Stimmen von den Philippinen
Die Feministin
Lualhati Bautista (1945 – 2023) ist eine feministische Ikone. Als eine der ersten Autorinnen schrieb sie darüber, dass vielen Filipinas ihre häusliche – und sehr katholische – Rolle als Ehefrau und Mutter zu eng wurde. Nachdem Bautista einige Kurzgeschichten veröffentlicht hatte, avancierte sie zum literarischen Shootingstar der 1980er Jahre. In rascher Folge schrieb sie mehrere alltagsnahe Romane, die vielfach ausgezeichnet, aber bislang leider kaum übersetzt wurden. Das ändert sich jetzt! Mit „Die 70er“ ist nun erstmals ein Roman von Bautista in deutscher Übersetzung erschienen. Darin erzählt sie aus der Sicht einer fünffachen Mutter von der Zeit des Kriegsrechts unter Ex-Diktator Ferdinand Marcos. Annette Hug hat den Roman aus dem „Taglish“ übersetzt. Das ist der auf den Philippinen sehr gebräuchliche Mix aus Tagalog und Englisch. Die englischen Einsprengsel sind im deutschen Text erhalten und geben dem 1983 erschienen Roman eine rasante Frische. Lualhati Bautista: Die 70er (Orlanda, 22 €)
Die Jugendbuchautorin
Candy Gourlay (*1962) ist Jugendbuchautorin, doch das war nicht immer so. Aufgewachsen in der bleiernen Zeit des Marcos-Regimes schrieb sie schon früh für die oppositionelle Presse. Bei Protesten in Manila lernte sie ihren späteren Mann kennen. Gemeinsam zogen sie 1989 nach London, wo sie auch heute noch leben. Erst als das jüngste ihrer drei Kinder neun Jahre alt war, begann Gourlay Jugendromane zu schreiben. Sie habe erstmal lernen müssen, philippinische Figuren zu entwickeln, erinnert sie sich. „In meiner Kindheit habe ich in Büchern keine Filipinos erlebt. Denn unsere Bücher kamen aus England und den USA.“ Ihr jetzt übersetzter Roman „Wild Song“ erzählt von der 16-jährigen Luki, die von der Insel Luzon stammt und Teil der Völkerschau auf der Weltausstellung 1904 in Saint Louis wird. „Man schreibt nur dann gut“, sagt Gourlay, „wenn man aus der eigenen Seele schöpft.“ Candy Gourlay: Wild Song (Rotfuchs, 19.90 €)
Die Investigativjournalistin
Patricia Evangelista ist Investigativjournalistin. Sie selbst nennt sich Trauma-Reporterin. „Meine Aufgabe ist es, an Orte zu gehen, an denen Menschen sterben“, sagt sie. „Ich packe meine Koffer, spreche mit den Überlebenden, schreibe meine Geschichten und gehe dann nach Hause, um auf die nächste Katastrophe zu warten. Ich muss nicht lange warten.“ Herausragend sind ihre Berichte für das Nachrichtenportal Rappler, die sie während Rodrigo Dutertes Anti-Drogen-Krieg (2016 – 2022) schrieb. Daraus erarbeitete sie später ihr Buch „Some People Need Killing“, das u. a. von der New York Times zu den besten Büchern des Jahres 2023 gezählt wurde. Patricia Evangelista: Some People Need Killing. Eine Geschichte der Morde in meinem Land (CulturBooks, 26 €)
Die Friedensnobelpreisträgerin
Maria Ressa ist eine der profiliertesten Journalistinnen der Philippinen. Sie wurde 1963 in Manila geboren und kam als Neunjährige in die USA. Als Journalistin arbeitete sie lange für CNN. Zunächst leitete sie das CNN-Büro in Manila (1988 – 1995) und danach das in Jakarta (1995 – 2005). Sie gilt als herausragende Kennerin des Terrorismus in Südostasien. 2012 gründete sie das philippinische Nachrichtenportal Rappler. Aufgrund ihrer kritischen Berichterstattung über Ex-Präsident Rodrigo Dutertes blutigen Anti-Drogen-Krieg wurde Maria Ressa mit Anzeigen und Drohungen überzogen. Das bezeugt auch der ihrer Arbeit gewidmete Dokumentarfilm „A Thousand Cuts“. 2021 erhielt sie in Oslo den Friedensnobelpreis. In ihrer Dankesrede sagte sie: „Ohne Fakten gibt es keine Wahrheit. Ohne Wahrheit gibt es kein Vertrauen. Ohne Vertrauen gibt es keine gemeinsame Realität, keine Demokratie.“ Wie Demokratie geht, zeigt sie in ihrem aktuellen Buch, das auch als Anleitung zu lesen ist: „How to Stand Up to a Dictator”. Maria Ressa: How to stand up to a Dictator. Der Kampf um unsere Zukunft (Quadriga, 24 €)
Die Übersetzerin
Annette Hug ist ein „National Treasure“ der Philippinen. Das sagt die Buchmessen-Kuratorin Karina Bolasco gern und augenzwinkernd. Denn die Schweizerin ist nicht nur selbst Autorin, sondern aktuell die einzige Tagalog-Übersetzerin im deutschsprachigen Raum. Für den diesjährigen Buchmessen-Auftritt der Philippinen hat sie vier sehr unterschiedliche Bücher übersetzt und jedem Buch einen ganz eigenen Klang gegeben. Zum ersten Mal reiste Hug nach ihrem Zürcher Geschichtsstudium auf die Philippinen. „1991 nahm ich an einer unglaublich begeisternden internationalen Frauenfriedenskonferenz teil“, erinnert sie sich. „Nach all der Theorie endlich Praxis!“ Ein Jahr später zog sie um und schrieb sich an der „University of the Philippines“ in Quezon City für „Women and Development Studies“ ein. Für ihren Roman „Wilhelm Tell in Manila“ erhielt sie 2016 den Schweizer Literaturpreis. Aktuell übersetzt hat sie die AutorInnen Luna Sicat Cleto, Allan N. Derain, Lualhati Bautista und Isabelo de los Reyes.
Die Kuratorin
Karina Bolasco ist der Mastermind hinter dem Gastlandauftritt der Philippinen auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Die Vollblut-Verlegerin kuratiert das literarische Programm, also auch die Podien, die es auf der Messe geben wird. „In meinem Berufsleben gab es keine Frauenfrage“, sieht es Bolasco entspannt, „schließlich werden viele philippinische Verlage von Frauen geleitet.“ Nach erfolgreichen Jahren als Verlegerin bei Anvil Publishing (1990 – 2016) wechselte sie zur berühmten Ateneo de Manila University Press. Bei Anvil verlegte sie Bücher von Filipinos für Filipinos. Was auch hieß, der Dominanz amerikanischer Bücher auf dem Archipel etwas entgegenzusetzen. Nach Frankfurt werden übrigens auch mehrheitlich Frauen anreisen. „Das habe ich nicht bewusst so entschieden“, sagt Karina Bolasco. „Das hat sich ganz organisch ergeben.“
ALLE PORTRÄTS KATHARINA BORCHARDT
Termine: Die meisten der Autorinnen sind in Frankfurt auf der Buchmesse (15. bis 19. Oktober). Alle Termine: philippinesfrankfurt2025.com