Transgesetz: Was ist da los?

Frauenministerin Paus und Justizminister Buschmann: Keine Einigung beim Selbstbestimmungsgesetz. - Fotos: IMAGO
Artikel teilen

Ende März verkündete die Süddeutsche Zeitung den angeblichen Durchbruch. Nach monatelangen Verhandlungen zwischen dem grünen Frauenministerium und dem liberalen Justizministerium gebe es nun endlich eine „politische Einigung“ über das „Selbstbestimmungsgesetz“. Noch vor Ostern solle der Referentenentwurf vorgestellt werden.

Anzeige

Doch kaum war die Nachricht draußen, ging die Streiterei schon wieder los. Denn die Ursache für den Konflikt zwischen den Ministerien ist offenbar keinesfalls behoben. Stein des Anstoßes: Wie soll dem Schutzbedürfnis von Frauen und Mädchen (und den Eltern dieser Mädchen) Rechnung getragen werden? Denn die müssten demnächst in Schwimmbad-Duschen, Fitnessstudio-Umkleiden oder öffentlichen Toiletten jeden biologischen Mann akzeptieren, der sich mit einer einfachen Erklärung auf dem Standesamt zur Frau erklärt hat.

Justizminister Buschmann: In Frauensaunas zählt das biologische Geschlecht

Justizminister Buschmann (FDP) verkündete: Bei geschützten Frauenräumen sei es nach wie vor möglich, „auf das biologische Geschlecht abzustellen“, also zum Beispiel einen biologischen Mann nicht in die Frauensauna zu lassen. Das sieht das von Lisa Paus geführte Frauenministerium jedoch anders. Zwar habe der Saunabetreiber das Hausrecht, aber: „Nur wegen seines Äußeren“ dürfe „niemand abgewiesen“ werden.

Das bestätigte auch die bekennend woke Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman: „Eine Person ausschließlich wegen ihres Aussehens abzuweisen, ist und bleibt unzulässig.“ Ihr Büro deklarierte das Geschlecht gar zur „ästhetischen Frage“.

Unter „Aussehen“ verstehen Frauenministerin Paus und die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman offensichtlich auch die Tatsache, dass jemand einen Penis hat, also de facto ein biologischer Mann ist. Aber Fakten zählen für eine kleine, aber sehr laute Gruppe Transaktivisten und ihre willigen Vollstrecker*innen in Politik und Medien ja ohnehin wenig, dafür umso mehr ihre Ideologie.

Der Schlagabtausch zwischen den Ministerien zeigte: Die Sache mag auf dem Papier geklärt sein, aber wie das Gesetz in der Praxis anzuwenden wäre und welche Probleme das mit sich brächte, ist immer noch umstritten. Kein Wunder: Selbst das Bundesschiedsgericht der Grünen, eigentlich glühende Verfechter des „Selbstbestimmungsgesetzes“ und treibende Kraft bei dessen Durchsetzung, musste jüngst feststellen, dass das Gesetz dem Missbrauch Tür und Tor öffnet. Eine gewisse „Ernsthaftigkeit“ und „Dauerhaftigkeit“ des Geschlechtswechsels, erklärte das grüne Bundesschiedsgericht, müssten schon gegeben sein.

Frauenministerin Paus: Niemand darf "wegen seines Äußeren abgewiesen werden"

Das ist nicht ohne Komik, denn genau diese Voraussetzungen wollen die Grünen mit dem „Selbstbestimmungsgesetz“ abschaffen. Kern des Gesetzes: Jeder Mensch soll seinen Geschlechtseintrag per Selbstdefinition bestimmen und ändern können. Das Gesetz soll das Transsexuellengesetz ersetzen, das bisher vorsieht: Wer seinen Geschlechtseintrag ändern will, muss dazu zwei psychologische Gutachten vorlegen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis bestätigt und schon zwei Klagen gegen die Gutachtenpflicht abgewiesen. Begründung: Der Gesetzgeber könne einen Nachweis über die „Ernsthaftigkeit“ und „Dauerhaftigkeit“ des Geschlechtswechsels verlangen. Siehe oben. Denn dieser Wechsel habe nicht nur für die betroffene Person beträchtliche Folgen, sondern auch für die ganze Gesellschaft.

Deshalb hagelte es Protest, als Justizminister Buschmann und Frauenministerin Paus im Juni 2022 die „Eckpunkte“ des Gesetzes vorstellten. Eine „riesige Welle von Menschen“ habe „Probleme und Bedenken geäußert“, gestand Buschmann im FAZ-Podcast „Einspruch“. Allen voran EMMA, die früh und immer wieder über die erwartbaren Probleme mit dem geplanten Trans-Gesetz berichtete. Weitere Medien schlossen sich an; Feministinnen meldeten sich ebenso zu Wort wie Eltern-Initiativen und Berufsverbände. Und der Justizminister, der die Gefahren des Gesetzes inzwischen zumindest teilweise begriff, trat auf die Bremse. Das Gesetz, das die Ampel als eines ihrer ersten und wichtigsten Projekte präsentiert hatte, liegt seither auf Eis.

Jetzt soll der Referentenentwurf also vorliegen, und der zentrale Zankapfel ist immer noch da. „Die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will dem Schutz der Imtimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an“, sagt Justizminister Buschmann. Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman widerspricht mit einer bemerkenswerten Begründung: Hier gehe es schließlich nicht darum, dass „ein Mann das Angebot für Frauen nutzen möchte, sondern eine Frau“. Will heißen: Jeder Mann, der sich zur Frau erklärt, ist auch eine und als solche zu behandeln.

Eltern können ihren vierjährigen Sohn auf dem Standesamt zum Mädchen erklären

Wohin das führen kann, war kürzlich in Schottland zu beobachten. Dort hatte das Parlament nach heftigen Debatten und gegen die Mehrheit der Bevölkerung im Februar 2023 ein Self-ID-Gesetz verabschiedet. Kaum war das Gesetz in Kraft, machte der Fall des wegen zweifacher Vergewaltigung verurteilten Adam Graham Schlagzeilen. Graham hatte sich inzwischen zur Frau erklärt und wurde deshalb in der Untersuchungshaft im Frauengefängnis untergebracht. Es hagelte Proteste, zumal die Ex-Frau des vormals glatzköpfigen, bulligen Mannes in der Presse erklärte, sie sei „vor Lachen aus dem Bett gefallen“, als sie von Grahams angeblichem Geschlechtswechsel erfahren habe.

Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon, die das Gesetz auch gegen Widerstände in ihrer eigenen Partei durchgeboxt hatte, gab den „verständlichen Bedenken der Öffentlichkeit und des Parlaments“ nach: Der Täter wurde ins Männergefängnis verlegt. Sturgeon ist inzwischen zurückgetreten – nicht nur, aber auch wegen dieses Skandals. Und der britische Premierminister Rishi Sunak erklärte, seine Regierung werde das schottische Gesetz blockieren.

In England war das Self-ID-Gesetz am Widerstand von Feministinnen gescheitert. Premierminister Sunak verkündete, er werde nun überprüfen lassen, ob das britische Gleichstellungsgesetz reformiert und um eine klare Unterscheidung zwischen dem biologischen Geschlecht und der Geschlechtsidentität, also dem „gefühlten“ Geschlecht, ergänzt werden müsse.

Geschlecht als rechtliche und politische Kategorie würde damit abgeschafft

Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen von JuristInnen, die den gänzlich voraussetzungslosen „Geschlechtswechsels“ per Sprechakt für verfassungswidrig halten. Denn das Geschlecht als rechtliche und politische Kategorie würde damit de facto abgeschafft. Wie soll die in der Verfassung verbriefte Gleichberechtigung von Frauen und Männern durchgesetzt werden, wenn jeder sich zur Frau erklären kann? Wie sollen Quotenregelungen durchgesetzt werden? Wie benachteiligt sind Frauen zum Beispiel im Sport, wenn biologische Männer gegen Frauen antreten? Das jedoch scheint ausgerechnet die Antidiskriminierungsbeauftragte nicht zu interessieren, ebensowenig wie die Frauenministerin.

Neben dem völlig ungeklärten Schutzbedürfnis von Mädchen und Frauen birgt das „Selbstbestimmungsgesetz“ jedoch weitere Gefahren, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Immer noch sieht der Entwurf dem Vernehmen nach vor, dass bereits bei Kindern der Geschlechtseintrag geändert werden kann.

Die Mai/Juni-Ausgabe - jetzt schon im EMMA-Shop!
Die Mai/Juni-Ausgabe - jetzt schon im EMMA-Shop!

Das heißt zum Beispiel: Eltern, deren vierjähriger Sohn lange Haare und Schmuck mag und mit Puppen spielt, können – falls ihnen das „feminine Verhalten“ ihres Sohnes missfällt, –diesen auf dem Standesamt zum Mädchen erklären lassen, ohne dass auch nur ein einziges Mal ein Psychologe konsultiert wurde. Ab 14 können Mädchen und Jungen selbst mit Erlaubnis der Eltern ihren Geschlechtseintrag ändern. Sind die Eltern nicht einverstanden, kann der/die Jugendliche das Familiengericht anrufen. Das entscheidet dann „nach Kindeswohl“ – was auch immer das Gericht darunter verstehen mag.

Dass viele Kinder und Jugendliche, denen der Staat mit einem solchen Gesetz suggeriert, dass sie sich ihr Geschlecht einfach aussuchen können, dann auch zu medizinischen Maßnahmen drängen, sprich: Hormonbehandlungen und OPs, liegt auf der Hand.

Doch obwohl Mediziner und betroffene Eltern warnen, erklärt Justizminister Buschmann weiterhin unverdrossen: „Mit medizinischen Maßnahmen hat das Selbstbestimmungsgesetz nichts zu tun.“ Dass der Minister auch an diesem für Kinder und Jugendliche so gefährlichen Punkt auf die Bremse tritt, ist also nicht zu erwarten.

In der aktuellen EMMA, dem Mai/Heft - ab jetzt im EMMA-Shop und ab 27. April am Kiosk - mehr zum Thema: „Schon jetzt gescheitert! Wie der parteiinterne Vorläufer des geplanten ‚Selbstbestimmungs-Gesetzes‘ von Provokateuren ad absurdum geführt wird und vor dem Bundesschiedsgericht der Grünen scheiterte“.

Ausgabe jetzt bestellen

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite