Frauenmuseum feiert 35. Geburtstag!

Marianne Pitzen mit ihren Objekten. Foto: Imago/epd
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In der zweiten Etage des Bonner Frauenmuseums ist gerade eine Performance im Gange. Drei schwarz gekleidete Künstlerinnen versteigern in einer fiktiven Auktion vergoldete, verkohlte und in Zeitungspapier verpackte Brötchen. Damit wollen sie auf den Wert künstlerischer Arbeit aufmerksam machen. „Kunst braucht Brötchen“ ist ihr Motto. Anlass für die heutige Aktion ist der Internationale Museumstag und das fünfjährige Jubiläum des „Kunstbrötchentages“, den Künstlerinnen der GEDOK Wiesbaden-Mainz 2012 ins Leben gerufen haben.

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Trotz allem soll Ende 2018 Schluss sein

Marianne Pitzen, Direktorin des Bonner Frauenmuseums, stellt derweil in Berlin die Installation „Die Flüchtlinge“ der mexi­kanischen Künstlerin Helen Escobedo (1934–2010) vor. „Helen Escobedo zeigt 61 lebensgroße Figuren, die als Flüchtlinge durch den Ausstellungsraum ziehen. Sie sind mit Stoffresten bekleidet, einem Abfallprodukt unserer modernen Industriegesellschaft. Eine Geschichte von Hunderttausenden, die tagtäglich irgendeine Grenze überqueren, um Schutz und Zuflucht in einem fremden Land zu suchen“, heißt es im Katalog zur Ausstellung „wegZiehen“, die 2002 im Frauenmuseum zu Ende ging. Seither wandert die Installation herum, zur Zeit in Berlin: von der Marienkirche am Alex in den Berliner Dom. Noch zu Lebzeiten hatte Escobedo ihr Werk dem Frauenmuseum übertragen.

„Künstlerinnen fragen uns quasi jeden Tag an, ob sie uns ihre Arbeiten überlassen können“, erzählt Marianne Pitzen. „Die Museen haben keinen Ankaufsetat mehr und die Künstlerinnen wissen nicht, wohin mit ihrem Lebenswerk. Die Erben haben oft kein Interesse.“ Auch das eine wichtige Aufgabe des Frauenmuseums: Kunst von Frauen nicht nur zu sammeln und zu archivieren, sondern auch zu erhalten. Neben der Kunstsammlung beherbergt das Frauenmuseum über 8000 Kataloge. „Kunsthistorisch wichtige Sachen, die in normalen Museen verloren gehen, weil sie sich dort nur auf zehn große Künst­lerinnen konzentrieren“, sagt Marianne Pitzen. Im Bonner Archiv schlummern ­außerdem Dossiers über 20000 Künstlerinnen. Täglich werten vier bis fünf Mitarbeiterinnen Zeitungen aus.

In diesen Wochen ist das Frauenmuseum selbst Gegenstand der Berichterstattung. Es kann auf 35 aktive Jahre zurückblicken: Bisher gab es mehr als 700 Ausstellungen, Werke von 3.000 Künstlerinnen wurden gezeigt, 360 Kataloge ­veröffentlicht und über 3.500 Veranstal­tungen ausgerichtet. Die Bonnerinnen organisieren zwei große Messen, einen Bundeskunstpreis – den Gabriele Münter Preis – und haben im KinderAtelier eine eigene Museumsklasse für Bonner Grundschulen. Jährlich kommen mehr als 30.000 Besucher: Männer, Frauen, Kinder. Laufend entstehen neue Aufgabenfelder: Projekte zu Migration, Kunst und Kultur aus Ländern des Nahen Ostens. Der internationale Bereich wächst kontinuierlich: Das Frauenmuseum Bonn ist der Sitz der „International Association of Women’s Museums“ – ein höchst lebendiges Netzwerk der mehr als 60 Frauenmuseen weltweit.

Aber Pitzen und ihr Team sehen das anders

Trotz all dem soll nun Ende 2018 Schluss sein. Die Stadt will die Immobilie verkaufen. „Das machen wohl alle Städte jetzt“, sagt Marianne Pitzen und lacht. „Sie verkaufen ihr ‚Tafelsilber‘.“ Der Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher ­bedauert diesen „schmerzlichen Schritt“, ist aber offenbar der Ansicht, das Frauenmuseum sei nach drei Jahrzehnten überflüssig. „Das Frauenmuseum hat wesentlich dazu beigetragen, dass Künstlerinnen heute ganz selbstverständlich ihre Werke in den großen Kunsthäusern präsentieren können“, erklärte er. Damit habe es sein eigentliches Ziel erreicht.

Marianne Pitzen und ihr Team sehen das anders. Außerdem haben sie im Bebauungsplan nachgeschaut und festgestellt, dass eine Zweckbindung vorliegt: Das Haus und das Grundstück sind für „kulturelle und ­Begegnungszwecke“ festgeschrieben. Jetzt wollen sie das Gebäude von der Stadt kaufen und haben dazu Anfang des Jahres eine Stiftung ins Leben gerufen. Was die Stadt Bonn für das Gebäude verlangt, ist noch nicht klar. Die Museums­macherinnen warten auf ein Angebot.

Eins der Ziele des engagierten Museumsteams, Leistungen von Frauen und ihre Erfolge bei der Vereinbarkeit von ­Familie und Beruf sichtbar zu machen, hat gerade in der Ausstellung „Work & Women“ Gestalt angenommen. Zwei Jahre haben die Vorbereitungen dazu ­gedauert. An diesem Sonntag schwärmen einige BesucherInnen nach der Kunstbrötchen-Aktion in die umliegenden Kojen der Ausstellung aus. Die erstreckt sich auf zwei Etagen des ehemaligen Haushaltswaren-Kaufhauses, für das Künstlerinnen und ­Architektinnen 1981 mit der Stadt ein Nutzungsrecht ausgehandelt haben. Drei Jahre später wurde es in einen regulären Mietvertrag umgewandelt, der nun seit 35 Jahren besteht. So gesehen ist „Women & Work“ auch eine Jubiläumsausstellung.

Zu sehen sind Porträts von Unternehmerinnen, Schauspielerinnen, Künstlerinnen, Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen in Öl, Acryl oder Pastellkreide, oft kombiniert mit Objekten oder integriert in eine Installation. Wenn Marianne Pitzen von der Ausstellung erzählt, gerät sie ins Schwärmen: „Viele der Unternehmerinnen haben nicht auf Familie verzichtet, wenn sie nicht wollten. Oft war die Familie auch Auslöser für Unternehmungen wie bei Margarethe Steiff, die die Bärchen erfunden hat. Oder der Haushalt inspirierte: Melitta Bentz zum Beispiel zur Erfindung des Kaffeefilters. Regine Sixt hat den Autoverleih zu einer Weltfirma gemacht und wurde als „Queen oft the road“ geehrt. Marli Hoppe-Ritter hat das Schokoladen-Unternehmen durch Weltkrisen gesteuert. Das sind alles tolle Frauen, die wahnsinnig ideenreich und in ihren Betrieben nicht so ­patriarchalisch, sondern eher teamorientiert und an flachen Hierarchien interessiert sind. Und sie bauen große karitative Nebenunternehmen auf, kreieren Preise wie Ulrike Detmers von der Mestemacher-Gruppe den ‚Spitzenvater des Jahres‘ und machen damit auch Gesellschaftspolitik.“

Die Porträts, Objekte und Installationen, mit denen 60 Künstlerinnen innova­tive Frauen aus allen Bereichen der Gesellschaft darstellen, sind stilistisch und künstlerisch so unterschiedlich wie die Künstlerinnen selbst. Es geht um Vor-Bilder, Pionierinnen und darum, Frauen sichtbar zu machen – mit Hilfe von Kunst. Und es geht darum, all diese Leistungen in ihrem geschichtlichen Kontext zu zeigen. Damit die Frauen von heute sich erinnern, sich ­bewusst machen, was ihre Vorgängerinnen geschafft und wie sie bestehende Grenzen eingerissen haben. Ergänzend dazu sind die „Meilensteinen der Frauenarbeit in NRW“ im Erdgeschoss ausgestellt. Dort geht es um die „süße“ Arbeit der Stollwerckmädchen, um die weibliche Kriminalpolizei, um den Arbeitskampf der Heinze-Frauen um gerechten Lohn; und auch um neue Initiativen wie „Petek – das Business-Netzwerk Migrantinnen“ oder „FEMnet“, einen Verein, der sich insbesondere für menschenwürdige Arbeitsbedingungen von Frauen in der ­Bekleidungsindustrie einsetzt.

Sie wollen das Gebäude von der Stadt kaufen

Der Ansatz, aktuelle Kunst mit Geschichte und Wissenschaft zu verbinden, charakterisiert fast alle der inzwischen über 700 Ausstellungen, die das Frauenmuseum mit nur fünf festen Mitarbeiterinnen und vielen Ehrenamtlerinnen realisiert hat. „Viele Museen haben das aufgegriffen“, sagt Marianne Pitzen, „dass man mit aktueller Kunst auch Geschichte vermitteln kann. Das liegt Frauen eben auch besonders, interdisziplinär zu arbeiten. Die Themen, die wir bearbeiten, wollen oder können sich andere Museen nicht so vorknöpfen oder sie nehmen sie gar nicht wahr.“

Die 67-jährige Künstlerin sprudelt wieder vor Ideen und träumt von all dem, was sie und ihr Team angehen könnten, sollten sie ab 2019 Besitzerinnen des Museums sein. Vielleicht gibt es dann auch einen Aufzug, eine renovierte Außentreppe und reparierte Dächer, vielleicht sogar den Ausbau der Photovoltaik-Anlage auf dem obersten Flachdach, „damit wir autark werden“. Und wenn es trotz allem Enthusiasmus nicht klappt? Daran will Marianne Pitzen gar nicht denken: „Optimistisch zu sein, nützt viel mehr. Das Jammern überlassen wir anderen.“

Sabine Heines

Zur Info
Das Jubiläumsfest „Es lebe das Frauenmuseum!“ beginnt um 14 Uhr am Frauenmuseum, Im Krausfeld 10, 53111 Bonn, www.frauenmuseum.de

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