re:publica I: Zum Heulen!

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„Lass die Helden heulen!“, so tönt es direkt hinter dem Haupttor zur Berliner Station. In den modernen Hallen des einstigen Güterbahnhofs beginnt heute Deutschlands bekannteste Internet-Konferenz: die re:publica. 6.000 ZuschauerInnen werden bis Donnerstag erwartet, insgesamt 500 SpeakerInnen treten auf, etwas weniger als die Hälfte davon sind Frauen. Wer das Gelände betritt, landet unweigerlich vor einer Büste von Alice Schwarzer, frisch aus dem 3D-Drucker. Platziert zwischen Bild-Chef Kai Diekmann und Nerd-King Sascha Lobo. „Mit Hilfe bestimmter Hashtags kann man die Figuren zum Heulen bewegen“, erklärt Christian Clawien, der sich diese „Installation zur Empörungskultur“ im Netz ausgedacht hat. Für die EMMA-Herausgeberin schlägt er vor: #Bushido, #Pornografie und #HeidiKlum. Da sind wir anderes gewöhnt … Mit Shitstorms kennen Alice und EMMA sich nämlich aus, Tränen wurden allerdings bisher nicht verdrückt. Höchstens Lachtränen. EMMA-Redakteurin Alexandra Eul hatte sich deshalb fest vorgenommmen, ihre Chefin endlich mal zum Weinen zu bringen (wäre eine Premiere). Sie streift gerade über die re:publica und hat noch ein paar andere Pläne heute und morgen in der Berliner Station. Sie hat sich Talks rausgesucht, die vor allem für Frauen interessant sein könnten. Hier ihr erster Bericht:

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13.00 Uhr, Berlin: Ich stehe auf dem großen Innenhof der Station, der sich mehr und mehr mit Menschen füllt. Sie sitzen mit ihren Laptops, Handys und Tablets in Liegestühlen und an Biertischen und tippen und plaudern gleichzeitig. Die Eröffnungsreden sind gerade vorbei, die ersten Sessions starten, einen Überblick über die 16 Bühnen und zahlreichen Info-Stände zu bewahren: schwierig. 

Hier treffen sich also bis Donnerstag TechnikerInnen und Nerds, Startups und Graswurzel-Organisationen, digitale Denkerinnen und Denker, UnternehmerInnen und MacherInnen aus der ganzen Welt. Und mittendrin, leicht orientierungslos: ich.

Seit ich für EMMA im Jahr 2011 das letzte Mal die re:publica besucht habe, hat sich viel verändert. Vor allem in Sachen Frauen. Ging es damals noch um deren fehlende Sichtbarkeit in der Netz-Kultur und auf eben solchen Konferenzen, sind sie diesmal omnipräsent: Als BesucherInnen sowieso - aber auch als Sprecherinnen. 

Einen Frauenanteil von 50 Prozent hatten die VeranstalterInnen vorab angekündigt. 42 Prozent sind es laut ihrer Angaben immerhin geworden. Von einer solchen Quote träumt so mancher Wirtschaftsgipfel - und die Wikipedia sowieso. Und: Diese Frauen sprechen nicht (nur) über das Frausein in der Szene, sondern auch über die ziemlich komplizierte Technik und wie diese Technik die Gesellschaft verändert. Sie machen jetzt also auch das, was Männer schon immer getan haben. Auf der re:publica und allerorten.

Zu meinen Top-Tipps der diesjährigen re:publica gehört der Talk der New Yorker Hackerin und Künstlerin Addie Wagenknecht. Heute um 17.45 Uhr wird sie über ihr Projekt „Deep Lab“ berichten. Ein feministisches Kollektiv, das sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Überwachung in der Post-Snowden-Ära befasst. Aber auch der Frage nachgeht: Was bedeutet es eigentlich, wenn die Technik, die wir tagtäglich nutzen, immer nur von weißen Mittelklasse-Männern entwickelt wird? Und: Welche Parallelen gibt es zwischen der heute so stark diskutierten Online-Überwachung und der Jahrhunderte alten Unterdrückung von Frauen? (Ein Interview mit Addie könnt ihr demnächst in EMMA lesen.)

Auch die iranisch-kanadische Internet-Forscherin Mahsa Alimardani wird dieses Jahr auf der Bühne stehen. Ihr Talk „Filtering Iranian Women“ läuft am 7. Mai ab 12.30 Uhr. Sie untersucht unter anderem, wie iranische Frauen das Netz für ihre Proteste nutzen - und wie erfinderisch das Mullah-Regime ist, um sie daran zu hindern. Auf Iran Voices und Global Voices schreibt sie darüber.

Eine „Seelensuche“ nennt Masha ihre Arbeit. Nicht nur, weil die so unterschiedlichen Frauen in ihrer Familie - vor allem die beiden Großmütter - sie geprägt haben. Sondern auch, weil ihr erst im Nachhinein die Konsequenzen ihres Einsatz für die Frauenrechte in Iran bewusst geworden sind: 2010 hat Mahsa, die in Kanada aufgewachsen ist und heute in Amsterdam lebt, sich entschieden, nicht mehr in den Iran zu reisen. Weil es zu gefährlich ist. (Interview folgt.)

Mittlerweile ist es 14 Uhr: So viel zum ersten Bericht aus der Berliner Station. More to come. Wenn ihr mich treffen wollt: Twitter @Alex_Eul

Alexandra Eul

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https://re-publica.de/

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