Auslaufmodell Hausfrau

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Frau Peschel-Gutzeit, halten Sie das erste Urteil zum neuen Unterhaltsrecht des BGH für richtig oder falsch?
Die Fragestellung ist missverständlich. Es steht ja nicht kategorisch im Gesetz: Sobald ein Kind drei Jahre alt ist, muss die Mutter wieder Vollzeit arbeiten. Sondern immer muss der Einzelfall geprüft werden. Diese Richter haben nun genau das gemacht. Sie haben geprüft, ob es Gründe dafür gibt, dass der Kindsvater der kinderbetreuenden Mutter weiterhin Unterhalt zahlen muss, auch wenn die Kinder jetzt über drei Jahre alt sind.

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Aber genau diese Altergrenze von drei Jahren ist doch als große Innovation des neuen Unterhaltsrechts verkauft worden. Wenn sie nun in jedem Einzelfall geprüft werden muss – hat sich dann überhaupt etwas geändert?
Oh ja! Bisher hatten wir ja jahrzehntelang das Altersphasen-Modell, von uns Juristen etwas spöttisch 08/15-Modell genannt. Also: Bis zum achten Lebensjahr arbeitet die Mutter gar nicht, bis zum 15. Lebensjahr Teilzeit und erst danach wieder Vollzeit. Das schien zunächst ein Vorteil, erwies sich aber als Nachteil für viele Frauen. Die standen nach 15 Jahren plötzlich da und stellten fest, dass sie in einer Sackgasse gelandet waren, weil der Arbeitsmarkt sie nicht mehr aufnahm. Dieses Altersphasen-Modell will das neue Unterhaltsrecht ausdrücklich abschaffen – und das tut es auch.

Trotz der aufgeweichten Altersgrenze?
Ja, es hat sich nämlich an der Beweislage sehr viel geändert. Wenn ich ein "knackiges Alete-Kind" habe, das voller Freude in den Kindergarten strebt, der auch noch bezahlbar ist und nur zehn Minuten entfernt liegt, dann muss die Mutter dieses dreijährigen Kindes nach dem neuen Recht natürlich arbeiten gehen. Wenn sie das nicht tut, muss sie darlegen, warum nicht. Indem sie zum Beispiel mit einem amtsärztlichen Gutachten nachweist, dass das Kind extrem trennungsgeschädigt ist und sie es nicht von morgens bis abends in eine Kita geben kann. Oder dass das Kind krank oder behindert ist und deshalb einen besonderen Betreuungsbedarf hat. Außerdem muss auch geschaut werden: Gibt es überhaupt eine außerhäusliche Betreuung, die erreichbar und bezahlbar ist? Wir haben ja große Landstriche in Deutschland, wo es bisher nicht genügend Kitas und Kindergärten gibt. Deshalb steht im Gesetz, dass "die Belange des Kindes und die bestehenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten" zu berücksichtigen sind.

Und dann gibt es auch da auch noch die so genannten "elternbedingten Belange".
Ja, eine Mutter kann zum Beispiel anführen, dass sie aufgrund der Arbeitsteilung in der 20-jährigen Ehe, in der sie die Kinder betreut hat, jetzt kurzfristig keine Stelle findet und daher einen Überbrückungsunterhalt braucht, bis sie wieder Boden unter den Füßen hat. Aber all das muss eben nachgewiesen werden. Das heißt, das alte Altersphasen-Modell ist so nicht mehr anwendbar. Das alles gilt übrigens auch für eine Trennung nach einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

In dem aktuellen BGH-Urteil ging es ja auch um ein unverheiratetes Paar …
… das das Gericht behandelt hat wie ein verheiratetes. Und das ist ebenfalls neu. Bisher erloschen ja die Unterhaltsansprüche von nichtehelichen Müttern nach drei Jahren faktisch gänzlich, abgesehen von wenigen Ausnahmen.

Bis die vierfache ledige Mutter Heike Preuß aus Isselburg am Niederrhein vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich die Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Müttern erklagte – eine kleine Revolution.
In der Tat. In ungewöhnlicher Deutlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht im Februar 2007 erklärt, dass es keine Gründe gibt, die nichteheliche Mutter im Unterhaltsrecht schlechter zu stellen als die eheliche.

Deshalb sagen Sie: Die unverheirateten Mütter gehören zu den Gewinnerinnen des neuen Unterhaltsrechts. Gewonnen haben aber auch die Frauen, die in zweiter oder gar dritter Ehe des Mannes Kinder bekommen.
Richtig, denn bisher war es ja so, dass die geschiedene Ehefrau – zusammen mit ihren Kindern – den besten Unterhaltsrang hatte. Die Kinder und die erste Ehefrau haben bisher in einer ganz großen Zahl von Fällen das verfügbare Einkommen des Mannes gänzlich verbraucht, so dass die aktuelle Ehefrau häufig nicht von ihrem Ehemann unterhalten werden konnte. Jetzt ist es so, dass zunächst mal alle Kinder aus sämtlichen Ehen oder Beziehungen den Vorrang im Unterhalt haben. Und wenn dann noch Geld übrig ist, stehen alle Kinder betreuenden Frauen unterhaltsrechtlich im selben Rang. Stellen wir uns also vor, ein Mann hat mit der ersten Ehefrau drei Kinder, mit der aktuellen zwei und mit der Geliebten noch ein Kind. Dann bekommen erstmal alle sechs Kinder Unterhalt und die drei Frauen müssen sich gleichrangig das teilen, was dann gegebenenfalls noch übrig ist. Damit steht die unverheiratete Mutter um Welten besser als bisher, die aktuelle Mutter um einiges besser als bisher – und die Ex-Frau schlechter als bisher.

Das erleichtert es den Männern – und es sind de facto ja meist Männer – aber doch, lustig immer neue Familien zu gründen, ohne Verantwortung für die alten zu übernehmen.
Damit sprechen Sie das Problem der "Vielweiberei" an (lacht). Ich sage immer: Der Koran erlaubt vier Ehen – aber nur, wenn der Mann auch alle vier Familien unterhalten kann. Bei uns geht das alles zum Sozialtarif. Das war allerdings in der bisherigen Gesetzgebung auch schon so, was die Kinder angeht. Ein Mann konnte auch früher jede Menge Kinder in die Welt setzen, und das hieß immer, dass der Unterhaltsanspruch der ersten Ehefrau verwässert wurde, weil es eben mehr Mäuler zu stopfen galt. Aber sie hatte bisher mit den Kindern denselben Rang, war also immerhin die einzige Frau, die im Mangelfall Unterhalt bekam.

Die Verliererinnen sind also die Frauen, die nach langen Ehen von ihren Männern verlassen werden – oder selbst gehen – und jetzt keinen garantierten Anspruch mehr auf Unterhalt haben?
Das ist so. Das neue Unterhaltsrecht ist in Ordnung für die jüngeren Frauen, die einen qualifizierten Beruf haben. Die müssen einfach nur wissen: Eine Ehe bewahrt sie nicht vor der Erwerbstätigkeit, sie müssen den Anschluss an den Beruf behalten. Anderes gilt aber für die Älteren, die keine qualifizierte Ausbildung haben oder eine, die längst veraltet ist. Für die ist das neue Recht wirklich hart. Die gehen vielleicht auf die 50 zu und finden nach einer Scheidung den Anschluss in den Beruf nicht mehr. Da muss man sich fragen: Ist das nicht eine Lebensentscheidung gewesen, die beide getroffen haben? Muss der Mann nicht daran gebunden bleiben, dass er damit einverstanden war, dass seine Frau über Jahrzehnte zu Hause geblieben ist und ihm den Rücken frei gehalten hat? Diese Frage habe ich auch im Gesetzgebungsprozess immer wieder gestellt und mich – wie wir wissen, vergeblich – dafür eingesetzt, eine Stichtagsregelung zu machen. Also: Ehen, die bis zum Soundsovielten geschlossen wurden, fallen nicht unter das neue Unterhaltsrecht. Das wäre eine klare Lösung gewesen. Stattdessen hat man gesagt: Das neue Recht gilt ab sofort und für alle – und hat damit die betroffenen Frauen in erhebliche Unklarheit gestürzt. Denn jetzt muss jeder Einzelfall von einem Gericht entschieden werden.

Aber da gibt es doch den sogenannten "Vertrauensschutz". Also: Eine Frau, die 25 Jahre lang verheiratet war und die drei gemeinsamen Kinder betreut hat, kann darauf vertrauen, dass dieses Ehemodell nach einer Scheidung berücksichtigt wird. Oder nicht?
Das ist eine Ermessensfrage. Aus dem Gesetz kann man es nicht sicher ablesen. Ich habe eine ganze Reihe solcher Mandantinnen, deren Ex-Ehemänner jetzt sogenannte Änderungsanträge stellen und zum Beispiel sagen: Die 700 Euro zahle ich nicht mehr! Dann muss ich beweisen, dass in der Ehe bestimmte Absprachen getroffen wurden, dass die Frau zu Hause bleibt etc. Fakt ist: Keine Frau, die sich nach langjähriger Ehe von ihrem Mann trennt oder von ihm verlassen wird, kann mehr sicher davon ausgehen, dass sie langfristig Unterhalt bekommt.

Und auch die so genannte "Ehestandard-Garantie" kippt gerade.
Ja, der Streit darum geht gerade los. Bisher war es ja so, dass die Arzthelferin, die den Chefarzt geheiratet hat, sich darauf berufen konnte, dass in der Ehe ein gewisser Lebensstandard herrschte und der Unterhalt nach einer Scheidung ihr diesen Standard weiterhin gewährleisten sollte. Das wird so nicht mehr laufen. Stattdessen wird geschaut: Was würde die Arzthelferin heute verdienen, wenn sie ihren Job nicht aufgegeben hätte? Oder auch: Hätte sie vielleicht irgendwann Medizin studiert und wäre heute selbst gut verdienende Ärztin? Wie die Rechtsprechung damit umgehen wird, ist noch völlig offen.

Im Klartext: Die Frau, die sich über Einkommen und Status ihres Mannes definiert, ist definitiv ein Auslaufmodell.
So ist es. Der BGH hat allein im letzten Jahr sieben Entscheidungen gefällt, die alle in diese Richtung gehen. Ich gebe deshalb den Frauen immer den Rat: Regelt die Frage, wer wie lange für die Kinder sorgen soll, im Vorfeld und möglichst schriftlich. So etwas kann man nämlich durchaus in einen Ehevertrag schreiben und das sollte man auch. Wenn ein Mann sich Kinder wünscht, muss die potenzielle Mutter ihm ins Gesicht sagen: "Ich trage dieses Risiko nicht allein!" Und den Frauen muss man, wenn man ihre Autonomie will, sagen: Gebt euch nicht der Illusion hin, dass euch die Ehe ein Leben lang erhält. Anders gesagt: Die Alternative "Beruf oder Ehe" ist vorbei.

Zum Weiterlesen:
Hausfrauen ohne Netz (3/09)
Wer zahlt? (1/08)
Der Tod der Hausfrau (3/07)

Lore Maria Peschel-Gutzeit: Unterhaltsrecht aktuell (Nomos)

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