Trauer um Wiener Jeanne d´ Arc

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Die einstige Frauenministerin der SPÖ war ein politisches und feministisches Urgestein. Jetzt starb sie mit nur 71 Jahren. Die Nation verneigt sich.
Johanna Dohnal war in Österreich das, was in Deutschland Alice Schwarzer ist. Eine Institution. Ein Name, der zum Synonym wurde für Emanzipation und Frauenpolitik. Aber auch eine Leitfigur, die Anfeindungen ausgesetzt war, weil sie das infrage stellte, was zu lange nicht infrage gestellt wurde, weil es für eine Hälfte der Gesellschaft ziemlich praktisch war: Das Geschlechterverhältnis mit seiner systematischen Benachteiligung von Frauen.

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Johanna Dohnal war eine stolze Emanze, weil sie wusste, was Emanzipation heißt: "Befreiung von Abhängigkeiten."

Das Gespür dafür bekam die am 14. Februar 1939 als Johanna Diez Geborene von Kind an zu spüren: in ärmlichen Verhältnissen von der Großmutter aufgezogen, die Mutter leidet an Tuberkulose, eine höhere Schulbildung scheitert am Geld, also macht sie eine Lehre als "Industriekaufmann".

Mit 17 tritt sie der SPÖ bei, mit 18 heiratet sie Franz Dohnal, mit dem sie 19 Jahre verheiratet ist, bekommt einen Sohn (sechs Wochen nach der Geburt arbeitet sie wieder) und eine Tochter, beginnt aus finanziellen Gründen mit Heimarbeit, bis sie eine Halbtagsstelle im Büro einer Spenglerei findet.

Daneben wächst ihr politisches Engagement, der Kampf um die Fristenlösung sensibilisiert Dohnal für Frauenanliegen. 1973 wird sie Wiener Gemeinderätin, organisiert Selbstbewusstseinsseminare für Frauen, die auch parteiintern vielen nicht ganz geheuer sind - später wird sie sagen: "Auch sozialistische Männer sind Männer. Sie lieben die Ordnung, die ihnen jemand anderer schafft" -, 1978 entsteht auf Dohnals Initiative hin das erste Frauenhaus in Wien.

1979 holt Bruno Kreisky Dohnal als Frauenstaatssekretärin. Sie kämpft für Chancengleichheit und eigene Pensionsansprüche für Frauen, stellt Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe. 1990 konfrontiert sie Kanzler Franz Vranitzky: "Ich bin jetzt seit elf Jahren Staatssekretärin. Als das mache ich nicht weiter. Ich will Ministerin werden." Vranitzky macht sie zur ersten Frauenministerin Österreichs - sie kämpft u. a. für Kindergartenplätze und gegen Gewalt an Frauen - fünf Jahre später degradiert er sie zur Ex-Frauenministerin. Warum? "Ich war Sand im Getriebe."

Es folgt der Rückzug ins Private, aber das Politische lebt sie auch von dort aus weiter, z. B. beim Frauenvolksbegehren.

Eine Woche nach ihrem 71. Geburtstag starb Johanna Dohnal, schon länger herzkrank, am Samstag im Weinviertel, wo sie seit Jahren mit ihrer Lebensgefährtin lebte. Im Gespräch mit Renata Schmidtkunz sagte sie im Herbst 2009 auf die Frage, ob sie nicht denke, dass die anerkennenden Briefe, die sie immer noch bekam, zeigten, dass das, was sie gemacht hat, gut war: "Nein. Das denke ich nicht. Ich weiß, dass es gut war."

Ja, es war gut.

 

Sigrid Löffler über Johanna Dohnal: "Kreiskys Jeanne d'Arc", (EMMA 4/83)

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