"Wenn diese Islamisten nicht wären, dann wäre jede Hoffnung verloren: Ich liebe sie dafür! Denn wir Aufständische haben nichts und niemanden, der uns hilft.“ Das sagte im Sommer 2013 Hudna, eine 21-jährige Krankenschwester. Zu diesem Zeitpunkt war die Horrorvorstellung eines Islamistischen Staates in Syrien noch keine reale Bedrohung. Damals ging Hudna noch wie jeden Freitag seit dem Aufstand gegen Bashar al-Assad auf die Straße: Um für die Demokratie zu demonstrieren. Auch als schon Bomben auf ihre Heimatstadt Aleppo fielen und der Aufstand zum Bürgerkrieg entglitten war, in dem es „die Guten“ längst nicht mehr auszumachen gab.
Rund ein Jahr später treffen wir Hudna wieder. Sie ist noch immer in Aleppo. Doch was in der Zwischenzeit geschah, hat ihre Meinung grundlegend geändert. Die Terrormiliz des „Islamischen Staates“ hatte im Winter 2014/15 kurzfristig Aleppo besetzt. Die Angst, dass die Terroristen zurückkommen, wächst, seit weiter im Osten ein Kalifat gegründet wurde. Heute sagt Hudna: „Es ist der blanke Horror. Kämpfer und auch Kämpferinnen aus der ganzen Welt kommen in mein Land und zwingen uns in ein System, das total menschenverachtend ist.“ Und das Schlimmste sei, so Hudna: Die Frauen aus dem freien Europa, die dabei mitmachen. „Sie kommen hierher und verprügeln Dich, wenn Du auch nur eine nackte Hand zeigst.“
Sie kommen und verprügeln Dich, wenn Du auch nur eine nackte Hand zeigst
Es sind Mädchen wie die Wienerinnen Samra und Sabina, die glauben, sie müssten in dem Bürgerkriegsland ihr Glück finden und andere Frauen ins bodenlose Unglück stürzen. Die Fahndungsfotos von Europol zeigen zwei lebensfrohe Teenager: Samra, 16 Jahre alt, ihre blonden Haare lose zusammengebunden. Sie lächelt. So wie ihre um ein Jahr jüngere Freundin Sabina. Die Aufnahmen der beiden entstanden kurz bevor die beiden in den Sog der Terrormiliz des „Islamischen Staates“ („IS“) geraten waren und damit weltberühmt wurden. Im April 2014 brachen die beiden in Richtung „Kalifat“ auf, nach Raqqa in Syrien, der Hauptstadt des IS. „Wir kämpfen für den Islam. Wir sehen uns im Paradies. Sucht nicht nach uns“, stand auf dem Zettel, den sie den Eltern hinterließen.
Von Wien bis Washington wurden Bilder der fotogenen Mädchen auf den Titelseiten der Boulevardpresse breitgewalzt, neben jene Bilder gestellt, die sie nach ihrer Ankunft im IS über soziale Medien teilten. Ungeschminkt, in schwarzes Tuch gehüllt. Die PR-Maschinerie der Terrormiliz brauchte gar nicht viel mehr zu tun: Die beiden Pionierinnen im IS wurden zu Ikonen, zu Rollenmodellen für zahlreiche andere Mädchen, die ihnen folgten.
Diese jungen Frauen bekennen sich freiwillig zu einer Ordnung, die das Frausein an sich per Dekret verbietet. Und sie ziehen in ein Bürgerkriegsland, um diesen Entschluss zu leben. Obendrein sind sie bildhübsch und die westliche Weltpresse veröffentlicht ihre Fotos millionenfach: Kalifaten-Herz, was willst Du mehr? – Fotos von Frauen wie Hudna, die ihr Haar gerne offen getragen hat, so wie das in Syrien immer üblich war, und die nun in eine „Niqab“ gezwängt wird, verblassen daneben. Dabei wären die fürchterlichen Lebensbedingungen der zirka vier Millionen Frauen, die keine Wahl haben, mindestens so große Schlagzeilen wert: Die Wahrheit über Hudna und all die anderen könnte die jungen Mädchen, die dorthin ausreisen wollen, vielleicht noch zur Vernunft bringen. (...)
Der vollständige Artikel steht in EMMA JSeptember/Oktober 2015. Ausgabe bestellen