Burka-Alarm!

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Die Angelegenheit eskalierte innerhalb von zwei Wochen zur Staatsaffäre. Nachdem dem Bürgermeister von Vénisseux bei Lyon, André Gérin, auf dem Marktplatz eine Frau unter der Burka entgegengekommen war, erklärte der Abgeordnete der Kommunistischen Partei am 8. Juni öffentlich: Diese Vollverschleierung, bei der sogar die Augenpartie unter einem Stoffgitter ist, sei eine Art "ambulantes Gefängnis" und ein Verstoß gegen die Menschenwürde. "Die Burka ist nur die Spitze des Eisberges", erklärte Gérin der Presse. "In etlichen Vierteln unserer Stadt sind überhaupt keine Kontakte zwischen Männern und Frauen ohne Bespitzelung mehr möglich. Der Fundamentalismus ist eine wirkliche Bedrohung für uns." Zusammen mit 60 Abgeordneten aller Parteien forderte Gérin öffentlich, dass der Staat handelt.

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Am 21. Juni nutzte Präsident Nicolas Sarkozy seine pompöse Regierungserklärung auf Schloss Versailles, um "solonell" ein Verbot der Burka in der Öffentlichkeit zu fordern: "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sie ist ein Zeichen der Unterdrückung, der Unterwerfung der Frauen", erklärte der Präsident. Und er verkündete: "Die Burka ist nicht willkommen auf unserem Staatsgebiet."

Damit reagierte der französische Präsident nicht zuletzt auf die Rede des amerikanischen Präsidenten vom 4. Juni in Kairo. Der hatte sich in seiner viel gelobten – weil einfühlsamen und diplomatischen – Rede nach Meinung so mancher gar zu verständnisvoll zu Kopftuch und Körperschleier geäußert. Ohne Frankreich beim Namen zu nennen, hatte Obama es sich erlaubt, das französische Kopftuchverbot an den Schulen zu kritisieren. Er sagte wörtlich: "Ich lehne die Ansicht einiger Menschen im Westen ab, dass eine Frau, die ihre Haare bedecken möchte, auf irgendeine Weise weniger gleich ist. Ich bin der Meinung, dass man einer Frau, der man Bildung verweigert, auch Gleichberechtigung verweigert."

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Am 1. Juli verurteile Al Qaida das bevorstehende Burka-Verbot. Der nordafrikanische Al-Qaida-Führer Abou Moussab Abdoul Wadoud drohte: "Wir werden uns im Namen der Ehre unserer Töchter und Schwestern an Frankreich rächen!" Und er fuhr fort: "Heute ist es der Tschador, morgen ist es der Niqab." (Bei letzterem ist nicht nur der ganze Körper und das Haar, sondern auch das Gesicht verschleiert.) Merke: Die Diktion kommt gerade Deutschen irgendwie bekannt vor …

Doch Präsident Sarkozy ließ sich nicht einschüchtern. Unter Vorsitz von Bürgermeister Gérin setzte er eine Kommission von 32 Abgeordneten aus allen Parteien ein. Die sollen bis Dezember dieses Jahres einen Rapport zum Burka-Verbot vorlegen. Dann wird entschieden.

Die Chefin der Sozialisten und Bürgermeisterin von Lille (Stadt mit hohem MigrantInnen-Anteil), Martine Aubry, erklärte allerdings schon jetzt, sie halte ein Burka-Verbot für eine "zu schlichte Lösung". Denn dann blieben die "burkatragenden Frauen zu Hause, und wir sehen sie nicht mehr." Aubry scheint dabei übersehen zu haben, dass diese Frauen schon heute unsichtbar sind … Und auch die Grünen-Chefin, Cecile Duflot, kann einem Burka-Verbot "nichts abgewinnen". Und ebenso warnt der Leiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vor einem Verbot: "Es wird die Frauen, die die Burka tragen, nur stigmatisieren."

Ganz anders die beiden Staatssekretärinnen muslimischer Herkunft im Sarkozy-Kabinett: Fadela Amara und Rama Yade. Amara, zuständig für die Vorstädte, Franco-Algerierin und Gründerin der Musliminnen-Organisation "Ni putes ni soumises" (Weder Hure, noch Unterworfene, EMMA 3/2004), sie plädiert uneingeschränkt für ein Verbot der Burka, die für sie ein "sichtbarer Ausdruck der Fundamentalisten in unserem Land" ist. Desgleichen Yade, die damalige afrikanischstämmige Staatssekretärin für Menschenrechte. Für sie ist die "menschenverachtende Burka" ein reiner Hohn. Die muslimischen Staatssekretärinnen sprechen damit vor allem den Musliminnen in Frankreich aus dem Herzen. Kein Wunder, sie sind es ja auch, die als erste unter der Burka leiden.

Auch Elisabeth Badinter, die sich bereits zu der ersten Schleieraffäre 1990 sehr grundsätzlich geäußert hatte, erhob wieder die Stimme. "Sind wir in Ihren Augen so verachtenswert und unrein, dass Sie jeden Kontakt, jede Beziehung mit uns verweigern, bis hin zu einem kleinen Lächeln?", fragte sie öffentlich die Burka-Trägerin. Und fuhr fort: "In Wahrheit nutzen Sie die demokratischen Freiheiten, um die Freiheit abzuschaffen. Das ist eine Ohrfeige für alle ihre unterdrückten Schwestern, denen für diese Freiheiten, die Sie so verachten, die Todesstrafe droht."

Und die Burka-Trägerinnen? Sie schweigen. Le Monde meldete, es lebten genau 357 Burkaträgerinnen in Frankreich – und jede vierte (!) sei eine Konvertitin. Die Einzige, die sich bisher in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet hat, ist in der Tat eine zum Islam konvertierte Französin. Neben ihrem langbärtigen Ehemann sitzend erklärte sie in dem TV-Sender France 2, sie trage ihre Burka "freiwillig" und aus "religiöser Überzeugung".
Im Dezember wird die Burka-Kommission Bericht erstatten. Nach dem Erfolg des Kopftuch-Verbotes in den Schulen ist in Frankreich für 2010 wohl mit einem Burka-Verbot zu rechnen.

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