Feministische Außenpolitik?

100 Jahre feministische Außenpolitik und Kampf gegen Vergewaltigung als Kriegswaffe: von 1915 bis 2023.
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Bis zum Eklat dauerte es nur ein paar Wochen. Am 3. Oktober 2014, dem Tag ihrer Amtseinführung, hatte die schwedische Außenministerin Margot Wallström verkündet, ihr Land verfolge von nun an eine „feministische Außenpolitik“. Die Welt staunte, konnte die Sache aber schlecht als Spleen einer übereifrigen skandinavischen Frauenpolitikerin abtun. Schließlich hatte auch der neue Ministerpräsident Stefan Lövfen seine rot-grüne Regierung zur „weltweit ersten feministischen Regierung“ erklärt. Wallström, stellvertretende Ministerpräsidentin, und ihr Chef meinten es offenbar ernst.

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Am 10. März 2015 beendete der feministische Ministerpräsident einen milliardenschweren Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien. Zehn Jahre lang hatte Schweden den Saudis – drittgrößte Kunden der schwedischen Rüstungsindustrie – „Militärprodukte“ geliefert und sogar beim Aufbau einer Waffenfabrik geholfen. Damit sollte jetzt Schluss sein. König Salman tobte und zog seinen Botschafter aus Stockholm ab.

Wallström hatte erlebt, wie Männer nach dem Krieg Frauen und Kinder misshandelten

Dass man Margot Wallström mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ ernst nahm, lag auch an ihrer Erfahrung. Die Sozialdemokratin, die schon 1988 ihr erstes Ministeramt angetreten hatte und ab 1999 elf Jahre lang EU-Kommissarin gewesen war, war von 2010 bis 2012 als „UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Kriegen und Konflikten“ im Einsatz. Ministerin Wallström hatte erlebt, wie Vergewaltigungen von Soldaten als Kriegswaffe eingesetzt wurden – und auch, wie brutalisierte Männer aus dem Krieg zurückkehrten und zu Hause ihre eigenen Frauen misshandelten.

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Sie hatte gesehen, wie Frauen während des Krieges die Gesellschaft am Laufen hielten, aber dennoch nicht mit an den Verhandlungstischen saßen, wenn es darum ging, darüber zu entscheiden, wie die Gesellschaft nach Kriegsende aussehen sollte. Und sie hatte verstanden, dass das Geld, das in den Wiederaufbau floss, allzu oft nicht bei Frauen und Kindern landete. „Menschenrechte sind auch Frauenrechte“, sagte Wallström. „Dass so eine simple Feststellung immer noch viele Kontroversen auslöst, zeigt glasklar die Notwendigkeit einer feministischen Außenpolitik.“

So ähnlich klang auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, als sie am 1. März 2023, sieben Tage vor dem Internationalen Frauentag, die „Leitlinien“ ihrer „feministischen Außenpolitik“ vorstellte. „Wir verfolgen eine feministische Außenpolitik, weil es bitternötig ist“, erklärte Baerbock. „Weil Männer und Frauen weltweit noch immer nicht gleichgestellt sind. Weil Frauen, aber auch Kinder oder Ältere in Konflikten besonders verletzlich sind. Auf meinen Reisen habe ich immer wieder einen Satz gehört, von dem ich gehofft hatte, dass er längst der Vergangenheit angehört: ‚Vergewaltigung – das gehört halt zum Krieg dazu.‘ Feministische Außenpolitik bedeutet, sich dagegenzustellen, klarzumachen, dass Vergewaltigungen ein Kriegsverbrechen sind. Und dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen.“

Feministische Außenpolitik - theroetisch eine gute Idee. Und in der Praxis?

Feministische Außenpolitik sei „kein Kampfbegriff, sondern leitet sich bei uns aus dem Grundgesetz ab. Und das ist sicher kein Gedöns. Es ist eine harte Sicherheitsfrage.“ Denn, so die Außenministerin: „Wo Frauen sicher sind, dort sind wir alle sicherer. Wir wissen, dass Friedensverträge stabiler sind, wenn sie von Frauen mitgeschrieben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Abkommen halten, steigt um 20 Prozent, wenn Frauen eingebunden werden.“

Das stimmt. Dennoch: Das mediale Echo auf Baerbocks Leitlinien war überwiegend skeptisch bis spöttisch. „Verdacht auf Feigenblatt“ titelte die FAZ, „Demnächst dann mit Katar“ die SZ. Und kommentierte: „Im Umgang mit Staaten wie Iran oder Saudi-Arabien wird die Sache kompliziert. Und wenn Deutschland das nächste Mal dringend auf der Suche nach Gas ist, kann man dann Katar immer noch als Geschäftspartner in Erwägung ziehen?“

Ist die feministische Außenpolitik also theoretisch eine gute Idee, die in Deutschland aber sehr schnell ihre Grenzen in der Praxis findet? Und woher kommt überhaupt die Idee der feministischen Außenpolitik? Welche Rolle spielte die Frauenbewegung?

Den ganzen Artikel in der Mai/Juni-Ausgabe lesen.

 

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