KinderKinder

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Kinder, Kinder, stellt euch vor, euer Papa wäre Bundeskanzler! Keiner, der im Swimmingpool wohnt, wie der in dem Kinderbuch von Doris Schröder-Köpf, sondern bei euch zu Hause. Nicht nur am Wochenende, jeden Tag. Vielleicht würde ihm dann ja endlich mal auffallen, wie eure Mama sich abhetzt: zwischen Kindergarten und Teilzeitjob, Von-der-Schule-Abholen und Zum-Musikunterricht-Bringen, Hausaufgabenbetreuung und Essenkochen, Elternsprech- und Oberhemdenbügeltagen.
Der Sozialdemokrat Gerhard Schröder, der derzeit euer Bundeskanzler ist, nennt das "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Genau wie sein Gegenkandidat Edmund Stoiber von der CSU.
Beide haben Hausfrauen an ihrer Seite, die kein eigenes Geld oder nur ein wenig dazu verdienen können. Vielleicht wissen ihre Männer darum nicht, dass es Frauen geben soll, die Vollzeit berufstätig sein möchten. Nicht nur wg. Dazuverdienen, auch wg. finanzieller Unabhängigkeit. Und weil fast jeder Beruf auf Dauer mehr Spaß macht, als tagein, tagaus einem Kind Breichen rein und Bauklötze über die Auslegeware zu schieben.
In eurem Nachbarland Frankreich, liebe Kinder, ist die ganztags berufstätige Mama schon lange die Norm, weil es dort Krippen und Tagesstätten, staatlich geprüfte Tagesmütter und staatlich finanzierte Ganztagsschulen gibt. Das kommt auch euch zugute. Denn, das ist wissenschaftlich längst erwiesen: Ihr spielt und lernt lieber mit anderen Kindern statt mit eurem oft genervten Mütterlein.
Da der derzeitige Kanzler so selten zu Hause in Hannover ist, wo seine Frau Doris für die Kleinfamilie das Haushaltsbuch führt, denkt er, Ganztagseinrichtungen kann er so finanzieren wie das Sonntagseis für Tochter Klara. Vier Milliarden Euro will er für alle Kinder in Deutschland locker machen: "Nach der Wahl." Doch gebraucht wird mindestens das Zehnfache. Das Geld hätte euer Kanzler durchaus, wenn er auf das Ehegattensplitting verzichten würde, das nicht den Kindern nutzt, sondern den Ehemännern mit Hausfrauen. Dafür gab die rot-grüne Bundesregierung 2001 mehr als 44 Milliarden Euro Steuererlass aus.
Eigentlich müsste euer Kanzler das wissen, liebe Kinder, weil er viel rumkommt in der Welt. Aber, wie gesagt, ihm mangelt es an Erfahrung mit der Führung von Haushaltsbüchern. Und seine Frau Doris, früher Journalistin, will ihn auch nicht damit belasten. Im Gegenteil: Sie investiert viel Kraft in die Förderung ihres Kanzler-Gatten. Wenn "die zierliche Blonde" für sich "eine politische Rolle sieht, dann die, Schröder in möglichst strahlendem Licht erscheinen zu lassen" (Financial Times).
Zugegeben, liebe Kinder, ein Kanzler kann nicht viel daheim sein. Staatsbesuche, Sitzungen, Sektempfänge. Manchmal muss er auch mit seinen Genossen auf einem Bundesparteitag Fußball gucken, während sich seine Genossinnen um die Familienpolitik sorgen. Dafür hat euer Kanzler eine eigene Ministerin: Frau Dr. Christine Bergmann.
Die hat pünktlich zum Wahlkampfauftakt das Kinderbuch "Mein Papa und ich" veröffentlicht: mit einem "Wunschzettel an Papa". Es sind bescheidene Wünsche, liebe Kinder, die euch da zum Ankreuzen offeriert werden: "Ich wünsche mir von Papa, dass wir zusammen in ein tolles Erlebnisbad fahren, in den Zoo gehen, eine Nacht im Zelt verbringen, gemeinsam einen Waldspaziergang machen."
Das täte Mama auch gern mit euch, wenn sie sich nicht mit der "Vereinbarkeit von Familie und Beruf" abhetzen müsste. Einer der raren Wünsche an die deutschen Väter lautet: "Ein Buch zusammen lesen." Dafür hat euer Bundeskanzler leider keine Zeit. Der schreibt lieber selber Bücher über "Gerhard Schröder. Was kommt, was bleibt".
Daraus solltet ihr euch unbedingt von eurem Papa vorlesen lassen (vorausgesetzt, er kann lesen, denn damit hapert's laut PISA-Studie bei deutschen Männern). Dann erfahrt ihr, was euer Bundeskanzler tut, wenn er "am Samstagnachmittag nach Hause" kommt.
Nein, er geht nicht mit seiner Tochter in den Zoo oder in den Wald - er lässt "die Seele baumeln": "Dass meine Familie in Hannover geblieben ist, hat sich als Vorteil für mich entpuppt. Wenigstens ein paar Stunden kann ich mich da erholen. Vielleicht ein wenig Tennis spielen." Ihr seht: Am Wochenende hat Mama Doris zwei Kinder zu versorgen.
Über seine qualifizierte Ehefrau schreibt euer Kanzler in seinem Buch: "Es gibt ja Umfragen, nach denen sich 70 Prozent der Menschen in Deutschland wünschen, sie würde sich häufiger zu Wort melden. Aber das wird sie sicher nicht tun." Dazu hat Doris auch gar nicht die Zeit, so wie er.
Habt ihr nun verstanden, liebe Kinder, warum die FreundInnen von Gerhard Schröders Tochter glauben: "Der Kanzler wohnt im Swimmingpool"?

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