. Doch das Verfassungsgericht sah die Sache anders, und zwar mit einer bemerkenswerten Begründung. Die RichterInnen erklärten, dass die Nicht-Anerkennung „einer rechtsgültig geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehe sowohl die damit verbundenen Rechte auf Würde als auch auf Gleichbehandlung der Beschwerdeführer verletzt“.

„Wir haben uns so gefreut, wir haben gelacht und getanzt!“, erzählt Anette Seiler. „Das Großartige ist, dass das Gericht so grundsätzlich mit der Menschenwürde und der Gleichheit argumentiert hat.“ Das macht das Urteil über die beiden Einzelfälle hinaus so bedeutend für alle homosexuellen Frauen und Männer im Land. „Die Homosexuellen sind sehr froh, weil sie das Gefühl haben, endlich Akzeptanz und Anerkennung bekommen zu haben.“ Während der ganzen Zeit „hat uns die schwul-lesbische Gemeinschaft sehr gestärkt, zum Beispiel mit Demonstrationen“.

Und so postete das „Namibia Equal Rights Movement“ nach dem Sieg: „Guten Morgen aus Afrikas zweitem Land, das gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt hat, die im Ausland geschlossen wurden. Liebes queeres Kind, nimm dir deinen Platz und liebe frei, wen du willst. This is what democracy looks like.“

Und Anette Seiler und Anita Seiler-Lilles? Die haben gerade ein Haus an der Küste gekauft, in das sie demnächst einziehen.

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite