Blau ist eine laue Farbe

Adèle Exarchopoulos und Léa Seydoux in "Blau ist eine warme Farbe".
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Das Blau dieses schlechten Films ist leider ein so lauwarmes, dass ich nicht einmal Lust habe, mich dazu zu äußern. Aber ich sehe mich gezwungen, denn offensichtlich ist das deutsche Publikum momentan geschlossen auf Drogen oder die Sehnsucht nach einem neuen „Last Tango in Paris“ ist so groß, dass niemand mehr sieht: Dieser Film ist vor allem eines - unsäglich langweilig.

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Es geht um zwei eindimensionale Figuren, die angeblich ein Klassenproblem haben. Das äußert sich, wenn überhaupt, dann auf merkwürdige Weise darin, dass das eine Mädchen Austern, die andere Spaghetti isst (mir war bisher nicht bewusst, dass Pasta ein Zeichen für das Prekariat darstellt); dass die eine sich bald als Künstlermacho aufführt, während die andere dauernd Kaffee kocht (das, scheint mir, ist kein Klassen-, sondern ein Geschlechterproblem, hier allerdings merkwürdig unreflektiert); dass die eine in Künstlerkreisen verkehrt, die andere Grundschullehrerin ist (der Gegensatz wird schon dadurch aufgehoben, dass die Gespräche in Künstlerkreisen, denen wir beiwohnen dürfen, Grundschulniveau haben und zum Gähnen schlecht geschrieben sind, wie überhaupt die Dialoge in diesem Film flach sind wie die Wüste).

Zwei junge Frauen also werden aufeinander zugetrieben. Nur findet das, was beide antreibt, nicht in einen Ausdruck, oder bündelte sich gar zu einer Anziehungskraft (von Romantik ganz zu schweigen), die die bevorstehenden drei Stunden Film in eine Liebesgeschichte verwandeln könnte. Da sind zwei Girls, die den neuen, großen, umwerfenden und - weil lesbisch - irrsinnig gewagten Liebesfilm der Saison bestreiten sollen. Die aber gar nicht wissen, wie sie das zeigen sollen mit dem Verliebtsein, weil sie keinen Raum haben, es darzustellen. Weil ein Regisseur jeden Hauch von Chemie, der sich zwischen den Schauspielerinnen eventuell hätte einstellen können, weginszeniert.

Wozu bloß, fragt man sich, da dieser Film außer einer vorgeblich kunstvollen Lichttechnik keine weitere Aussage hat. Während der ersten Minuten möchte man noch wohlwollend vermuten, es handelte sich vielleicht um eine Diagnose der Gesellschaft, um die Darstellung heutiger Roheit, einer Unfähigkeit der jungen Generation zur Bindung, zur Romantik, zum eigenen Gefühl, wird aber schnell enttäuscht. Darum geht es nicht, denn der Film möchte auch Drama sein, versucht sich sogar an einem Moment von Leidenschaft, als die eine die andere vor die Tür setzt, bevor er im Schneckentempo auf ein abschließendes Crescendo zukriecht. Leider wirkungslos (schlechte storyline), da keine Passion sichtbar war und die Figuren bloß Abziehbilder eines allzu begehrlichen Regisseurblickes bleiben.

Ich habe den Film in New York gesehen, und das schwul-lesbische Publikum unter den Zuschauern fing bald an zu lachen. Es ist in der Tat zum Lachen, was sich da auf der Leinwand tut, sobald es um Sex geht (Erotik wird um jeden Preis vermieden). Für die Darstellerinnen wäre es wahrscheinlich günstiger gewesen, hätte der Regisseur sie durch Aufblaspuppen ersetzt. Und auch wir hätten nicht viel verloren. Künstliche Genitalien trugen die Schauspielerinnen ohnehin, damit sie diese tagelange Tortur der Sexaufnahmen überstehen  konnten.

Entstanden sind pornografische Szenen in pathologischer Ausleuchtung, mit sehr viel hektischer Reibung und einer Vorliebe fürs Hinternauslutschen, die mit erster Liebe und erstem Sex rein nichts zu tun haben, von Aufblaspuppen aber mühelos zu meistern gewesen wären. Ich bin sicher, es gibt auch Puppen, die man so aufziehen kann, dass ihnen ständig die Nase läuft. Dann wäre der Unterschied noch kleiner gewesen.

Was mich am meisten ärgert, ist die verschenkte Möglichkeit. Und: wie kann man einen guten Titel so versauen.

 

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