Nur Silber für den mutigsten Film des Jahres!

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Die seit über dreißig Jahren international bekannteste und prämierteste deutsche Regisseurin hat in ihrem arbeitsreichen Leben gute Filme gemacht und weniger gute, wie alle Regisseure. Dieser gehört zur Kategorie eins. 110 Minuten lang wird nachgedacht, geredet und gestritten; und das ohne Sex, ohne Action, ohne Tote – eigentlich ein filmisches Unding heutzutage. Und dennoch schafft der Film es, bis zur letzten Minute spannend zu sein wie ein Krimi.

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Es geht um die Jahre des Eichmann-Prozesses und die Kontroverse über die These der Philosophin von der „Banalität des Bösen“. Es geht darum, dass nicht alle Täter Bestien sind, sondern manchmal eben auch erschreckend „normal“, auch wenn ihre Taten bestialisch sind – und darum, dass nicht alle Opfer unschuldig sind. Dieses Problem ist in diesem Jahrzehnt der weltweit aufflammenden Kriege und Bürgerkriege mindestens so aktuell und brisant wie vor fünfzig Jahren.

Trotta musste zehn Jahre lang um den Film kämpfen, bis ihre Kölner Produzentin Bettina Brokemper das Geld zusammen hatte, das aus mehreren Ländern kommt, darunter Israel. Sie führt nicht nur Regie, sie hat auch, zusammen mit Pamela Katz, das Drehbuch geschrieben. Und sie hat es geschafft, den spröden Stoff unterhaltsam zu lösen, ohne ihn zu verflachen – im Gegenteil: Man hört nach dem Film nicht auf, darüber nachzudenken.

Was auch an der Eindringlichkeit des Spiels aller beteiligten SchauspielerInnen liegt: an der von Sukowa so adäquat verkörperten sperrigen Arendt, aber eben auch an der Aktualität des Stoffs.

Doch was schreibt dazu die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (das Blatt der alternden Jeunesse Dorée vom Prenzlauer Berg und ein verlässlicher Hort der Frauenverachtung)? Es handele sich bei Trottas Film um eine „Prominentenlebensverfilmung“ (Achtung: Wortschöpfung), welche „jene bleierne Langeweile verbreite, die sich bei der Lektüre von Büchern der Titelheldin nie einstellt“. Sowas muss man „nun wirklich nicht mit der Lola in Silber auszeichnen“.
Vermutlich wird es also auch diesem Trotta-Film so ergehen, wie eigentlich allen: Im Ausland wird er hochgeschätzt, in Deutschland runtergeschrieben. Die bekannteste und anerkannteste deutsche Regisseurin existiert weiterhin nicht dank, sondern trotz ihres Heimatlandes.

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