Fußball-WM: Katar & die Islamisten

Foto: www.fussballwm2022.com
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Den Anpfiff für das Eröffnungsspiel der diesjährigen Fußball-Weltmeisterschaft in Katar werden viele homosexuelle Fans, wenn überhaupt, dann nur vom heimischen Fernseher aus miterleben können. Sie dürften sich kaum persönlich in die Höhle des islamistischen Löwen zu trauen. Denn sie müssten schließlich damit rechnen, in dem Wüstenstaat aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht einmal ein Hotelzimmer zu bekommen.

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Gleich mehrere offizielle WM-Hotels lehnten es nach jüngsten Recherchen skandinavischer Medien ab, gleichgeschlechtliche Paare aufzunehmen – und wiesen potenzielle Kunden gar darauf hin, dass sich „homosexuell zu kleiden“ einen Verstoß gegen die islamischen Gesetze des Landes bedeute.

Schon 2010, als die Vergabe der Meisterschaft an das Emirat erfolgte, waren die Bedenken über die dortige Menschenrechtssituation groß. Zu offensichtlich schien die institutionalisierte Nichtachtung des Rechts von Frauen, Mädchen und Homosexuellen auf ein selbstbestimmtes Leben. Katar belegte damals den 121. von 153 möglichen Plätzen des Human Freedom Index, der einen weltweiten Überblick über die Gewährung persönlicher Freiheit bietet.

Frauen benötigen einen männlichen Vormund, um arbeiten zu dürfen

Seit der Vergabe der WM hat sich dies nicht verbessert, im Gegenteil. Katar stürzte – unter anderem wegen der brutalen und oft mörderischen Ausbeutung billiger Arbeitskräfte zum Bau der benötigten Sportanlagen – um weitere neun Plätze ab.

Um trotz der offensiv betriebenen wirtschaftlichen Öffnung des Landes den Weiterbestand seiner „religiösen Natur“ und Tradition sicherzustellen, vollstreckt Katar eine Vielzahl von scharf formulierten Gesetzen und Verordnungen. Die Mehrheit dieser Regelungen gilt, darüber vermag keine PR-Kampagne hinwegzutäuschen, ausschließlich für ein Geschlecht: Frauen. Weiterhin muss jede Frau die schriftliche Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen, um berufstätig sein oder heiraten zu dürfen. Mit einer Scheidung verwirken Frauen ihr Anrecht darauf, die eigenen Kinder großzuziehen – denn gibt es keinen männlichen Verwandten, der als Vormund fungiert, übernimmt automatisch der Staat diese Rolle.

Unerbittlich frauenfeindlich bleibt man sogar, wenn das Unrecht im kriminellen Kontext geschieht.Für internationale Empörung sorgte 2016 ein Verfahren gegen eine niederländische Staatsbürgerin, die während eines Urlaubs in Katar eine Vergewaltigung anzeigte und daraufhin monatelang von den dortigen Behörden festgehalten wurde. Anschließend verurteilte man nicht etwa den Täter, sondern das Opfer wegen „außerehelichen Geschlechtsverkehrs“ zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe. Sodann verwies man sie des Landes.

Wer nun all dies zurecht empörend findet und die diesjährige WM aus ethischen Gründen boykottieren will, ist leider trotzdem nicht vor dem langen Arm des islamistischen Emirs aus Katar gefeit: Seit Jahren exportiert das Land, aus dem wir trotz unserer „feministischen Außenpolitik“ künftig einen großen Teil unseres Gases beziehen werden, mit viel Geld und Aufwand seine frauen- und homofeindliche Agenda in die ganze Welt. Vor allem nach Europa. In ihrem Buch „Qatar Papers“ arbeiteten die französischen Journalisten Christian Chesnot und Georges Malbrunot vor Kurzem detailliert geleakte Geheimdokumente auf, die beweisen, wie Katar zu einem der Hauptfinanciers der (europäischen) Muslimbruderschaft avancierte.

Diese 1928 in Ägypten gegründete Bewegung ist die älteste islamistische Organisation in der arabischen Welt und gilt als Vorreiter und Referenzpunkt des zeitgenössischen politischen Islams weltweit. Fazit der Autoren von „Qatar Papers“: Millionenbeträge flossen und fließen aus Katar in europäische Moscheevereine und Glaubensgemeinschaften, um die rückwärtsgewandte und frauenfeindliche Ideologie der katarischen Herrscher dort zu propagieren. Mit einer vorgeblich wohltätigen Strategie will das Land, in dem Frauen systematisch entrechtet werden, seinen Anspruch auf Deutungshoheit über die Glaubenswelten europäischer Muslime sicherstellen.

Die Organsisation "Qatar Charity"  gibt sich handzahm, finanziert aber Islamisten

Bis ins Jahr 2014 betrugen die Moscheeförderungen aus dem Emirat europaweit mehr als 70 Millionen Euro, fünf Millionen davon gingen an Projekte in mehreren deutschen Städten. Was die Höhe der Gelder anbelangt, belegte Deutschland damit – nach Italien, Frankreich und Spanien – den vierten Platz.

Die Hilfsorganisation „Qatar Charity“, eng angebunden an die politische Führung Katars, finanzierte zum Beispiel einen Teil des „Münchner Forums für Islam“, das sich als handzahmes interkulturelles Begegnungszentrum präsentiert, und zu dessen Hauptinitiatoren der Imam Benjamin Idriz zählt. Idriz, ein Absolvent der einflussreichsten Bildungsanstalt der Muslimbruderschaft in Europa, wurde als Vorbeter einer Moschee in der bayrischen Provinz jahrelang vom Verfassungsschutz beobachtet, da man ihn der Zusammenarbeit mit führenden Vertretern der Bewegung verdächtigte. Abgehörte Telefonate legten nahe, dass Idriz, nach außen weltoffen und versöhnlich, in Wahrheit unter der Kontrolle des deutsch-ägyptischen Multifunktionärs Ibrahim El-Zayat aus Marburg stand. Dessen Firmengeflecht gilt den Verfassungsschützern als Dreh- und Angelpunkt des Islamismus deutscher Prägung – und soll beim Bau von mehr als 100 Moscheeprojekten in ganz Europa involviert gewesen sein.

Für die Geldgeber aus Katar war all das anscheinend kein Hindernis, sondern viel eher die Voraussetzung für eine fruchtbare und tragfähige Zusammenarbeit.

Benjamin Idriz selbst versteht es unterdessen, sein häppchenweises Einstehen für die Stärkung von Frauenrechten publikumsgerecht zu vermitteln. So kritisierte der u. a. in Syrien ausgebildete Theologe in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die fehlende Bereitschaft zur innerreligiösen Reform und rief muslimische Männer dazu auf, sich ihrer unfairen Privilegien bewusst zu werden. Gleichzeitig argumentierte er äußerst wohlwollend, Vers 34 in Sure vier des Koran („Und diejenigen, deren Widersetzlichkeit ihr befürchtet, – ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.“) sei eigentlich nicht als Aufruf zum Schlagen der Frau zu verstehen, sondern eher als Appell, sich eine Zeit lang zu trennen.

Katar spendete 400.000 Euro an eine reaktionäre Berliner Moschee

Den Recherchen der französischen Journalisten zufolge spendete Katar weitere 400.000 Euro an die Berliner Moschee „Neuköllner Begegnungsstätte“, die aufgrund ihrer Nähe zu Islamisten und Hasspredigern seit Jahren die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes auf sich zieht. 2014 war in der Gemeinde, der die Soziologin Necla Kelek bescheinigt, zu den „reaktionärsten Moscheen Berlins“ zu zählen, u. a. ein Geistlicher aufgetreten, der der palästinensischen Terrormiliz Hamas nahesteht.

Obwohl sich Mohamed Taha Sabri, der Imam der Moschee, gegenüber der (Medien)Öffentlichkeit betont aufgeschlossen und tolerant gibt, pflegte auch er nachweislich den persönlichen Kontakt mit Muslimbrüdern. Vor einigen Jahren nahm er gar, freundlich lächelnd, eine Urkunde von Abdullah Al-Judai, dem stellvertretenden Vorsitzenden des wichtigsten theologischen Gremiums der europäischen  Muslimbruderschaft, entgegen.

Die mit hohen Summen aus dem Golfemirat finanzierten Netzwerke der Muslimbruderschaft verfolgen seit Jahren die Strategie, zu einer gewichtigen Stimme muslimischer Gemeinschaften in ihren jeweiligen Heimatländern – so auch in Deutschland – zu werden. Werden wir uns also einer bitteren Wahrheit bewusst: Die Milliarden, die der internationale Fußball im Winter in die Kassen der islamistischen Kataris spült, werden in den kommenden Jahren auch dafür verwendet werden, bei der europäischen muslimischen Bevölkerung Frauen- und Homofeindlichkeit zu befeuern. Die Rechnung dafür bezahlen wir alle.

SAÏDA KELLER-MESSAHLI

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Unsere Freunde in Katar

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Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte wird das Außenministerium von einer Frau geleitet. Im Januar 2022 skizzierte die amtierende Ministerin Annalena Baerbock die Leitlinien ihrer zukünftigen Arbeit. Diese solle im Kern eine menschenrechtsorientierte Klimapolitik und eine feministische Außenpolitik beinhalten. Auch im Koalitionsvertrag steht, die Regierung wolle Rechte, Repräsentanz und Ressourcen von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen wie LSBTI stärken und sich für ihre politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe einsetzen.

Das sind lobenswerte Ansätze, deren Umsetzung allerdings in der politischen Praxis überprüft werden müssen, wenn sie mehr als leere Rhetorik sein wollen. Doch bereits im Februar 2022 wurden die hehren Pläne einer feministischen Außenpolitik von der Realität eingeholt. Den drohenden Kollaps der Energieversorgung mit unabsehbaren Folgen für die deutsche Wirtschaft und die innere Sicherheit vor Augen, reiste Robert Habeck nach Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate, um dort für eine Energiepartnerschaft zu werben. Geradezu ikonisch wirken die Bilder des deutschen Vizekanzlers, der mit tief gebeugtem Rücken die Hand des katarischen Handelsministers ergriff.

Was bedeutet das für die Vision der Außenministerin, die Politik feministisch und menschenrechtsbasiert zu gestalten? Schauen wir uns an, wie es um die Menschenrechte und besonders um die Rechte von Frauen und Mädchen in den beiden Ländern bestellt ist. Im Freiheitsindex der Nichtregierungsorganisation „Freedom House“ belegt Katar Platz sechs von sieben möglichen Plätzen und gilt also als ziemlich unfrei. Der Emir kontrolliert die Legislative, die Exekutive und die Judikative. Politische Parteien? Gibt es nicht. Die Freiheit von Presse und Wissenschaft sind ebenso eingeschränkt wie die Rechte ausländischer Beschäftigter. Die Arbeitsbedingungen von Migranten wurden zuletzt im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2022 in den Blick genommen. Sie sind katastrophal. Außenministerin Baerbock hatte deshalb im vergangenen Jahr einen Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft gefordert. Die wird im November/Dezember stattfinden.

Vor allem den katarischen Frauen werden elementare Rechte vorenthalten. Der Islam ist Staatsreligion und das Personenstandsrecht orientiert sich an der Scharia. Konkret bedeutet dies, dass sie unter lebenslanger Vormundschaft ihres Mannes oder eines männlichen Verwandten stehen und keine selbstständigen Entscheidungen treffen können. Dies betrifft Ausbildung und Arbeit, aber auch Reisen und Eheschließungen. In der Ehe gilt die Gehorsamspflicht der Frau, die deren sexuelle Verfügbarkeit miteinschließt. Männer können bis zu vier Frauen heiraten und sich nach Belieben wieder von ihnen scheiden lassen. Für Frauen ist eine Scheidung sehr viel komplizierter und immer mit dem Verlust des Sorgerechts für ihre Kinder verbunden.
Die Situation in den Vereinigten Arabischen Emiraten sieht in vielerlei Hinsicht ähnlich aus. Auch dort sind Arbeitsmigranten weitgehend rechtlos und über das Schicksal weiblicher Hausangestellter wird immer wieder Schreckliches berichtet. Um häuslichen Gewaltverhältnissen zu entkommen, springen sie aus Fenstern, fliehen beim Einkaufen und suchen in den Botschaften ihrer Länder Schutz, weil ihnen die Ausreise untersagt wird.

Wie es um die freie Meinungsäußerung bestellt ist, zeigt das Schicksal des Menschenrechtsaktivisten Ahmed Mansour, der wegen „Schädigung des internationalen Rufes des Emirates“ zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. In Bezug auf die Partizipation von Frauen gehört das Land zu denjenigen, denen das Weltwirtschaftsforum im Rahmen des jährlichen Global Gender Gap Report eine positive Entwicklungsbilanz bescheinigte. Der Emir selbst ist allerdings kein Beispiel für eine emanzipierte Lebensführung. Zwei seiner Töchter sollen versucht haben zu fliehen und werden seither gefangen halten. Eine seiner Frauen versteckt sich seit Jahren vor seinem Zugriff.

Auch die Islamische Republik Iran wurde als mögliche Option für eine zukünftige Energiepartnerschaft erwähnt. Das Land verfügt über die zweitgrößten Gas- und die viertgrößten Ölreserven der Welt. Unter Menschenrechtsbedingungen wäre der Iran noch problematischer als die beiden Golfstaaten. Die religiöse Elite mit einem auf Lebenszeit ernannten obersten Führer hat eine unerbittliche Diktatur errichtet und unterdrückt die Opposition mit Hilfe der Revolutionsgarden.

Ein anderes Mittel der Herrschaftssicherung ist die Justiz, die die Opposition mit drakonischen Strafen einzuschüchtern versucht. So wurde die Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh 2018 zu fünf und 2019 zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenschlägen verurteilt, weil sie Frauen verteidigt hatte, die gegen den staatlichen Kopftuchzwang protestiert hatten. Frauen werden per Gesetz gezwungen, ihren Kopf und Körper zu verhüllen. Amnesty International berichtet im Jahr 2021 über Misshandlungen von Gefangenen, sexuelle Übergriffe und unmenschliche Haftbedingungen. Hinzu kommen Todesurteile, die u. a. wegen Homosexualität verhängt werden. Allein im Jahr 2020 wurden 246 Menschen hingerichtet.

Als Ayatollah Khomeini an der Spitze einer Gruppe islamistischer Hardliner im Jahr 1979 im Iran die Macht übernahm, brach für Frauen ein Rückfall in Zeiten eines finsteren Patriarchats an. Sie verloren alle Rechte, die sie im Verlaufe mehrerer Jahrzehnte erstritten hatten und wurden unter die nahezu uneingeschränkte Autorität ihrer Ehemänner gestellt. Häusliche Gewalt wurde als ausdrücklich erlaubte Disziplinierungsmaßnahme verharmlost. Zwangsheiraten nahmen zu und nicht selten waren die Bräute noch Kinder. Khomeini senkte das Heiratsalter von 18 auf neun Jahre, weil Mohammed seiner Ansicht nach ebenfalls einmal eine Neunjährige geheiratet hatte. Heute liegt das Heiratsalter bei 13 Jahren.

Internationale Politik ist keine Spielwiese für Idealisten. Sie kann aber auch nicht allein durch wirtschaftliche und geopolitische Interessen bestimmt werden. Das ist die Lehre aus der blauäugigen Zusammenarbeit mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen kriegerische Aggressionen man in der Vergangenheit ebenso geduldet hatte wie die Verfolgung der Opposition im eigenen Land.

Sie durch eine neue Abhängigkeit von islamistischen Regimen zu ersetzen, führt allerdings in die Irre. Schon einmal haben westliche Staaten die islamistische Karte gespielt und sind damit gescheitert. Es handelte sich um die Aufrüstung der Mudschaheddin in Afghanistan, die in den 1970er Jahren gegen die sowjetische Armee in Stellung gebracht wurden. Daraus entwickelte sich zunächst ein Bürgerkrieg mit Tausenden Toten und dann ein islamistisches Emirat, in dem Mädchen nicht mehr in die Schule gehen durften und es Frauen verboten war, das Haus zu verlassen. Es wäre zu hoffen, dass die neue Regierung aus der Geschichte lernt und wenigstens ein Minimum der Inhalte in die Realpolitik rettet, die unter dem Begriff „Feministische Außenpolitik“ angekündigt wurden

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