Der Tod der Hausfrau

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Vater Staat schafft die Hausfrauen per Gesetz ab. Aber was passiert nun mit den Frauen, die sich in der Vergangenheit noch gutgläubig auf das Modell eingelassen hatten?

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Die Aufregung ist groß. Ist das neue Unterhaltsrecht nun frauenfreundlich oder frauenfeindlich? Hilft es Ehemännern, ihre Ex-Frauen über den Tisch zu ziehen und sie um den wohlverdienten Unterhalt zu bringen? Oder läutet es endlich den Abschied vom veralteten Modell der Hausfrauenehe ein? Oder trifft gar beides gleichzeitig zu?
Ab 1. Juli 2007 soll, so haben es SPD und CDU beschlossen, im Falle einer Scheidung ein neuer Grundsatz gelten: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen." Genauer: "Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben". So steht es demnächst in §1574 BGB.
Das ist ein starkes Stück. Ein Paradigmenwechsel, wie es so schön heißt. Denn es bedeutet: Eine geschiedene Ehefrau kann (bis auf wenige Ausnahmen) künftig nicht mehr mit der Begründung zu Hause bleiben, sie betreue die Kinder, die aus der Ehe stammen. Denn schließlich, so der schwarz-rote Gesetzgeber, habe sich die "Rollenverteilung innerhalb der Ehe geändert". Immer häufiger blieben beide Ehepartner berufstätig, diesem "eingetretenen Wertewandel" wolle das neue Gesetz Rechnung tragen. So weit, so gut – so theoretisch.
Praktisch besagen die Statistiken, dass in Deutschland zwar die Frauenerwerbsquote gestiegen ist von 46 Prozent 1977 auf aktuelle 59 Prozent. Weil aber, so rechnet die Studie 'Frauen in Deutschland' aus dem Bundesfamilienministerium vor, der Löwenanteil der Frauenarbeitsplätze aus Teilzeit- und Minijobs besteht, ist die alte Arbeitsteilung – er verdient und macht Karriere, sie bleibt (überwiegend) zu Hause und versorgt die Kinder – nach wie vor der Regelfall. Schon jetzt sei mehr als die Hälfte der alleinerziehenden Mütter berufstätig, nur jede siebte bekommt überhaupt Unterhalt. "Wo ist also der Handlungsbedarf?" fragen sich Familienrechtlerinnen.
"Wir können doch nicht so tun, als ob im Hier und Jetzt Männer und Frauen die gleichen Voraussetzungen hätten!" empört sich auch die Rechtsanwältin und ehemalige Berliner Familiensenatorin Anne Klein. "Solange Männer erwarten, dass ihre Frau die Kinder versorgt und ihnen den Rücken für ihre Karriere freihält, müssen sie auch die wirtschaftliche Verantwortung dafür übernehmen."
Den "Paradigmenwechsel", der unter Federführung von Justizministerin Zypries eingeläutet wurde, hält Juristin Klein für fatal für die Frauen und einen Freibrief für die Männer. Denn die Koalition hat noch etwas beschlossen: Gründet einer der Ehegatten nach der Scheidung eine neue Familie und hat nicht genug Geld, finanziell für alle Beteiligten zu sorgen (was der Regelfall ist), dann ändert sich künftig die Rangfolge: Mussten vorher zunächst Kind(er) und Ehefrau der Erstfamilie versorgt werden, sind jetzt die Kinder aus Erst- und Zweit- (oder sogar Dritt-)familie auf Platz eins. Dann folgen auf Platz zwei die Ex- und aktuelle Ehefrau gleichberechtigt. Die Ex-Frau bekommt, so sie nach dem neuen Gesetz überhaupt unterhaltsberechtigt ist, also entweder gar nichts oder zumindest weniger als bisher.
Das ist ein krasser Abschied vom alten Grundsatz, den der Bundesgerichtshof noch 2005 wieder bestätigt hatte: Die Verpflichtungen der alten Familie gegenüber sei bildlich gesprochen "eine Hypothek, die abzuzahlen ist, bevor ein neues Haus gebaut werden kann".
Anwältin Klein, die etliche Fälle kennt, in denen "der alternde Mann seine Hausfrau für die 30 Jahre jüngere Sekretärin verlassen hat", hebt hervor, dass der ihr künftig den Unterhalt streichen kann, weil das Baby der "Neuen" unterwegs ist. "Das führt dazu, dass Männer sich nicht nur immer wieder neu binden und bis ins hohe Alter Kinder zeugen können, sondern hierfür sogar Entlastung durch die erste, zweite oder dritte Mutter verlangen können!"
Aber: Gibt es nicht auch die Fälle, in denen berufsmüde Frauen wg. Schwangerschaft ins Haus flüchten, es sich in der Babypause bequem machen und für den Fall der Scheidung schon mal ankündigen, ihn "bluten zu lassen"? "Ganz selten", sagen viele Familienrechtlerinnen und halten die Milliarden dagegen, die unterhaltssäumige oder -flüchtige Väter den Staat kosten.
Ein Gutes könnte das neue Unterhaltsrecht aber haben. "Wir hoffen, dass sich bei den neu geschlossenen Ehen die Frauen auf das Versorgerehe-Modell künftig nicht mehr einlassen", erklärt Sabina Schutter vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV). In der Tat träumt nur noch jede zwanzigste junge Frau von einer Zukunft als Hausfrau. "Wir finden es richtig, dass der Staat keine überkommenden Ehemodelle fördern will", räsonniert Schutter. Da ist was dran. Dann müsste er allerdings nun auch ganz schnell das Ehegattensplitting abschaffen, das die Hausfrauenehe mit 20 Milliarden Euro im Jahr subventioniert.
EMMA 3/2007

Zum Weiterlesen:
Hausfrauen ohne Netz (3/09)
Auslaufmodell Hausfrau (5/08)
Wer zahlt? (1/08)

Lore Maria Peschel-Gutzeit: Unterhaltsrecht aktuell (Nomos)

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