Spanien: Ein Kuss mit Folgen

Bei der Siegesfeier küsste Luis Rubiales Stürmerin Jenni Hermoso auf den Mund. Ein Übergriff mit Folgen.
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Gestreikt hatten 15 von Spaniens Fußballnationalspielerinnen schon im vergangenen Jahr gegen ihren Trainer Jorge Vilda und seinen Unterstützer, Luis Rubiales, Präsident des Spanischen Fußballverbandes. Die Spielerinnen konnten daraufhin unter leicht verbesserten Bedingungen – zum Beispiel ohne offene Schlafzimmertüren im Hotel und ohne Taschenkontrollen - bei der Weltmeisterschaft antreten.

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Selbst Königin Letitia war um den halben Globus angereist, um ihren Fußballerinnen in der angespannten Situation beizustehen. Sie glaube an die Kraft der Spielerinnen, Probleme zu bewältigen, an ihre Fußballkunst, an ihren Siegeswillen, erklärte die Königin. Sie sollte recht behalten. Die Spanierinnen wurden fulminant Weltmeisterinnen.

Doch womit Letitia nicht gerechnet hatte, war das Benehmen von Präsident Rubiales nach dem Sieg. Es war nicht nur der Kuss auf den Mund von Jennifer Hermoso, ohne ihr Einverständnis, der seither die Gemüter bewegt und die Medien in aller Welt beschäftigt. Es war auch, wie er eine Spielerin wie ein Stück Vieh über die Schulter warf und über das Spielfeld trug. Ganz Spanien ist empört.

Nur Rubiales Mutter und seine Tante halten ihren Luis noch immer für einen guten Jungen, der auf keinen Fall zurücktreten sollte. Zur Unterstützung ihres frommen Wunsches waren die beiden Frauen in einer Kirche in Madrid in den Hungerstreik getreten. Inzwischen ist Signora Rubiales wieder zuhause.

Und der Sohn hält weiter die Stellung. Seinen Rücktritt fordern inzwischen alle spanischen Fußballerinnen sowie geschlechtsübergreifend alle Fußballverbände im Land der Stierkämpfer. Doch Rubiales erklärte in einer von ihm einberufenen Versammlung der spanischen Fußballfunktionäre mit steinernem Gesicht und Stimmencrescendo sechsmal: "Ich werde nicht zurücktreten!" Vermutlich hat er noch nicht einmal ein Problembewusstsein. Es war doch immer so… Warum sollte es plötzlich anders sein? Warum stellen sich diese Weiber eigentlich so an?

Nun ist der Präsident erstmal von der Fifa suspendiert worden - bis zur Erfüllung aller Regularien zur Entlassung. Der staatliche Fußballverband kann erst handeln, wenn das administrative Sporttribunal (TAD) den Präsidenten offiziell verurteilt. Das wird für demnächst erwartet. Jetzt soll Rubiales dem Sporttribunal ein ihn entlastendes Video geschickt haben. Doch auch das kann den siegesgewissen Macho wohl nicht mehr retten.

Demo in Madrid: Die Spanierinnen zeigen dem Machismo die rote Karte! - Jesus Hellin/Europa Press/IMAGO
Demo in Madrid: Die Spanierinnen zeigen dem Machismo die rote Karte! - Jesus Hellin/Europa Press/IMAGO

Die Welle des Protestes schwappte bis nach Großbritannien und Amerika. Auch da solidarisieren sich die Fußballspielerinnen mit ihren spanischen Kolleginnen und fordern Rubiales Rücktritt. Auch sie werden nur allzugut wissen, wie sich das so anfühlt mit übergriffigen Machos, nicht nur im Fußball.

Die spanischen Spielerinnen bedauern trotz der erreichten Aufregung inzwischen ein wenig, dass sich der Fokus von ihrem spektakulären Sieg hin zum Skandal gewendet hat. Doch die Nationalspielerinnen haben mit ihrem Mut einen doppelten Sieg errungen: Für alle Spanierinnen und für den Frauenfußball in der ganzen Welt. Der kann nicht länger durch Sexismus ausgebremst werden.

Und die Weltmeisterinnen selbst? Die streiken. Solange die Männerriege mit Rubiales nicht zurücktritt, wollen sie nicht mehr für Spanien antreten. Dem Machismo haben sie einen konsequenten Kampf angesagt. Sie können stolz auf sich sein. Olé!

Übrigens: Ab dem 1. Januar 2024 sind in Spanien 40 Prozent Frauenanteil in allen staatlichen Organen gesetzlich verankert.

MONICA STEEGMANN
 

 

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