Steff la Cheffe: Unvergänglich
"Böse Katze, böse Katze, bse Ktze, bse Ktze, bss-k-zz, bss-kk-zz…“ So beginnt Steff la Cheffe jeden Crashkurs im Beatboxen (was eine Art Mundperkussion ist). Ein einfaches Wortpaar, aus dem mit flinken Lippen und zackiger Zunge im Nu ein ganzes Schlagzeug wird. Mehr wilder Welpe als böse Katze wirbelt die schlaksige Schweizer Rapperin derzeit den Kollegen in Berlin, Kapstadt oder Shanghai so um die Ohren, dass diese sich nur noch umschauen können: Was war denn das? Manchmal kommt dann der Spruch „Willst du nicht lieber Konzerte organisieren, statt selbst welche zu geben?“ zu spät. Aber Stefanie Peter hat ohnehin keine Zeit, sich mit Sido, Bushido und Freunden zu streiten: „Lieber investiere ich die Energie in meine neue Platte.“
Die selbsternannte Cheffe sitzt in einem Café am Zürcher Flughafen, bestellt einen Chai macchiato und sagt: „Ich habe eine halbe Stunde.“ Dann gehts ab nach Südafrika. Nach dem Erstling „Bittersüessi Pille“, der 22 Wochen lang in den Charts war, soll die nächste CD „wieder ein Konzeptalbum“ werden, erklärt sie.
Für EMMA hält Steff jetzt noch kurz inne und gibt ihre Kommentare ab. Zu „verblödenden“ Frauenzeitschriften etwa, die von Cellulitislotion bis hin zu neuen Nasen alles Überflüssige empfehlen. „Frag Brigitte/oder Petra/die wissen weiter/bei jedem Thema“ frotzelt sie auch in ihrem Stück „Annabelle“ und tanzt im Clip dazu in einem papierenen Kleidchen aus Illustriertenstreifen auf einem Podest.
„Der Körper ist etwas sehr Vergängliches“, weiß die taufrische 25-Jährige, „deshalb setze ich lieber auf meinen Kopf und mein Herz.“ Die Herzdame der alternativen HipHop-Szene wirkt mädchenhaft mit ihrem Pferdeschwanz. Dass ausgerechnet sie es in einer Schwergewichtsdisziplin wie Beatboxing zu Weltruhm gebracht hat, amüsiert sie: „Die Leute zu irritieren ist das Beste, was ich erreichen kann.“ Frauen könnten von ihren physischen Voraussetzungen her genauso gut beatboxen wie Männer, aber – so vermutet Steff – „es ist ihnen peinlich, weil man dabei Grimassen macht, speit und so … Junge Frauen wollen eben lieber schön, nicht komisch aussehen.“
In Steffs bissigem Stück „Hr. Doktor“ buchen Girls beim Schönheitschirurgen alle möglichen Operationen – bis hin zur Penisprothese, weil es sich damit besser rappen ließe. Tatsächlich gibt es nur wenige Rapperinnen und kaum Beatboxerinnen. Auf Facebook ermuntert Steff darum die Mädchen, ihr nachzueifern. Und HipHop-Communities wie die deutschen B*Girls geben Frauenbilder jenseits des Zuhälter-Nutten-Schemas vor. Selbst im amerikanischen Mainstream gibt es inzwischen emanzipierte Rolemodels, wie die rappende Musikproduzentin und Songschreiberin Missy Elliott: „Yeah, I be the throwback cat“.
Jawohl, nur böse Katzen kommen überall hin. Zum Beispiel als Auszubildende in eine Autowerkstatt. Dass in der Schweiz unlängst ein Mädchen ihre Mechanikerlehre nicht antreten konnte, weil der Betrieb keine Damentoilette hat, oder dass Frauen noch immer weniger Lohn für die gleiche Arbeit bekommen, das, sagt Steff, „sind Dinge, die mich viel mehr aufregen als sexistische Videoclips“.
Steff hat mit 13 Jahren Feuer gefangen, Auslöser war eine CD des beatboxenden Rappers Rahzel, die ihr der große Bruder zum Geburtstag schenkte. Da übte sie dann im stillen Kämmerchen, präsentierte bald erste Texte und stupende Zungenakrobatik. Und sie wagte sich an die Battles ihrer Heimatstadt Bern, der Hochburg des Schweizer HipHop, wo sie heute noch lebt. Von da an räumte Steff ab, 2009 wurde sie in Berlin Vizeweltmeisterin im Beatboxen. „Diese Battles, das Sich-messen“, sagt sie, „gehört einfach zur bald 40-jährigen HipHop-Kultur und ist für mich kein Problem.“
Statt Problemen häufen sich bei Steff nun die Preise: Nach mehrfach gewonnenen Newcomer-Wettbewerben, dem Swiss Music Award und dem WM-Titel wurde sie 2011 sogar mit dem Kommunikationspreis der Berner PR Gesellschaft ausgezeichnet. Die Werbeindustrie will sich die schlagfertige junge Frau wohl unter den Nagel reißen. Doch Steff, mit einer alleinerziehenden Mutter und „wenig Geld, dafür viel Kreativität“ aufgewachsen, erliegt den gut dotierten Angeboten nicht. Sie schreibt Zeitungskolumnen nur, wenn sie etwas zu sagen hat, wirbt in Radio, Fernsehen und live für „wirklich wichtige Sachen“. 2011 zum Beispiel rappte sie in Schulturnhallen für die nationale Suizidprävention – in der Schweiz ist Selbstmord neben Autounfällen die häufigste Todesursache von Jugendlichen.
Ihre Ausbildung als „soziokulturelle Animatorin“ hat Steff abgebrochen, als sie la Cheffe wurde und von der Musik zu leben begann. Sie liebt das Unterwegssein, auch wenn es dabei schwierig ist, eine längere Beziehung zu führen. Sie sei gern allein, sagt Steff, in ihrer eigenen Welt.
An der diesjährigen Beatbox-WM am 31. März in Berlin wird die Vizemeisterin nicht mehr teilnehmen. „Zu alt“, lacht sie. Das heißt nicht, dass sie aufhört mit ihrer Böse-Katze-Kunst, im Gegenteil: Steff will das Beatboxen jetzt verstärkt in ihre neuen Songs einbauen. Dazu kommen die gerappten Botschaften – Themen wie Kaufsucht, Umwelt und die Folgen der Globalisierung sind ihr wichtig. Ein weites Feld. Der Flug nach Johannesburg wird ausgerufen. Steffs Textbuch steckt griffbereit im Handgepäck.