Hausfrauen ohne Netz

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Der Sachverhalt ist nicht neu. Seit dem 1. Januar 2008 gilt das neue Unterhaltsrecht, das das Ende der Hausfrauenehe nun auch juristisch besiegelt. Seither haben geschiedene alleinerziehende Mütter (bzw. Väter) kein automatisches Recht mehr auf Unterhalt für sich. Denn der neue § 1570 begrenzt die Zeit: „Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen.“ Was allerdings nicht heißt, dass dieser Anspruch zwingend nach drei Jahren verfällt. Er kann sich verlängern, „solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen“. (EMMA berichtete wiederholt darüber in den Jahren 2007 und 2008.)

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Nach dem dritten Lebensjahr des Kindes müssen die Gerichte nun im Konfliktfall von Fall zu Fall entscheiden, wenn der betreuende Elternteil Unterhalt auch für sich beansprucht. Es existiert bereits eine ganze Reihe von Urteilen, die je nach Lage der Frauen (bisher waren immer Frauen die betreuenden Elternteile) von Fall zu Fall unterschiedlich ausfielen: Mal befand das Oberlandesgericht Hamm, eine Verkäuferin könne getrost halbtags tätig sein, während ihr Sohn im Kindergarten ist, und verringerte den Unterhaltsanspruch für ihre Person um 300 Euro. Mal räumte das Amtsgericht Düsseldorf der Mutter eines Elfjährigen eine Übergangszeit von neun Monaten ein, um sich einen Vollzeitjob zu suchen. Mal entschied das Kammergericht Berlin, dass der Mutter eines Achtjährigen keine Vollzeitstelle als Rechtsanwaltsgehilfin zuzumuten sei, weil ihr Sohn nur bis 15 Uhr im Hort betreut wird.

Im März 2009 nun eskalierte ein solcher Konflikt zum zweiten Mal bis hinauf zum Bundesgerichtshof (BGH). Der hob das Urteil des Kammergerichts Berlin auf, das zunächst zugunsten der Mutter entschieden hatte. Es ging dabei darum, ob einer Lehrerin, die wegen der Betreuung ihres siebenjährigen Sohnes eine 70-Prozent-Stelle hat, zugemutet werden kann, Vollzeit zu arbeiten. Das Oberste Gericht entschied nun, der Mutter sei eine Vollzeitstelle mit 23 Schulstunden zumutbar. Und es kritisierte, dass das Kammergericht nicht geprüft habe, ob die Lehrerin denn überhaupt über 16 Uhr hinaus unterrichten müsse.

Acht Monate zuvor, im Juli 2008, hatte der BGH zugunsten einer Mutter entschieden. Es sprach einer Fernmeldetechnikerin und Mutter zweier Kinder Unterhalt über das dritte Lebensjahr der Kinder hinaus zu. Begründung: Die Frau, die ihren Beruf für die Kinder fünf Jahre lang aufgegeben hatte, genieße „Vertrauensschutz“.

Das zweite Urteil des Obersten Gerichts jedoch brachte viele Mütter auf die Barrikaden. Nicht nur Mütter, die das traditionelle Modell des väterlichen Verdieners und der mütterlichen Hausfrau seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten leben, sondern auch junge Frauen, die es anders machen wollen, aber nicht immer können.

Diese Frauen argumentieren, dass selbst gutwillige Väter im Beruf Schwierigkeiten haben, in Vaterzeit zu gehen oder teilzeit wg. Elternschaft zu arbeiten, also noch immer die Mütter dran sind. Und sie erinnern daran, dass es nur sehr wenige Orte in Deutschland gibt, wo ein flächendeckendes Angebot von Krippen, Ganztagskindergärten und Ganztagsschulen vorhanden ist, und es für Frauen darum noch immer schwer ist, Kinder und Beruf zu vereinbaren.
Diese Frauen haben zweifellos recht. Während die Rechtsprechung konsequent von partnerschaftlichen Eltern und gleichen Berufschancen von Frauen und Männern ausgeht, sieht die Realität oft noch ganz anders aus.

Doch der Spagat zwischen Gesetz und Sitten ist nicht länger vom Vater Staat, sondern nur noch privat zu leisten: Durch klare Absprachen zwischen den Ehepartnern, die möglichst mit einem privatrechtlichen Vertrag untermauert werden sollten. Und dieser Vertrag sollte nicht erst geschlossen werden, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist – also der Konflikt da – sondern vorher! Am besten, noch bevor der geplante Nachwuchs auf der Welt ist. Danach ist es oft zu spät.

Denn verschärfend kommt hinzu, dass sich die Rangfolge der Unterhaltsansprüche zugunsten der Kinder – egal aus welcher Verbindung und egal ob ehelich oder nicht – und zugunsten eventueller „Erstfrauen“ geändert hat. Jetzt steht das Recht auf Unterhalt den Kindern aus allen Beziehungen des jeweiligen Mannes (theoretisch: der Frau) an erster Stelle zu, erst dann folgen die Mutter (Vater). Und zwar gleichrangig.

Also, liebe Frauen, viele gute Gründe, ein offenes Gespräch mit den (potenziellen) Vätern eurer Kinder zu führen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Variante eins: Durch zusätzliche Privatverträge persönliche Arrangements abzusichern, die nicht so gleichberechtigt sind wie das geltende Gesetz. Variante zwei: die real gelebte Gleichberechtigung mit 50/50 Haus und Beruf.

Zum Weiterlesen:
Lore Maria Peschel-Gutzeit: Unterhaltsrecht aktuell (Nomos)

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