Frankreich-Wahl: Sieger Macron

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Marine Le Pen, Valérie Pecresse, Anne Hidalgo, Nathalie Artheaud und Christiane Taubira: In Frankreich drängten so viele Frauen wie nie zuvor an die Macht.

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Zu den Besonderheiten Frankreichs zählt es, dass weibliche Ikonen Tradition sind – wie die Nobelpreisträgerin Marie Curie, die Philosophin Simone de Beauvoir oder die erste EU-Parlamentspräsidentin Simone Veil – aber die politische Macht immer fest in den Händen von Männern lag. Die Französinnen erhielten 26 Jahre nach den Deutschen, erst 1944, das Wahlrecht.

Cresson: "Eine grundsätzliche Frauen-
feindlichkeit in der französischen Politik"

Das Land hat bislang keine Präsidentin und nur eine Premierministerin gehabt; nur zehn Monate lang, vom 17. Mai 1991 bis zum 2. April 1992 trug die Sozialistin Edith Cresson die Verantwortung für die Regierungsgeschäfte. „Calamity Jane“, „die Pompadour“, oder ganz einfach „die Verrückte“ wurde Cresson von ihren Parteifreunden damals genannt. In der Zeitung Le Monde blickte die betagte Politikerin kürzlich zurück: „Natürlich geht es mit Frauenrechten voran, aber die Macho-Kultur in der Führungsriege ist immer noch da. Ich glaube, eine grundsätzliche Frauenfeindlichkeit wohnt der französischen Politik inne.“

Großbritannien wurde von 1979 bis 1990 und von 2016 bis 2019 von einer Frau regiert, Deutschland von 2005 bis 2021. Aber ist Frankreich bereit für eine Frau?

Für Le Pen ist es bereits der dritte Präsidentschaftswahlkampf. 2012 hatte sie gerade den Vorsitz der von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen gegründeten Partei Front National übernommen. Mit knapp 18 Prozent der Stimmen verfehlte sie den Einzug in die zweite Runde. Aber sie war damals von ihrer Mission beseelt, die vom Vater geerbte Partei neu zu positionieren und sich vor allem von den revisionistischen und antisemitischen Thesen loszusagen, die zum Fundus der Partei zählten. Ihrem Vater gefielen der neue Kurs und die neuen Berater, darunter viele Homosexuelle wie der ENA-Absolvent und langjährige Parteivize Florian Philippot, überhaupt nicht.

Marine Le Pen mit Fischern in St. Malo. Die Rechtspopulistin ist beliebt bei den sogenannten "kleinen Leuten" und Gelbwesten. - Foto: Aurelien Morissard/Panoramic/IMAGO
Marine Le Pen mit Fischern in St. Malo. Die Rechtspopulistin ist beliebt bei den sogenannten "kleinen Leuten". - Foto: IMAGO

Marine Le Pen entwickelte insbesondere in ihrer Wahlheimat in Nordfrankreich ihre Partei zum Auffanglager für Wut und Unmut über soziale Missstände und Filz der alteingesessenen Parteien. Ihre Thesen, die Kandidatin für das „unsichtbare“ und „vergessene“ Frankreich zu sein, verfingen besonders in den vom industriellen Strukturwandel geprägten Gebieten gut.

Im Süden baute ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen die von ihrem Großvater aufgebaute Bastion an Stammwählern mit einem strammen Anti-Einwanderungs- und Assimilierungsprogramm aus. 2017 gelang es Le Pen auf diese Weise, sich mit 21,3 Prozent der Stimmen für den zweiten Wahlgang zu qualifizieren. Doch im entscheidenden Fernsehduell gegen Macron trat sie schlecht vorbereitet auf, es wirkte, als beherrsche sie ihre Dossiers nicht, was Macron mit der Süffisanz des ENA-Absolventen gegen sie ausspielte.

Le Pen trat die Flucht nach vorn an und beschloss, der Partei einen neuen Namen zu geben. Das Rassemblement National wirbt nicht länger für einen Ausstieg aus dem Euro oder der EU. Nach mehreren Anläufen gelang es Le Pen, als salonfähige Kraft von anderen populistischen Parteien in der EU anerkannt zu werden. Bei den Europawahlen machte sie Macrons Bewegung den ersten Platz streitig. Die Gelbwesten-Krise hatte ihr schon zuvor wieder Aufwind verliehen, da sie vorführte, dass die soziale Unrast mit Macrons Wahl nicht verschwunden war.

Seit der Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten Louis Aliot lebt sie mit ihrer Kindergartenfreundin zusammen. Im Haushalt leben unzählige Katzen, was Le Pen vor der Kamera kommentierte: „In unserem Haus sind nur Frauen und das ist auch besser so!“

MICHAELA WIEGEL

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