Femizide: Esra, Rebecca, Kristina
Am 5. September 2024 liest Marie Faour in ihrer Timeline eine Meldung, die sie fassungslos macht. Die ugandische Marathonläuferin Rebecca Cheptegei, die gerade noch bei den Olympischen Spielen in Paris gelaufen war, ist tot. Sie wurde von ihrem Lebensgefährten in ihrem eigenen Haus mit Benzin übergossen und angezündet, wenige Tage später starb sie an ihren Brandverletzungen.
Als Maria Faour ihrem Bekannten Hasan erschüttert von dem Fall erzählt, erfährt sie: Auch Hasans Tante Esra wurde ermordet! Im Mai 2022 wurde sie von ihrem Ehemann auf offener Straße erstochen. Grund: Sie wollte sich von ihm trennen.
Maria Faour ist Kunst- und Französischlehrerin am Ubbo-Emmius-Gymnasium im ostfriesischen Leer und leitet einen Kunst-Leistungskurs in der zwölften Klasse. Und nun hat sie hat eine Idee: Der Internationale Tag zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen am 25. November steht vor der Tür. Wie wäre es, wenn jede der SchülerInnen eine Frau porträtieren würde, die Opfer eines Femizids geworden ist? Und wenn sie daraus eine Ausstellung machen würden, um den so oft namenlosen Frauen ein Gesicht zu geben? Denn jeden Tag versucht auch in Deutschland ein Mann, seine (Ex-)Frau oder (Ex-)Freundin umzubringen, jeden zweiten Tag mit Erfolg. „Das fanden die Schülerinnen und Schüler krass und waren schockiert“, erzählt Maria Faour im Gespräch mit EMMA. „Und sie hatten gleich Lust mitzumachen.“
JedeR der 18 Mädchen und zwei Jungen suchte sich eine ermordete Frau aus, mit der sie sich beschäftigen wollten. Zum Beispiel Kristina Joksimovic. Die ehemalige Miss Schweiz wurde von ihrem Mann erwürgt, als sie sich trennen wollte. Oder Stefanie Wagner. Sie war eine von vier Frauen, die in Würzburg bei Woolworth von einem islamistischen Attentäter erstochen wurde. Dass auch dies ein Femizid war, darüber hatte nur EMMA berichtet – und die SchülerInnen zum Porträt inspiriert: „Besonders die Passage zu Stefanie Wagner hat uns sehr berührt.“
Aber der Kunst-Kurs zeichnete nicht nur, sondern diskutierte auch. Wo fängt Gewalt gegen Frauen an und wie steigert sich die Gewaltspirale? Wer hat selbst schon Übergriffe erlebt? Wie könnte sich die Einstellung von gewalttätigen Männern ändern?
Am 4. November 2024 war es soweit. Die Ausstellung wurde eröffnet, und zwar nicht irgendwo, sondern im Historischen Rathaus von Leer. Titel: „Ni una menos!“ – „Keine einzige weniger!“ Benannt nach der Bewegung der Südamerikanerinnen gegen die grassierenden Frauenmorde. Dazu haben die SchülerInnen eine Broschüre mit allen Frauenporträts produziert, finanziert vom Präventionsrat der Stadt Leer. Auf dem Titel: Esra, die ermordete Tante von Hasan.
Nun geht das berührende Projekt in die zweite Runde: Vom 19.11. bis 12.12. werden die Porträts im Foyer der Sparkasse Leer ausgestellt. „Unsere Ausstellung soll ab jetzt jährlich stattfinden und immer mehr Schicksale sichtbar machen.“ Sie kann auch als Wanderausstellung gebucht werden.
Anfragen maria.faour@ueg-leer.net
Ausgabe bestellen


