Mark Zuckerberg: Ganz die Mama?

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Mark Zuckerberg hat eine Tochter bekommen! Diese Nachricht rennt durchs Netz. Angefeuert durch einen emotionalen Brief, den der Facebook-Chef zusammen mit seiner Frau Priscilla Chan an die kleine Max veröffentlicht hat, selbstverständlich auf seinem Facebook-Profil. In dem Brief hofft er auf eine bessere Welt durch technologischen Fortschritt und verkündet, dass er zukünftig 99 Prozent seiner Anteile an Facebook-Aktien für wohltätige Zwecke spenden will - an seine eigene Stiftung. Derzeit wären das 45 Milliarden Dollar. 

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Weniger Aufmerksamkeit als Brief und Spendenabsicht bekommt das zugehörige Foto der frischgebackenen Familie. Dabei ist das mindestens so interessant. Im Vordergrund ein liebevoll lächelnder Mark, der die kleine Max schützend in seinen Armen hält. Hinter ihm sitzt Priscilla Chan, die das Köpfchen des Babys mit der Hand stützt und den Arm schützend um ihren Mann legt. Er schützt das Baby, sie stützt beide – die Umkehrung des klassischen Familienmodells. Zuckerberg ist ein Meister der Selbstinszenierung. Diese Aufstellung ist nicht zufällig.

Er schützt, sie stützt – die Umkehrung der klassischen Familie

Die Botschaft: Mark Zuckerberg ist der Prototyp des modernen Vaters! Schließlich nimmt der mächtigste Mann des Internets sogar zwei Monate Elternzeit. Ein schlaksiger Nerd, der viel von Technologie versteht und dessen Mut zur Innovation ihn sehr, sehr reich gemacht hat. So reich, dass ihm vermutlich zahlreiche schöne Frauen zu Füßen liegen. Aber Zuckerberg ist seit zwölf Jahren mit der bodenständigen und als Kinderärztin erfolgreichen Priscilla liiert. Die beiden haben sich während ihres Harvard-Studiums auf einer Party kennen gelernt und 2012 geheiratet. Seither hatte Priscilla drei Fehlgeburten, daraus machte das Paar kein Geheimnis. Nun ist endlich Max da, die Tochter mit dem genderneutralen Vornamen. Und selbstverständlich führt so ein moderner Typ wie Mark Zuckerberg auch ein modernes, gleichberechtigtes Unternehmen. Oder?

Tatsächlich ist das größte Soziale Online-Netzwerk mit über 1,4 Milliarden NutzerInnen weltweit in den vergangenen Jahren durch fast schon als feministisch zu bezeichnende Aktionen aufgefallen: Aus 58 Geschlechtsidentitäten können die NutzerInnen seit 2014 auswählen, wenn sie ein Profil anlegen. Die Geschäftsführung seines 300-Milliarden-Dollar schweren Konzerns legte Zuckerberg in die Hände einer Feministin: Sheryl Sandberg. Wie alle großen Tech-Unternehmen im Silicon Valley hat auch er erkannt, dass „Diversity“ von Vorteil ist; oder wie Facebook schreibt: „wesentlich, um unsere Mission zu erfüllen“. 31 Prozent der Facebook-MitarbeiterInnen sind weiblich (die wenigsten arbeiten in der Technik-Abteilung). Und natürlich steht auch in dem gerade veröffentlichten Brief der stolzen Eltern Mark und Priscilla der Wunsch, dass Tochter Max in einer gleichberechtigten Welt aufwächst. Eine Welt, in der sie keine Angst haben muss, wegen ihrer sexueller Orientierung oder Gender-Identität Opfer von Gewalt zu werden. 

Klingt doch gut! Abgesehen von einer Kleinigkeit: Das Foto und auch der zugehörige Brief stehen für ein Problem, dass sich auf die gesamte Tech-Branche übertragen lässt: Gleichberechtigung sieht gut aus, ist aber (bisher) nur Kulisse.

Um Frauenhass zu erleben, braucht Max nur ein Profil bei Facebook

Um eine Welt kennenzulernen, in der sie Opfer von (virtueller) Gewalt wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Gender-Identität wird, müsste sich die kleine Max im Prinzip nur bei Facebook anmelden. Die Hassrede gegen Frauen oder gegen Homosexuelle ist ein ernsthaftes Problem in dem Sozialen Online-Netzwerk. Facebook hat zwar Anfang 2015 nach anhaltenden, öffentlichkeitswirksamen Protesten amerikanischer Feministinnen seine Nutzungsbedingungen überarbeitet. Aber in der Praxis greifen die Maßnahmen nicht. Das einzige, was auf Facebook verlässlich gelöscht wird, sind Fotos mit Brustwarzen. Wenn diese Brustwarzen nicht zu sehen sind, weil die nackte Frau gefesselt und geknebelt auf der Ladefläche eines Lasters liegt, findet Facebook dass „dieser Inhalt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt“. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Auf einen Aufschrei gegen den Frauenhass auf Facebook, wie es ihn in Deutschland gerade erst gegen Rassismus gegeben hat, warten wir hierzulande vergebens.

Um Diskriminierung live zu erleben, müsste sich Max bei einer der zukunftsträchtigen Technologie-Firma wie Facebook im Silicon Valley bewerben. Dort hat sich in den vergangenen Jahrzahnten eine Macht-Kultur entwickelt, die quasi ausschließlich der Geisteshaltung von weißen Männern entsprungen ist (mehr dazu in EMMA November/Dezember 2015). Obwohl Frauen aufholen in technischen Berufen, dauert es nicht lange, bis sie darüber nachdenken, innerhalb des nächsten Jahres ihren so interessanten Job wieder zu kündigen. Grund: Die alte sexistische Macho-Kultur in den so modernen Firmen.

Mark Zuckerberg zählt zu den bekanntesten Vertretern dieser neuen Arbeitswelt mit den uralten Problemen. Das Gute: das Internet vergisst nichts. In zwanzig Jahren wird die erwachsene Max ihren so mütterlichen Vater an seinem Brief messen. Mal sehen, was sie dann dazu zu sagen hat. 

Alexandra Eul

 

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World Wide Women!

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Wenigstens darin sind die Menschen sich irgendwie einig: Wir sind ZeugInnen eines Wandels vom Ausmaß der Industriellen Revolution. Die Art, wie wir leben, arbeiten, wie wir konsumieren, kommunizieren, ja selbst wie wir uns verlieben – im digitalen Zeitalter ist alles anders. Früher gab es nach dem Aufstehen Kaffee. Heute gibt es nach dem Aufstehen Internet. Hurra, rufen die FuturologInnen und sehen uns schon auf dem Weg in die Unsterblichkeit: Sei es durch digitale Klone unserer selbst oder Mini-Roboter, die unsere Zellen putzen, sodass wir 300 Jahre alt werden.

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Na und? fragen die Abgeklärten, für die Digitalisierung auch nichts Anderes ist als die Erfindung des Buchdrucks anno dazumal. Und den haben wir schließlich auch überstanden. Oh nein! jammern die ApokalyptikerInnen. Schon jetzt ist der Mensch eine gläserne Marionette der Internet-Giganten geworden! Die Maschinen werden die Macht übernehmen!

Und während die FuturologInnen jauchzen, die Abgeklärten gähnen und die ApokalyptikerInnen bibbern, „schießt sich“ gerade mit Sicherheit irgendwo eine Frau ein Paar Stiefel auf Zalando. Denn viele Frauen erleben den technischen Fortschritt vor allem als lawinenartiges Wachstum im Kleiderschrank.

Früher gab es nach dem Aufstehen Kaffee, heute gibt es Internet!

Und darüber hinaus? Darum geht es in dem Dossier „World Wide Women“ in EMMA November/Dezember 2015. Denn auch wenn heute die Männer im Silicon Valley die Zukunft unter sich ausmachen, haben Frauen die Computergeschichte geprägt. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag von Augusta Ada Lovelace zum 200. Mal. Ada entwickelte schon 1843 ihre Theorie der „Analytical Engine“. Heute gilt Ada Lovelace deshalb als die Pionierin der Computer-Technik, das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn widmet ihr eine ganze Ausstellung.

„Lovelaces Vision, dass die Maschine so Komplexes wie Sprache oder Musik verarbeiten könne, sollte sich erst Ende des 20. Jahrhunderts bewahrheiten“, schreibt Judith Rauch in EMMA.

Und Ada ist nicht die einzige. Viele technologische Prinzipien, die wir heute ganz selbstverständlich nutzen, wurden von Frauen auf den Weg gebracht. Mehr über diese Vordenkerinnen ebenso im Dossier. Ausgabe bestellen

Weitere Themen im Dossier der November/Dezember EMMA:

Sind wir noch zu retten?
Die Big-Data-Kritikerin Yvonne Hofstetter kennt die Antwort. Die Juristin entwickelt seit über 15 Jahren Systeme mit Künstlicher Intelligenz. Im EMMA-Interview erklärt sie Risiken und Chancen der smarten Technik.

World Wide Women!
Von New York bis Nairobi: Diese Frauen programmieren die Zukunft – oft gegen massive Widerstände. EMMA hat sie getroffen.

(Sexual-)Gewalt im Internet
Die UNO veröffentlichte einen kritischen Report gegen Cyber-Gewalt – und musste ihn nach wenigen Tagen wieder zurück ziehen. Was war bloß passiert?

Das Darknet ist eine Chance!
Findet die Berliner Autorin Andrea Hanna Hünniger. Und will zukünftig selbst öfter anonym surfen. Wir sind gespannt auf die Reaktionen der Leserinnen und Leser auf ihren Bericht. 

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