Tariq Ramadan: ein Vergewaltiger?
Tariq Ramadan ist in der Welt des Islam das, was Harvey Weinstein in Hollywood war: ein sehr, sehr mächtiger Mann. Der schillernde und vor allem bei Jugendlichen beliebte Schweizer ägyptischer Herkunft ist der intellektuelle Star der Islamisten-Szene. Doch wo Hollywood-Boss Weinstein immer schon für „sexuelle Libertinage“ gestanden hat, plädierte der mit einer Konvertitin verheiratete „Reform-Salafist“ (wie er sich selber nennt) und Vater von vier Kindern für sexuelle Enthaltsamkeit außerhalb der Ehe.
Der Islamologe korrespondierte zunächst über religiöse Fragen.
Die erste, die das Schweigen brach, ist Henda Ayari. Die mit 18 mit einem Salafisten zwangsverheiratete Tochter einer Tunesierin und eines Algeriers war nach 20 Jahren Ehe ausgebrochen. Sie hat 2016 ein Buch veröffentlicht: „J‘ai choisi d'être libre“ (Ich habe mich entschieden, frei zu sein). Darin berichtete sie bereits von einer Vergewaltigung 2012 in einem Pariser Hotel, hatte aber bisher den Namen des Täters nicht genannt. Am 20. Oktober erklärte Ayari auf ihrer Webseite, sie habe sich jetzt entschlossen, Ramadan anzuzeigen. Am 24. Oktober reichte sie die Klage ein. Die Affäre Weinstein wird sie ermutigt haben.
Ramadans Anwalt drohte prompt mit der Ankündigung, er werde Henda Ayari wegen „Verleumdung“ verklagen. Doch dann folgte ein langes Schweigen.
Eine Woche später, am 27. Oktober, ging eine zweite Frau an die Öffentlichkeit: eine 42-jährige französische Konvertitin, die in den Medien bisher das Pseudonym Christelle hat. Ihre Anschuldigungen klingen noch bedeutend schwerer, haben jedoch dasselbe Muster wie die von Ayari geschilderten Vorkommnisse.
Der Islamologe pflegte zunächst per Email mit den tiefgläubigen Frauen über religiöse Fragen und Konflikte zu korrespondieren. Sodann bestellte er die Frauen in eine Hotellobby, lenkte das Thema auf sexuelle Fragen und schlug vor, doch in sein Zimmer zu gehen, um ungestörter reden zu können.
Christelle ließ ihren Anwalt berichten, dort habe er sich plötzlich mit den Worten: „Du hast mich warten lassen, das wirst du mir büßen!“ von hinten überfallen. Er habe sie geschlagen, anal penetriert, an den Haaren durch das Zimmer geschleift, sexuell erniedrigt. Sie habe geweint und geschrien, er solle aufhören. Vergeblich. Die Kleidung der Frau, die aufgrund eines Beinleidens nur eingeschränkt beweglich ist, habe er so gehangen, dass sie sie kaum erreichen konnte. Erst gegen Morgen, als Ramadan im Bad gewesen sei, hätte sie fliehen können.
Das alles soll sich im Januar 2009 zugetragen haben. Christelles Anwalt Morain wies darauf hin, dass seine Mandantin in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu Ramadan gestanden habe, den sie bewunderte, „wie in einer Sekte“. Gleichzeitig kündigt er an, weitere Opfer von Ramadan hätten sich bei ihm gemeldet.
Auch Henda Ayari hatte von einer extremen Gewalt gesprochen. Sie habe den „Irrsinn“ in Ramadans Augen gesehen und Angst um ihr Leben gehabt. Ayari warnt heute Frauen dringlich vor dem radikalen Islam, „der Frauen im besten Fall zu Bürgern zweiter Klasse macht und im schlimmsten zu einem Objekt, das den Kindern Gewalt und Hass auf andere beibringt – der fruchtbare Boden, auf dem Terrorismus gedeiht“ (berichtet die Basler Zeitung). Christelle war nach der Nacht mit Ramadan ins Krankenhaus gegangen, wo man schwere Verletzungen konstatierte, an denen sie bis heute leidet. Es folgten damals Depressionen und ein Selbstmordversuch.
Tariq Ramadan hat auch darum eine besondere Autorität in orthodoxen islamischen Kreisen, weil er der Enkel des Gründers der Muslimbrüder, Hasan al-Banna ist, die die Keimzelle des politisierten Islams sind. Sein Vater, Said Ramadan, ein militanter Muslimbruder, musste Nassers Ägypten verlassen, Tariq kam in Genf zur Welt. In Ägypten sind die Muslimbrüder heute wieder als „Terror-Organisation“ verboten.
Tariq Ramadan gilt in Europa als eine der großen islamischen Autoritäten. Er ist ein gern gesehener Gast an Universitäten und in Talkshows, unterrichtet in Oxford und Katar und ist u.a. Mitglied der EU-Kommission „Gruppe der Weisen für den Dialog der Völker“ und in Kommissionen für den „Dialog mit Muslimen“.
Dann bestellte er die tiefgläubigen Frauen in eine Hotellobby ...
Jüngst rechtfertigte Ramadan in blumigen Worten die Genitalverstümmelung von Mädchen und weigerte sich in einer Talkshow, sich von der von seinem Bruder, einem Iman in Genf, gutgeheißenen Praxis der Steinigung von Frauen bei „Ehebruch“ zu distanzieren.
Die französische Presse berichtet jetzt breit über die Enthüllungen: von den linksliberalen Gazetten Marianne, Le Monde und Libération bis hin zu dem Boulevardblatt Le Parisien.
Nach der ersten Klage von Ayari war in Ramadans Kreisen noch von einer „zionistischen Verschwörung“ die Rede gewesen. Seit Christelles Klage schweigen Ramadan und sein Anwalt. Auch seine Entourage ist verstummt. Es wird mit weiteren Enthüllungen gerechnet.