Die Mutter bin ich!

Vater Jochen König: Keine Ausreden. Selbst ist der Mann!
Artikel teilen

Dass Mütter nicht loslassen können, ist eine der beliebtesten Ausreden von Vätern, sich nicht oder zumindest wesentlich weniger als die Mutter, um das eigene Kind zu kümmern. Väter beschweren sich über Gluckenmütter, die nicht abgeben könnten oder über Ex-Partnerinnen, die ihnen den Zugang zum Kind verwehren: Ich würde ja gerne, aber meine Frau/Ex-Frau/die Mutter meines Kindes lässt mich nicht. 

Anzeige

Ich habe mittlerweile zwei Kinder und hatte bisher keine Probleme mit Müttern, die nicht loslassen können. Und das ist kein Zufall. Ich war und bin im Umgang mit meinen Töchtern zwar oft genug überfordert; ich war und bin oft genug unsicher. Aber das geht nicht nur mir so: Auch eine Mutter sieht ihr Kind nach der Geburt zum ersten Mal. Auch Mütter haben nicht sofort eine Beziehung zu dem nach der Geburt blutverschmierten, röchelnden und schreienden kleinen Menschen. Auch eine Mutter weiß nicht automatisch, wie ein Baby am einfachsten zu wickeln ist und wann genau es Hunger hat. Auch eine Mutter muss sich dieses Wissen und die Beziehung zu ihrem Kind erst erarbeiten. 

Ich bin oft überfordert. Ich bin oft unsicher. Aber das geht auch Müttern so.

Seit ihrer Geburt lebt meine mittlerweile sechsjährige große Tochter überwiegend bei mir. Mit ihr war ich zwölf Monate in Elternzeit. Meine kleinere Tochter ist gerade drei Monate alt. Ich habe – in Absprache mit den Müttern – jeweils von Geburt an deutlich gemacht, dass ich lernen möchte, den Umgang mit meinen Töchtern auch eigenverantwortlich zu gestalten und zu organisieren. Ich habe vermittelt, dass ich viel Zeit in die Beziehung zu meinen Töchtern investieren möchte und dafür auch gerne bereit bin, beruflich in erheblichem Maße zurückzustecken. Ich habe vermittelt, dass es meinen Töchtern bei mir gut geht, dass es ihnen bei mir an nichts fehlt, dass ich weiß, was ich tue, dass ich auch alleine gut für sie sorgen kann, dass ich dauerhaft für sie da sein werde und dass ich versuche, alle anfallenden Aufgaben mitzudenken.

Die Verantwortung für ein Kind wiegt schwer. Auch mir fällt es schwer, loszulassen, wenn ich weiß, dass ich als Hauptbezugsperson meiner großen Tochter dafür verantwortlich gemacht werde, wenn es ihr nicht gut geht oder wenn ich zuhause bleiben muss, wenn das Kind krank geworden ist, weil es mit einer anderen Person unterwegs war: ohne Mütze. Die Gesellschaft vermittelt Müttern tagtäglich, dass sie es sind, die für ihre Kinder verantwortlich sind. Ob eine Mutter diese Verantwortung abgeben kann, hängt in erheblichem Ausmaß davon ab, wie sich der Vater verhält.

Das erste Jahr ist komplett an den Bedürfnissen des Babys ausgerichtet. Die Zeit ist geprägt von Schlafmangel, immer gleichen Aufgaben und täglicher Sorge. Die Betreuung, Versorgung und Pflege eines Kindes ist in dieser Zeit ein 24-Stunden Job. Wie selbstverständlich ist es in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle noch immer die Mutter, die diesen Job übernimmt.

Wer auch unangenehme Aufgaben übernimmt, wird selten davon abgehalten.

Auch seit der Einführung des Elterngelds hat sich an der Arbeitsaufteilung besonders im ersten Lebensjahr eines Kindes nicht viel geändert. Wenn Väter überhaupt in Elternzeit gehen, dann meistens nur für die zwei so genannten Vätermonate. Nur sechs Prozent der Väter nehmen mehr als diese zwei Monate in Anspruch. Und in überhaupt nur rund einem Drittel der Fälle nehmen beide Elternteile die Elternzeit nacheinander. Väter, die im ersten Jahr selbstständig und auch alleine Verantwortung für die Pflege-, Betreuungs- und Erziehungsaufgaben eines Kindes für mehr als nur zwei Monate übernehmen, gibt es also statistisch noch immer nicht in relevanter Anzahl.

Was im ersten Jahr alles zu tun ist, reicht gut und gerne, um auch zwei Menschen ausreichend zu beschäftigen. Ich kenne keine hauptverantwortliche Mutter, die in dieser Zeit unglücklich über Unterstützungsangebote wäre. Wer wie selbstverständlich auch unangenehme Aufgaben eigenverantwortlich übernimmt, wird in den seltensten Fällen davon abgehalten. So, wie sich einige Väter anstellen, ist es jedoch für eine Mutter manchmal einfacher, die Aufgaben schnell selbst zu erledigen, als den Vater mühsam einzuweisen. Wer ständig danach fragt, wo denn jetzt die Windeln aufbewahrt werden, ob das Kind Hunger hat, wann der Kinderarzt ansteht oder sich nur die schönen Aufgaben aussucht, ist im Zweifelsfall keine Unterstützung, sondern eine zusätzliche Belastung. Es ist nicht die Aufgabe der Mutter, den Vater im Umgang mit dem Kind einzuweisen.

Wer jahrelang eher als Wochenendpapa oder als so genannter neuer Vater im Rahmen weniger Elternzeitmonate gastiert hat, wer Vollzeit gearbeitet hat, wer sich ums Durchschlafen, den Kitaplatz oder die Krankheit des Kindes bisher kaum Gedanken machen musste, der darf sich nicht beschweren, wenn sich eine andere Person gezwungenermaßen verantwortlicher fühlt. Und wer dann beispielsweise im Falle einer Trennung plötzlich Ansprüche stellt und mehr für das eigene Kind da sein möchte, braucht sich nicht wundern, wenn die Mutter erst einmal skeptisch ist.
 

Weiterlesen
Das Dossier "Generation Vater" in der aktuellen EMMA: Papa allein zu Haus. Ein Handwerker in Elternzeit. Ein Topmanager gibt den Vater. Gute alte Werte und schlechte alte Rollen. Zwei Väter gestehen: Es ist die Hölle! mehr

Artikel teilen

Wird die Väterzeit Pflicht?

Artikel teilen

EU-Kommissar Vladimír Spidla denkt ernsthaft darüber nach, den Vätern in Europa Beine zu machen. Sollte er das schaffen, wird es ein Heulen und Zähneklappern geben …

Anzeige

Morgens die Windeln wechseln, danach das Fläschchen geben und dann ab auf den Spielplatz. Hier ist vom Vater die Rede – Ursula von der Leyen sei Dank. Seit dem 1. Januar 2007 gibt es ja die „Vätermonate“, zwei von 14. Dennoch sind Väter auf dem Spielplatz immer noch die Ausnahme.
Doch wenn es nach Vladimír Spidla, EU-Sozialkommissar und selbst Vater von zwei Söhnen, geht, könnte der Vaterschaftsurlaub nicht länger nur Kür, sondern bald Pflicht werden. In einem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern fordert der Tscheche „eine bessere Aufteilung der privaten und familiären Verpflichtungen unter Frauen und Männern“ und die Propagierung des „Konzepts des Vaterschaftsurlaubs“.
Verhandlungen mit europäischen Gewerkschaften und Arbeitgebern über die Väterzeit laufen bereits. Denn eine Einbindung von Wirtschaft und Gewerkschaften in diesen Vorstoß ist unabdingbar. Im Visier hat der EU-Kommissar bei erfolgreichen Gesprächen ein Gesetz, das die Babypause für Väter zur Pflicht macht. Er wolle „nicht ausschließen, dass es einen Legislativvorschlag geben wird“, erklärte Spidla.
Was einer Sensation gleichkäme, wäre ein verabschiedetes EU-Gesetz doch verbindlich für alle Mitgliedsstaaten, inklusive Deutschland. „Für uns ist es ein kleiner Sieg“, schätzt EU-Abgeordnete Lissy Gröner (SPD), die Initiative ein. Aber: „Wir im Frauenausschuss müssen die Kommission weiter unter Druck setzen, damit der von Spidla angekündigte Legislativvorschlag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch wirklich kommt.“
Mit der Väterzeit will die EU im „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“ den berufstätigen Müttern das Leben erleichtern. Denn während die Beschäftigungsrate bei Frauen ohne Kinder EU-weit im Jahr 2005 des europäischen Statistikamtes Eurostat bei 76 Prozent lag, waren nur 61 Prozent der Mütter beschäftigt. In Deutschland liegt die Beschäftigungsquote von Müttern sogar nur bei 56 Prozent.
Im Gegensatz dazu sind im EU-Durchschnitt mehr Väter voll beschäftigt als kinderlose Männer, nämlich 92 Prozent (gegenüber 87 Prozent). Und von den Männern übernehmen EU-weit nur 8 Prozent (in Deutschland 9 Prozent) Teilzeitstellen, während 33 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten (in Deutschland 46 Prozent).
Die Beschäftigungsquote bei Frauen geht um 15 Prozent zurück, sobald sie ein Kind bekommen, die Quote der Männer steigt um sechs Prozent an.
Die Rahmenbedingungen der Väterzeit sind sehr vage formuliert – was nicht ungewöhnlich für die EU ist. Klar wird in dem Bericht der EU unterstrichen, dass die Elternzeit für Männer Pflicht werden muss. „Es gilt sicherzustellen, das ein Elternurlaub für Männer genauso möglich wird wie für Frauen und insbesondere, dass er persönlicher (nicht übertragbarer) Natur ist“, heißt es. Kneifen wäre dann nicht länger möglich.
In Bezug auf die Dauer der Babypause bleibt der EU-Kommissar allerdings schwammig. Seine Dauer solle „einer Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht entgegenstehen“. Nun sind die Gesetzgebungen in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich. Die gerechte Aufteilung müsste zweifellos so aussehen: 50 Prozent Elternzeit für die Mutter, 50 Prozent Elternzeit für den Vater – sofern es beide Elternteile in der Familie gibt. „Es kann nur so laufen, dass beide Eltern den selben Anspruch haben und dieser verfällt, wenn er nicht wahrgenommen wird“, findet Lissy Gröner.
Ob das Gesetz in absehbarer Zeit kommt, ist noch fraglich. Die EU arbeitet langsam und ein Legislativvorschlag muss dem Europäischen Parlament sowie dem Rat der Europäischen Union unterbreitet werden. Doch eine gesetzliche Verpflichtung für Väter, sich so wie die Mütter um das Baby zu kümmern, könnte eines Tages europaweit Realität werden. Für Gröner hängt dies auch vom Umfeld innerhalb der EU ab. „Die Bereitschaft von Spidla ist da. Jetzt braucht er vor allen Dingen Unterstützung von Außen, je mehr, desto besser.“
Übrigens: Der tschechische EU-Kommissar Vladimír Spidla ist selbst mit guten Beispiel vorangegangen. Während einer Krankheit seiner Frau kümmerte sich der 56-jährige promovierte Historiker zwei Jahre lang nahezu allein um seine beiden Söhne.
Rieke Havertz, EMMA 5/2007

Weiterlesen
 
Zur Startseite