In der aktuellen EMMA

Zwischen Plüsch & Porno

Eine Extra-Abteilung auf der Buchmesse 2024 für die New Adult-Literatur. - Foto: Jan Woitas/dpa
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„Falls du es noch nicht verstanden hast, Baby“, sagt eine dunkle, männliche Stimme, „ich bin ein Sadist“. Sie klingt lasziv und ein wenig hartherzig, so wie man die dominante Partie in einem Erotik-Hörbuch mit BDSM-Einschlag besetzen würde. „Sei einfach weiterhin ein bisschen unartig, Baby. Sei ein böses Mädchen. Das wird uns allen gefallen“, sagt die Stimme weiter, dazu schwarzer Hintergrund, eine brennende Kerze, das Leuchten einer Krone. Und: „Du musst dich nicht entscheiden, Belle, wir teilen gern.“ 

Ein bisschen Sado-Maso hier, ein bisschen Soft-Porno da und dann noch Feminismus

Willkommen im seltsamen TikTok-Universum der Fans von „Very bad Kings“, einer mittlerweile 9-teiligen Romanreihe der aus Niedersachsen stammenden Autorin Jane S. Wonda. Die 33-jährige, unter Pseudonym schreibende Schriftstellerin erzählt in dieser Serie die Geschichte der „Kings“: fünf skrupellose Seniorstudenten an einer fiktiven Elite-Universität, die Gefallen an sadistischen Spielchen finden. Ihre Opfer: junge, naive – doch sich am Ende irgendwie gegen sie behauptende – Frauen. 

Die Leserinnen, die aus den softpornohaften Einlassungen der Protagonisten Videos drehen und Zitatkacheln basteln, die sie auf TikTok teilen: ausschließlich junge Frauen. Der erste Band erschien im Jahr 2021, seitdem stürmen Wondas Erzählungen die Bestsellerlisten, verkaufen sich hunderttausendfach.

Deutschsprachige Verlage stehen dieser Tage noch immer ein wenig ratlos vor dem vergleichsweise neuen Phänomen: der sogenannten „New Adult“-Literatur. „New Adult“ steht für „junge Erwachsene“, also Menschen zwischen zwanzig und dreißig Jahren. Die ersten New-Adult-Romane wurden Mitte der Zehnerjahre zu Bestsellern, seitdem nimmt das Genre, befeuert von den sozialen Netzwerken TikTok und Instagram, auf denen sich die Leserinnen austauschen, beständig an Fahrt auf. Im vergangenen Jahr widmete die Frankfurter Buchmesse Verlagen und Autorinnen aus der Szene zum ersten Mal eine eigene Halle; auch dieses Jahr wird es eine geben, mit Fan-Aktionen, Signierstunden, Meet and Greets mit den Autorinnen.

Die Leserinnen von New-Adult-Literatur sind Fans, warten stundenlang vor den Ständen „ihrer“ Autorinnen, um sich ein Buch signieren zu lassen. Verlage verschicken aufwändig kuratierte „Buchboxen“, zu den erfolgreichsten Buchreihen gibt es sogar Duftkerzen. Fast könnte man sagen: In Zeiten, in denen das Bücherverkaufen zu einem äußerst wackligen Unterfangen geworden ist, ist „New Adult“ das einzige, das wirklich noch läuft. 

Mehr EMMA lesen! Die September/Oktober-Ausgabe gibt es als Printheft oder eMagazin im www.emma.de/shop
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Diverse wichtige deutsche Verlage haben in den letzten Jahren Imprints gegründet, die ausschließlich Literatur für junge Erwachsene verlegen – etwa „Blush“ und „Heartlines“ bei Penguin von Random House, oder „Cove“ bei Carlsen und „Sphere“ bei Kiepenheuer & Witsch – beide in diesem Jahr. Sie sind spacig-pastellfarben wie bei „Sphere“ oder altrosa blütenfarben wie bei „Cove“. Die Leserinnenschaft wird umworben mit News­lettern und Gewinnspielen, die Verlagsteams ­werden selbst zu Protagonistinnen in den Sozialen Medien, lassen an ihrem Alltag teilhaben, verbreiten Memes zu einschlägigen Motiven oder Handlungssträngen aus den Büchern. 

Die Bücher selbst werden zu begehrten Objekten: aufwändige Covergestaltung, spektakulärer Farbschnitt, Sammlerinnenausgaben. Ultramodernes Zielgruppenmarketing, mit Fokus auf ultra­junge Frauen. Dabei begegnet einem in der Diskussion über „New Adult“ immer häufiger ein interessantes Argument: Das Genre feiert sich selbst als „feministisch“.

Ob das wirklich der Fall ist und mehr zu "New Adult Literatur" in der aktuellen September-/Oktober-EMMA!

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