Protest gegen „Lebensschützer“!

Ein breites Bündnis kämpft in Frankfurt für freien, sicheren und anonymen Zugang zur profamilia-Beratungsstelle.
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Am Aschermittwoch hatte es begonnen. Jeden Tag von neun bis 15 Uhr hatten sich ein rundes Dutzend „Abtreibungsgegner“ vor dem Eingang der Frankfurter Pro Familia-Beratungsstelle postiert, um mit ihren „Mahnwachen“ schwangere Frauen einzuschüchtern und von einer Abtreibung abzuhalten. Sie hielten Schilder mit Bildern von Föten hoch und sangen Gebetslieder, die bis in die Beratungsräume zu hören waren. 40 Tage ging das so. Für die ungewollt schwangeren Frauen sei das „belastend, mitunter traumatisierend“ gewesen, erklärt Pro Familia-Geschäftsführerin Claudia Hohmann.

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Schilder mit Bildern von Föten und Gebetslieder

Jetzt hat die christlich-fundamentalistische Initiative „40 Tage für das Leben“ neue „Mahnwachen“ für den Herbst angekündigt. Es wäre nun an der Stadt Frankfurt, das zu verhindern. Doch die zögert. Deshalb ruft das Bündnis „Frankfurt für Frauenrechte“ für Mittwoch, den 20. Juni, um 16 Uhr zu einer Protestaktion vor dem Römer auf.

Schon im März hatte sich das Bündnis gegen die Einschüchterungsversuche der Fundamentalisten gebildet. Es organisierte Mittagspausendemos gegen die Mahnwachen und lancierte den Aufruf „Frankfurt für Frauenrechte“: „Das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung und auf eine ergebnisoffene, wohlwollende, kostenlose und anonyme Schwangerschaftskonfliktberatung für Frauen in Frankfurt muss uneingeschränkt sichergestellt sein“, heißt es dort. Und: „Wir erwarten, dass das Ordnungsamt der Stadt Frankfurt (...) die Mahnwachen auf Plätze verweist, von denen aus es zu keinerlei Beeinträchtigungen des anonymen Zugangs zu Beratungseinrichtungen mehr kommen kann.“

Rund 40 Organisationen von der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) über den Hessischen Flüchtlingsrat bis Wildwasser unterzeichneten den Aufruf. Außerdem verlieh das Frankfurter Frauenbündnis seiner Forderung mit einer großen Demonstration auf dem Paulsplatz Nachdruck. Zunächst mit Erfolg: Die Stadtverordnetenversammlung wies mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken und FDP den Magistrat der Stadt an zu prüfen, ob und wie die Mahnwachen vor der Beratungsstelle mit einer Schutzzone verhindert werden könnten. Resultat: bisher Fehlanzeige. Der zuständige Dezernent Markus Frank (CDU) blieb untätig.

Dabei hätte er die höchstrichterliche Rechtsprechung auf seiner Seite. In Freiburg hatte die Stadt solche „Gehsteigbelästigungen“ untersagt. Die Entscheidung wurde von den Gerichten aller Instanzen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Begründung: Es liege eine „schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung“ der ungewollt schwangeren Frauen vor.

Für betroffenen Frauen ist das eine enorme Belastung

Bevor also am Donnerstag die Stadtverordnetenversammlung wieder zusammentrifft, verleiht das Bündnis „Frankfurt für Frauenrechte“ seiner Forderung nach einer Schutzzone von 150 Metern noch einmal Nachdruck. Diese Schutzzone wird nicht nur bei der Pro Familia-Beratungsstelle dringend gebraucht: „Sie stehen jetzt auch schon vor den Praxen von Gynäkologen“, berichtet Beatrix Baumann, die Sprecherin des Frauenbündnisses im Gespräch mit EMMA. „Wir Frauen müssen jetzt wieder auf die Straße und für unsere Rechte kämpfen!“

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Polinnen besuchen "Tante Barbara"

Polinnen protestieren in Brüssel für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. - © Imago/ZUMA Press
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Sie haben sich diesen ungewöhnlichen Namen gegeben, weil er unverfänglich ist: Ciocia Basia – Tante Barbara. Sollte jemand in Polen den Zettel finden, auf dem die Handynummer von „Tante Barbara“ steht, dürfte wohl kaum jemand begreifen, worum es in Wahrheit geht: um einen Schwangerschaftsabbruch.

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Die Lage in dem erzkonservativen Land verschärft sich zusehends

Wenn eine ungewollt schwangere Frau aus Polen die Nummer von Ciocia Basia wählt, dann meldet sich am anderen Ende eine der ehrenamtlichen AktivistInnen, die „Tante Barbara“ vor drei Jahren in Berlin gegründet haben. Deutsche und polnische Frauen – und ein Mann. Sie helfen der Frau dabei, in Berlin ihre Schwangerschaft abzubrechen. Sie vermitteln ihr das gesetzlich vorgeschriebene Beratungsgespräch und eineN MedizinerIn, die oder der die Abtreibung durchführt.

Immer mehr Polinnen kommen jedes Jahr für eine Abtreibung nach Deutschland, denn die Lage in dem erzkatholischen Land verschärft sich zusehends. Seit dem Wahlsieg der PiS-Partei von 2015 sind die Kräfte, die das ohnehin minimale Recht auf Abtreibung verschärfen wollen, im Aufwind. Schon jetzt ist ein Schwangerschaftsabbruch in Polen nur legal, wenn die Mutter in Lebensgefahr schwebt, der Fötus schwere Fehlbildungen hat oder die Schwangerschaft die Folge von Missbrauch oder Vergewaltigung ist.

Doch selbst wenn die Frau das Recht hat abzutreiben, legen ihr Ärzte und Behörden in dem rigiden Klima immer mehr Steine in den Weg. „Es ist in Polen gerade sehr, sehr schwierig“, sagt Natalia von Ciocia Basia in einem Radio-Feature des BR. „Die Frauen werden oft sehr schlecht behandelt und Ärzte weigern sich, einen Abbruch durchzuführen.“ Manchmal verzögern sie die Abtreibung bei einem schwerbehinderten Fötus so lange, bis es zu spät ist und die Frau das Kind austragen muss.

Tante Barabara ist oft die letzte Chance der Polinnen

Und diejenigen, die einfach deshalb kein Kind wollen, weil sie zuerst ihre Ausbildung zu Ende machen möchten oder kein weiteres Kind ernähren können, haben sowieso keine Chance auf einen legalen Abbruch. Die müssen nach Berlin kommen, oft klammheimlich. „Wir sind oft die einzigen, mit denen die Frauen reden“, sagt Natalia. „Oft hören wir Geschichten über Gewalt. Oder darüber, dass die Frau von ihrem Freund verlassen wurde. Oder sie wissen, dass sie kein weiteres Kind großziehen können.“

„Immer mehr ungewollt Schwangere melden sich bei uns, unser Handy klingelt mittlerweile jeden Tag“, erklärt Ciocia Basia. Doch so ein Schwangerschaftsabbruch kostet Geld: 340 Euro ein medikamentöser Abbruch, 470 ein chirurgischer. Für so manche Frau ist das ein Monatseinkommen. „Es ist ein unerträgliches Gefühl, nicht helfen zu können, weil die Person am anderen Ende der Leitung die finanziellen Mittel nicht hat.“ Gerade hat die Initiative deshalb eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Ziel: 20.000 Euro. Damit könnte Tante Barbara 50 ungewollt schwangeren Frauen helfen. Immerhin.

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